Im ausgehenden Mittelalter hatten clevere Kaufleute in der Lombardei einen lukrative Idee. Sie verliehen Geld nur, wenn ihnen der Schuldner ein Pfand überließ. Dadurch reduzierten sie die üblichen Kreditrisiken erheblich. Konnte der Schuldner seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, wurde kurzerhand das Pfand versilbert. Heute spricht man nicht von Pfand, sondern von Sicherheiten. Doch an die Gepflogenheiten der Geldverleiher aus Oberitalien erinnert bis heute der Begriff Lombardkredit. Am Prinzip hat sich nichts geändert: Die Bank gewährt einen Lombardkredit, der durch ein Pfandrecht gesichert ist. Die Höhe des Kredits ist dabei abhängig vom Beleihungswert des betreffenden Pfands, der meist deutlich unter dem tatsächlichen Wert liegt. Damit möchte sich der Kreditgeber für den Fall absichern, dass der Marktpreis für das betreffende Pfand während der Laufzeit des Kredits deutlich sinkt. Bei einem Edelmetall- Lombardkredit weiß die Bank zum Beispiel nicht, wie sich etwa der Goldpreis in den kommenden Monaten oder Jahren entwik- keln wird. Also wird ein Abschlag auf den aktuellen Marktpreis vorgenommen.
Am weitesten verbreitet ist der Effekten-Lombardkredit, üblicherweise als Wertpapierkredit bezeichnet. Er wird insbesondere von Direktbrokern offeriert. Der Kunde bietet der Bank sein Wertpapierdepot als Pfand an. Der Beleihungswert der Papiere hängt von deren Risikoprofil ab. Bei Anleihen von inländischen Emittenten fällt der Abschlag deutlich geringer aus als bei ausländischen Aktien.
Ein Effekten-Lombardkredit wird meist dazu verwendet, andere Wertpapiere zu kaufen, und dient somit in erster Linie spekulativen Zwecken. Ein Beispiel: Der Kunde nimmt bei seinem Direktbroker einen vergleichsweise günstigen Wertpapierkredit in Anspruch und kauft aussichtsreiche Papiere. Schon nach vier Wochen verkauft er diese Aktien wieder und freut sich über 20 Prozent Gewinn. In diesem Fall kann er den geringen Zinsaufwand leicht verschmerzen. Oder aber der Kunde nimmt einen solchen Kredit in Anspruch, um einen Leverage-Effekt (also eine Hebelwirkung) zu erzielen. Angenommen, ein Anleger ist vom Potenzial einer bestimmten Aktie so überzeugt, dass er so viele Papiere wie nur möglich kaufen möchte. Aktuell verfügt er jedoch nur über liquide Mittel von 10.000 Euro. Er nimmt daher einen Wertpapierkredit in Höhe von 20.000 Euro in Anspruch und ersteht für 30.000 Euro Aktien. Er bindet hierfür allerdings nur Kapitel in Höhe der besagten 10.000 Euro. Falls nun die betreffenden Aktien in den kommenden Monaten um 30 Prozent steigen sollten, hat der Anleger mit 10.000 Euro Einsatz vor Steuern 9000 Euro Gewinn erzielt. Die Zinsen für den Wertpapierkredit fallen kaum ins Gewicht.
Das klingt überzeugend, doch birgt die „Spekulation auf Pump“ ein hohes Risiko. Entwickeln sich die Märkte anders als erwartet, sitzt der Anleger auf einem Schuldenberg. Er muss also nicht nur Zinsen zahlen, sondern noch dazu Verluste ausgleichen. Kommt es gar zu einem Crash, wird das Wertpapierdepot in puncto Sicherheit neu bewertet. Gut möglich, dass ‚die Bank dann einen Großteil des Kredits kurzfristig zurückhaben möchte. Verbraucherschützer raten daher dringend davon ab, Wertpapiere auf Kredit zu erstehen.
Der folgenden Tabelle können Sie beispielhaft die Beleihungswerte der comdirect Bank entnehmen. Die Praxis der Direktbroker weicht in dieser Hinsicht nicht stark voneinander ab. Die Tabelle erfüllt überdies einen zweiten Effekt. Sie führt Ihnen deutlich vor Augen, wie hoch die Banken die Risiken mancher Wertpapiere tatsächlich einschätzen.
Beleihungswerte der wichtigsten Wertpapiere
Wertpapier Beleihungswert
Inländische Aktien 50%
Ausländische Aktien 30%
Euro-Anleihen inländischer Emittenten 80%
Euro-Anleihen ausländischer Emittenten 60%
Fremdwährungsanleihen 50%
Aktienfonds 60%
Rentenfonds 80%
Geldmarktfonds 80%
Offene Immobilienfonds 80%
Optionsscheine und Zertifikate 0%
Quelle: comdirect, 2015