Home » Banken » Kreditversicherung » Banken » Kreditrisikomanagement – Von der Geschäftspartnerauswahl zum Forderungsmanagement

Kreditrisikomanagement – Von der Geschäftspartnerauswahl zum Forderungsmanagement

Kunden- und Forderungsmanagement im Umbruch
Die Entwicklung der Insolvenzen in der Bundesrepublik Deutschland zeigt seit dem Jahr 2000 einen sehr deutlichen Anstieg, begründet durch die zunehmende Anzahl der Verbraucherinsolvenzen. Insgesamt wurden im Jahr 2004 115.7001 Insolvenzen angemeldet, davon 39.6001 Unternehmensinsolvenzen. 15.800 Insolvenzverfahren wurden gar nicht erst eröffnet, sondern mangels Masse abgelehnt. In diesen Fällen hatten die Gläubiger keine Chance, ihre Forderungen zu realisieren. Insgesamt sind im Jahr 2004 aus Insolvenzen volkswirtschaftliche Vermögensschäden in Höhe von 39,4 Mrd. € entstanden. Aber nicht nur die Entwicklung der Insolvenzen verdeutlicht die Notwendigkeit einer Kreditrisikoprüfung. Die starken Bewegungen in der Unternehmenslandschaft durch Gründungen und Löschungen bedingen es, sich über neu gegründete Unternehmen Informationen über die Gesellschafter, Geschäftsführer und weitere handlungsbevollmächtigte Unternehmensvertreter zu verschaffen. Allein im Jahr 2004 wurden 928.000 Unternehmen gegründet und rund 666.000 Unternehmen gelöscht.

Charakterisierung von Unternehmensinsolvenzen Beschäftigtenzahl
Besonders kleine Unternehmen sind insolvenzgefährdet. So entfallen 73,6 Prozent aller Insolvenzen auf Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigen, weitere 11,7 Prozent auf Unternehmen mit 6 bis 10 Personen. Somit entfallen fast 86 Prozent aller Insolvenzen auf Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten. Rechtsformen Bei der Auswertung der Insolvenzstatistik nach Rechtsformen ist zu erkennen, dass 48,5 Prozent der Insolvenzen auf Unternehmen der Rechtform „freie Berufe/Gewerbebetriebe“ entfallen, dicht gefolgt von der Rechtsform GmbH, auf die knapp 40 Prozent aller Insolvenzen in Deutschland entfallen Insolvenzverteilung 2004 nach Rechtsform

Rechtsform                                                      Insolvenzen           Unternehmen
freie Berufe/Gewerbebetrieb 48,5 (45,8) 57,08
Einzelfirma 4,0 (4,1) 4,08
OHG 0,4 (0,3) 0,65
KG/GmbH & Co. KG 4,6 (4,8) 4,44
GmbH 39,8 (41,9) 22,69
AG 0,9 (1,1 0,43
sonstige 2,0 (0,1) 10,63
Quelle: Credltreform-Datenbank; alle Angaben in Prozent

Insolvenzursache
Die Gründe, die ein Unternehmen in die Insolvenz zwingen, sind oft vielschichtig und lassen sich grob in zwei Hauptursachen unterteilen: externe und interne Ursachen. Bei einer Befragung von 56 Insolvenzverwaltern im Rahmen eines Forschungsprojektes waren häufig die gleichen Gründe für einen Zusammenbruch der Unternehmen verantwortlich. Im Finanzierungsbereich sind neben einem mangelhaften Rechnungswesen oder einer vollkommen fehlenden Buchführung und einer schlechten Finanzplanung insbesondere Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Fremdfinanzierungsmitteln zu nennen. Eine ungenügende Eigenkapitalausstattung oder schlechtes Cash- Management, eine zu hohe Eigenkapitalbindung oder ein zu hohes Nettoumlaufvermögen gehören ebenfalls zu den häufigen Insolvenzgründen.

Häufigste Insolvenzursachen

Insolvenzursachen Unternehmen
1. Finanzierung 20,2
1.1 Fremdfinanzierung 12,1
1.2 Eigenkapital/Finanzplanung 8,1
2. Managementfehler 71,4
2.1 Organisationsfehler 26,7
2.2 Planungsfehler 19,6
2.3 Investitionspolitik 12,5
2.4 Mängel der Produkte/Arbeiten 12,6
3. Auswirkungen fremder Schwierigkeiten 19,1
4. Absatz, Auftragslage, Konkurrenz 34,4
5. Sonstige Insolvenzgründe 36,8
Quelle: Ergebnisse einer Befragung von 56 Insolvenzverwaltern; Angaben in Prozent; Mehrfachnennungen möglich

Eigenkapitalausstattung
Betrachtet man die Eigenkapitalstruktur, so wird deutlich, dass ein großer Anteil der mittelständischen Unternehmen in Deutschland zu wenig Substanz in Form von Eigenkapital hat, um Krisensituationen wie Konjunkturverschlechterung oder Forderungsausfälle unbeschadet zu überstehen. Von einer ausreichenden Eigenkapitalisierung kann gesprochen werden, wenn ein Unternehmen mehr als 30 Prozent Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme aufweisen kann. Gerade einmal 19,9 Prozent (Vorjahr: 18,3 Prozent) der mittelständischen Unternehmen verfügen über mehr als 30 Prozent Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme und sind damit ausreichend kapitalisiert. Dagegen stehen 36,0 Prozent, die mit weniger als 10 Prozent haftendem Eigenkapital unterkapitalisiert sind. Dieser Wert stieg im Jahresverlauf um 0,3 Prozentpunkte.

Eigenkapitalausstattung des deutschen Mittelstandes

bis 10 % 36,0 (35,7)
bis 20 % 26,8 (27,0)
bis 30 % 17,4 (18,9)
über 30 % 19,9 (18,3)
Angaben in Prozent der Befragten, Rest o. A., ( )

Internationaler Bilanzkennzahlenvergleich

                                   A                     D                    F                   NL             USA
                                  Kleinere Unternehmen
Eigenmittel 15,9 7,5 33,9 34,6 44,9
Rückstellungen 8,5 8,0 2,8 12,0 2,3
Fremdmittel 75,6 84,5 63,3 53,4 52,8
davon Bank 20,1 26,9 126,0 15,6 20,4
                                   Große Unternehmen
Eigenmittel 23,6 25,0 35,2 48,8 37,4
Rückstellungen 12,5 28,0 6,0 4,9 15,5
Fremdmittel 63,9 47,0 58,8 46,3 47,1
davon Bank 12,2 9,1 7,5 8,4 9,0
Quelle: Credltreform, Deutsche Bundesbank, Datenbank BACH Europäische Kommission, österreichische Nationalbank (OeNB); Kleinere Unternehmen bis 50 Mio. € Jahresumsatz

Internationaler Vergleich
Im internationalen Vergleich wird die problematische Situation in Deutschland besonders deutlich. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. € haben in Deutschland im Durchschnitt eine Eigenkapitalausstattung von 7,5 Prozent. In Frankreich liegt die Eigenmittelausstattung bei durchschnittlich 33,9 Prozent. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei mittelständischen Unternehmen aus Steuer- und haftungsrechtlichen Gründen maßgebliche Vermögensteile im Privatvermögen der Unternehmenseigner gehalten werden. Dieser Umstand erhöht die Anforderungen an das Kredit-Management und die Kreditsicherung speziell beim Lieferantenkredit.

Forderungsbestände
Forderungsbestände bedeuten Umsatz ohne Finanzmittelzufluss und zugleich risikobehaftetes Kapital, das im Umlaufvermögen gebunden ist. Zudem beeinträchtigen die Finanzierungskosten die Rendite. Umso bedenklicher sind nachfolgende Angaben: Im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank 04/2003 wurden die Forderungsbestände je Branche verglichen. Im verarbeitenden Gewerbe liegen die kurzfristigen Forderungen gegenüber Kunden aus Lieferungen und Leistungen bei 31,5 Prozent, im Maschinenbau bei 37,0 Prozent und im Bereich Elektrotechnik bei 34,0 Prozent. Das Verlags- und Druckgewerbe weist eine Quote von 36,5 Prozent, der Großhandel und Handelsvermittlung eine Quote von sogar 42,0 Prozent auf. Der hohe Anteil in kurzfristigen Forderungen gebundenen Kaptitals verdeutlicht das Risiko-Potenzial und die zunehmende Bedeutung des Lieferantenkredits als Finanzierungsquelle der Kunden im Absatzmarkt.

Bedeutung von Forderungsausfällen
Renditehebel Forderungen (Rechen Beispiel Forderungsrate) Nachfolgendes Rechenbeispiel zeigt auf, wie sich einzelne Einflussfaktoren auf das Unternehmensergebnis auswirken. Ein Unternehmen hat einen Forderungsbestand in Höhe von 1,5 Mio. €, ein Jahresumsatz von 11,6 Mio. € und eine durchschnittliche Außenstandsdauer von 50 Tagen mit einem Zinssatz von 7 Prozent. Schafft es nun dieses Unternehmen, die durchschnittliche Außenstandsdauer von 50 Tagen um 3 Arbeitstage auf 47 Tage zu verringern, so ergibt sich ein einmaliger Liquiditätseffekt von 133.500 € und eine Reduzierung der Finanzierungskosten (Zinsverbesserung) in Höhe von 9.340 €.

Ergebniswirkung von Forderungsausfällen
Erzielt dieses Unternehmen mit 11,6 Mio. € Jahresumsatz und einer Bilanzsumme von 5,8 Mio. € nun eine Umsatzrendite von 3 Prozent, macht es einen Gewinn in Höhe von 348.000 €. Bei einer Eigenkapitalausstattung in Höhe von 30 Prozent = 1,47 Mio. € entspricht dieser Gewinn einer Rendite von 20 Prozent.

Auswirkung von Forderungsverlusten/Forderungsausfällen
Nehmen wir einen Forderungsausfall in Höhe von 0,8 Prozent vom Umsatz an, so beläuft sich dieser bei dem im Beispiel genannten Unternehmen auf einen Betrag in Höhe von 92.800 €. Der Gewinn in Höhe von 348.000 € reduziert sich entsprechend auf 255.200 €. Damit sinkt die Kapitalverzinsung auf 14,7 Prozent.

Notwendiger Mehrumsatz zum Forderungsausgleich
Teilt man diesen Forderungsverlust in Höhe von 92.800 € durch 3 Prozent Umsatzrendite, so erhält man den erforderlichen Mehrumsatz. Er entspricht 3,1 Mio. €. Im Verhältnis zu dem Jahresumsatz von 11,6 Mio. € bedeutet dies eine erforderliche Ausweitung um rund 27 Prozent. Der Leser mag beurteilen, inwieweit ein derart organisches Wachstum in wettbewerbsstarken Märkten überhaupt realistisch ist. Hier wird deutlich, wie hoch der Renditehebel ist, wenn die Forderungsausfälle durch ein effektives Kreditrisikomanagement auf ein Minimum reduziert würden.

Kreditrisikomanagement
Soll ein effektives Kreditrisikomanagement im Unternehmen realisiert werden, muss der „Marketing-to-Order-to-Cash“-Kunden- Prozess sowie die einzelnen Kreditrisikomanagement-Schritte in die Betrachtung einbezogen werden. Am Anfang der Prozesskette des Kreditrisikomanagements steht die Kreditwürdigkeitsprüfung.

Kreditrisikomanagement - Von der Geschäftspartnerauswahl zum Forderungsmanagement 1

Mit dem Ziel, riskante Engagements zu identifizieren, müssen externe und interne Finanzinformationen bereitgestellt und analysiert werden. An die Kreditwürdigkeitsprüfung schließt sich die Kreditentscheidung an.

Kredit-Management
Für die adressbezogene Risiko-Steuerung bedarf es der Einteilung der Einzelengagements zu Risiko-Klassen sowie der Vergabe von Kreditlimits und der Festlegung von Zahlungsbedingungen. Die Kreditsicherung hat die Aufgabe, die Beschaffung und die Bewertung von Sicherheiten zu unterstützen. Hierbei geht es um die optimale Kombination von eigenverantwortlichem Kredit-Management und der Absicherung von Existenz bedrohenden Risiken mittels Kreditversicherung. Der Kreditüberwachung obliegt die Steuerung der festgelegten Maßnahmen, um die Außenstände und Forderungsausfälle möglichst gering zu halten. Der Kreditrisikomanagement-Prozess wird durch die Kontrolle des Zahlungseingangs fortgesetzt. Mit dem Ziel, den Forderungseinzug insgesamt zu optimieren, muss ein strukturiertes Mahn- und Inkassowesen mit einer anschließenden Insolvenzab-wicklung umgesetzt werden. Die Kreditrisikosteuerung beschäftigt sich mit der klassischen Fragestellung: Welche Geschäfte können mit welchen Kunden, über welchen Vertriebsweg, zu welchen Bedingungen gemacht werden?

Marketing-to-Order-to-Cash Kunden-Prozess
Im gesamten „Marketing-to-Order-to-cash“-Kunden-Prozess sind die einzelnen Schritte des Kreditrisikomanagements von der Zielgruppendefinition über die Neukundenansprache bis zum Zahlungseingang von Bestandskunden umzusetzen.

Kreditrisikomanagement - Von der Geschäftspartnerauswahl zum Forderungsmanagement 2

Kreditrisikomanagement
Im Folgenden werden die Stufen sowie die Aufgaben und Maßnahmen je Prozessstufe vorgestellt:

Marketing-Management (Kunden finden und identifizieren)
Das Marketing-Management beschäftigt sich mit der Kundengewinnung und Identifizierung, also mit der Auswahl und Ansprache möglichst lukrativer Kunden. Bei der Neukundengewinnung lassen sich Marketing- und Vertriebskosten im großen Umfang einsparen, wenn im Rahmen der Zielgruppenauswahl (Neukundenselektion/Adressmanagement) die Bonität des potenziellen Kunden, seine Zahlungsfähigkeit, seine wirtschaftliche Aktivität sowie die aktuelle Adresse und die juristisch korrekte Firmierung im Vorfeld der Kundenakquise überprüft werden. Entwickelt sich aus der Kundenansprache ein Auftrag, kann mit Hilfe der eindeutigen Creditreform Unternehmensnummer problemlos eine Auskunft über die Bonität des Kunden angefordert werden. Die Informationen aus der Wirtschaftsauskunft können mit Einsatz eines Online-Kommunikationssystems automatisch und in korrekter Form unternehmensseitig in das Warenwirtschafts- oder das Debitorenbuchhaltungssystem übernommen werden. Mit der Übertragung der juristisch einwandfreien Adresse des Unternehmens sowie der haftenden Vertreter ist die Voraussetzung zur Durchsetzung späterer Forderungen erfüllt.

Kredit-Management (Kunden bewerten und Kredite entscheiden)
Das klassische Kredit-Management schließt die Bewertung des Kunden sowie die Kreditentscheidung ein. Bei der Bewertung geht es um die Frage der Bonitätsprüfung und Ermittlung einer individuellen Ausfallwahrscheinlichkeit mittels Regelwerken, Scoring- oder Rating-Verfahren. Liegen für die Bewertung alle erforderlichen und verfügbaren Informationen vor, müssen diese Informationen zu Steuerparametern verdichtet werden. Beispielsweise werden Risiko- Klassen oder Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt.

Scoring- Verfahren
Das Grundprinzip eines Scoringsystems besteht darin, auf Basis aktueller und historischer Daten mit Hilfe von mathematischen und statistischen Verfahren eine Prognose über das zukünftige Kundenverhalten zu ermitteln. Scoringverfahren werden für unterschiedliche Aufgabenstellungen herangezogen:

  • Antragsscoring: Bewertung von Neugeschäft
  • Verhaltensscoring: Bewertung von laufenden Kundenbeständen
  • Marketingscoring: Bewertung von Kauf-, Produkt- oder Verhaltensaffinitäten und Segmentierung homogener Kundengruppen gleichen Verhaltens
  • Inkassoscoring: Optimierung von Beitreibungsmaßnahmen

Als Grundlage für die Entwicklung von Scoring werden unterschiedliche Daten und Informationen genutzt. Aus dem Bereich von Antrags- und Bestandsdaten werden u.a. folgende Informationen verwendet:

  • Branche
  • Kundenbeziehung seit
  • Alt-/Neu-Kunde
  • Auftragswert/Kreditbetrag
  • Vertragsart
  • Gesamtbetrag des Risikos
  • Zahlungskonditionen

Des Weiteren werden Auskunftsdaten, Bonitätsindex, Alter der Firma, Alter der Geschäftsführer, Kapitaleinlage, Auftragslage, Unternehmensentwicklung, Anzahl Mitarbeiter, Umsatz, Krediturteil sowie allgemeine Daten zu Risikoprofilen wie beispielsweise das Branchenrisiko und Insolvenzrisiko der Rechtsform oder das Insolvenzrisiko der Umsatzgrößenklassen für die Scoreermittlung herangezogen. Die Scorekarte basiert auf der Unterscheidung und Definition von guten und schlechten Krediten. Es gilt festzulegen, welche Kriterien einen guten und welche Kriterien einen schlechten Kredit charakterisieren. Insbesondere gilt es zu bewerten, welches Ergebnis oder welchen Deckungsbeitrag bringt ein guter Kredit (ein guter Kunde) und was kostet ein schlechter Kredit. Das Verhalten von Kunden in der Vergangenheit wird für die Prognose über das zukünftige Kundenverhalten zu Grunde gelegt. Zur Fesdegung des optimalen trennenden Scorewertes (Cut Off) zieht man eine Wirtschaftlichkeitsberechnung auf Grundlage der zuvor festgelegten Kosten eines schlechten Kunden und des Nutzens eines guten Kunden heran. Bis zu dem Trennwert werden alle Geschäfte abgelehnt oder mit Sicherungsmaßnahmen unterlegt. Liegt der ermittelte Scorwert über dem Cut Off, werden alle Geschäfte angenommen. Entsprechend der Risiko-Strategie des Unternehmens wird der gewinnoptimale Trennwert festgelegt.