Weitere Risiken
Optionen beinhalten noch andere Risiken, die aber nicht so offenkundig sind wie zum Beispiel das allgemeine Kursrisiko oder Pricing- und Spread-Risiken. Eines davon ist das Bonitätsrisiko. Jeder, der Optionen kauft, muss mit der Gefahr leben, dass der Stillhalter seinen Verpflichtungen in Zukunft nicht mehr nachkommen kann. Was nützt der zugesicherte Anspruch auf den Inneren Wert am Ende der Laufzeit, wenn eine Bank zur Rückzahlung nicht in der Lage ist, weil sie inzwischen Konkurs gemacht hat. Zwar ist – zumindest in Deutschland – bislang noch kein derartiger Fall bekannt geworden, doch das bedeutet natürlich nicht, dass solche Situationen in Zukunft ausgeschlossen sind. Die Zahlungsfähigkeit von Banken (und anderen Unternehmen) wird von spezialisierten Institutionen – sogenannten Rating-Agenturen – bewertet. Zu den bekanntesten zählen Standard & Poor’s und Moody’s. Sie prüfen, ob ein Emittent Zahlungsverpflichtungen in der Vergangenheit erfüllt hat, wie stark er bereits verschuldet ist und welche Ertragslage in Zukunft zu erwarten ist. Daraus leiten die Analysten ab, wie ausgeprägt das Risiko von Zahlungsausfällen ist. Durch eine Buchstabenkombination – auch Rating genannt – wird die Schuldnerqualität ausgedrückt. Vergeben Standard & Poor’s die Note AAA (Triple AAA), handelt es sich um einen Emittenten höchster Güte, bei dem keine Zahlungsausfälle drohen, Papiere mit CC-Rating kann man dagegen als sehr spekulativ einstufen, wohingegen ein mit D bewerteter Schuldner bereits im Zahlungsverzug ist. Beachtet werden sollte, dass die Agenturen eine Unterscheidung treffen zwischen lang- und kurzfristigen Ratings. Es kann also durchaus Emittenten geben, deren Zahlungsfähigkeit auf kurze Sicht (ein bis zwei Jahre) als akzeptabel angesehen wird. Über längere Zeiträume erfolgt jedoch eine Herabstufung, da Analysten die Entwicklung in ferner Zukunft als unsicherer betrachten.
Risiko durch Streuung mindern
Das Bonitätsrisiko lässt sich auf elegante Weise reduzieren, indem Kapital nicht ausnahmslos einem einzigen Emittenten anvertraut, sondern auf mehrere Schuldner gestreut wird. Diese Methode bezeichnet man allgemein auch als Diversifikation. Der positive Effekt: Verschlechtert sich in Zukunft die Bonität eines Schuldners oder wird er gar zahlungsunfähig, ist davon nicht gleich das gesamte Kapital betroffen. Die Ratings von Unternehmen könnte man – ähnlich wie Börsenkurse oder Zinssätze – problemlos auch im Internet veröffentlichen. Doch dies ist bislang noch nicht geschehen, zumindest nicht systematisch. Agenturen wie Standard & Poor’s oder Moody’s stellen ihre ermittelten Ratings (noch) nicht ins Web, sodass sie von jedermann dort kostenlos abgerufen werden könnten. Vereinzelt findet man Banken und andere Unternehmen, die ihr eigenes Rating im Netz ablegen. Man findet es dann zumeist unter der Rubrik Investor Relations, so wie etwa bei der Commerzbank. Es ist sicherlich recht mühsam, erst auf die Internet-Seite des Stillhalters zu surfen und dort nach einem möglicherweise eingestellten Rating zu suchen. Doch das ist leider zurzeit der einzig gangbare Weg.
Kommen wir nun vom Bonitäts- zum Manipulationsrisiko. Es handelt sich dabei um die Gefahr, dass der Kurs des Underlyings zum Nachteil des Optionsanlegers beeinflusst wird. Zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel: Angenommen, eine Bank hat Range-Warrants aasgegeben (Laufzeit: 6 Monate), die sich auf Aktien der Internolix AG beziehen. Die Range reicht von 70 bis 80 Euro. Am Ende der Laufzeit muss der Kurs exakt innerhalb dieser Spanne liegen, damit die Option nicht wertlos verfällt. Nun wäre es denkbar — und in vergleichbaren anderen Pallen ist es tatsächlich schon passiert —, dass die zugrunde liegende Aktie massiv ge- oder verkauft wird, um über die Börsenkursveränderung den Wert des Warrants zu steuern. Gelingt dem Emittenten am letzten Tag eine Börsennotiz von über 80 bzw. unter 70 Euro, würden die Scheine sofort wertlos verfallen und er könnte die vereinnahmte Prämie komplett als Gewinn verbuchen. Wie stark Manipulationsgefahren ausgeprägt sind, hängt zum einen natürlich vom Emittenten ab, zum anderen vom Underlying. Kurse sogenannter Nebenwerte sind leichter zu beeinflussen als die Börsenpreise bedeutender großer Unternehmen. Um dort merkliche Kursveränderungen zu erreichen, müssen schon ziemlich große Orders platziert werden. Bei Titeln wie etwa der Deutschen Telekom ist der Aufwand so groß, dass sich die Beeinflussung meist gar nicht lohnt. Deshalb sind Manipulationsrisiken hier zwar nicht ausgeschlossen, aber doch relativ gering. Zum Abschluss wollen wir noch kurz auf eine weitere Risikoart hinweisen, die mit der Wertpapierabwicklung zusammenhängt. Für den Handel und die Übertragung von Finanzprodukten werden heutzutage verschiedene Hilfsmittel eingesetzt, angefangen bei Telefonen bis hin zu Handelssystemen. Dass Defekte und technische Störungen manchmal Schäden für Anleger anrichten, kann man sich leicht vorstellen. Fällt etwa das Handelssystem eines Market Makers aus, ist er einige Zeit nicht in der Lage, Kurse zu stellen und Warrants zurückzunehmen. In bestimmen Marktphasen – zum Beispiel nach einer kurzen, heftigen Börsenhausse – können Papiere vom Anleger womöglich nicht schnell genug wieder veräußert und Gewinne mitgenommen werden. Man sollte ein derartiges Abwicklungsrisiko – auch Betriebsrisiko oder Operational Risk genannt – nicht ignorieren, da es in der Vergangenheit schon mehrfach vorgekommen ist, dass Anleger deswegen finanzielle Einbußen erlitten haben.
Wie Emittenten sich gegen Risiken absichern
Stillhalter übernehmen außerordentlich hohe Risiken. Das trifft im Besonderen für die Herausgeber von Optionsscheinen zu. Schon allein aufgrund der großen Emissionsmengen können es sich viele Häuser nicht leisten, solche Risiken selbst zu tragen. Für Banken ist der Handel mit Warrants üblicherweise ein sogenanntes Margengeschäft. Mit anderen Worten: Die Bank übernimmt prinzipiell die Funktion eines Großhändlers. Sie kauft Produkte günstig ein und veräußert diese mit einem Aufschlag an Anleger weiter. Die Bank erbringt also eine reine Dienstleistung und wettet nicht, wie oft kolportiert wird, gegen die Anleger. Ihr Gewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Erlös aus den verkauften Optionen (Verkaufspreis) und den Kosten für die Absicherung (Einkaufspreis). Die Möglichkeiten zur Absicherung sind vielfältig. Sehr häufig trifft man in der Praxis auf ein Risikomanagement nach folgendem Muster: Sämtliche Optionen, die dasselbe Underlying haben, werden zu einer Position zusammengefasst. Da sich die Risiken einzelner Optionen zum Teil gegenseitig kompensieren, verbleibt lediglich eine Restrisikoposition. Ein Beispiel: Eine Bank hat 50.000 Calls (Delta: 0,60) und 70.000 Puts (Delta: 0,40) emittiert. Beide Optionsscheine beziehen sich auf BASF-Aktien. Schwankt der Kurs der Aktie, verändert sich auch der Wert der Optionen. Messbar ist die Optionspreisänderung mit Hilfe der Sensitivitätskennziffer Delta. Bei emittierten Calls ist der Deltawert negativ und beträgt für die gesamte Anzahl an Calls minus 30.000 (50.000 mal minus 0,60), für die geschriebenen Puts plus 28.000 (70.000 mal 0,40). Das Gesamtpositionsdelta hat damit einen Wert von minus 2.000 (minus 30.000 plus 28.000). Daran lässt sich ablesen, dass die Bank insgesamt 2.000 Euro gewinnt (verliert), wenn der BASF-Kurs um einen Euro sinkt (steigt). Das Risiko kann vollständig beseitigt werden, wenn zusätzlich eine Position mit einem Deltawert von plus 2.000 aufgebaut wird. Dies könnte zum Beispiel dadurch geschehen, dass 2.000 BASF-Aktien gekauft werden. Erst dann wäre die Gesamtposition wie man sagt deltaneutral .
50.000 emittierte Calls (Delta: 0,60)
-30.000 70.000 emittierte Puts (Delta: 0,40)
+28.000
2.000 gekaufte BASF-Aktien (Delta: 1,00)
+ 2.000 Gesamtpositionsdelta
Diese als Delta Hedging bekannte Methode (Hedging ist die englischsprachige Bezeichnung für Absicherung) wenden Banken in erster Linie bei Plain-Vanilla-Optionen an. Besonders wichtig ist, dass die Basisaktien hinreichend liquide sind, damit sie später zu Sicherungszwecken schnell ge- und verkauft werden können, ohne dadurch große Kurssprünge auszulösen. Deshalb wird bereits im Vorfeld einer Emission (Emissionsplanung) genau auf die Liquidität der zugrunde liegenden Aktie geachtet. Geprüft wird außerdem, ob Derivate (z. B. Terminbörsenoptionen, Futures, OTC-Optionen) angeboten werden, die sich auf die Basisaktie beziehen und die später möglicherweise ebenfalls zur Absicherung der Warrants verwendet werden können. Das Delta der Gesamtposition ist keine konstante Größe, sondern unterliegt selbst wieder Schwankungen wegen der Restlaufzeitverkürzung der Optionen und Aktienkursänderungen oder zum Beispiel aufgrund zurückverkaufter Scheine. Daher muss der Emittent seine Gesamtposition laufend an die veränderten Bedingungen an- passen. Man bezeichnet Delta-Hedging deswegen auch als dynamisches Hedging. Durch das ständige Anpassen entstehen natürlich Kosten, die den Gewinn der Bank schmälern. In der Praxis reagiert der Emittent daher auch nicht auf jede Veränderung. Meist hat ein Händler einen gewissen Handlungsspielraum, den er auch für die Anpassung seiner Sicherungsentscheidungen an Erwartungen über die zukünftige Markterwartung nutzt. Das heißt, dass in einem bestimmten Rahmen bewusst Risiken übernommen werden.
Steuerung des Deltarisikos reicht nicht aus Da der Wert eines Optionsscheins neben dem Aktienkurs noch von Weiteren Faktoren abhängt, reicht es eigentlich nicht aus, nur das Deltarisiko zu betrachten. Von Bedeutung sind ebenso zum Beispiel Schwankungen der Warrantkurse aufgrund von Änderungen der impliziten Volatilität (Vegarisiko). Normalerweise werden auch diese Risiken abgesichert, wenn gewisse Grenzen überschritten sind. Ein bewährtes Mittel zur Minderung der Risiken ist die Ausdehnung der Spanne zwischen Geld- und Briefkurs. Diese Möglichkeit wird insbesondere in hektischen Marktphasen genutzt, die gekennzeichnet sind durch plötzliche, zum Teil sehr große Kursbewegungen. Man findet weite Spreads auch bei Underlyings, deren Preise abrupten und starken Änderungen unterliegen. Ein typisches Beispiel sind Aktien aus dem Neuen Markt. Ein Beispiel: Eine Bank emittiert amerikanische Calls, denen Aktien der MobilCom AG zugrunde liegen (Strike: 90 Euro, Laufzeit: 6 Monate). Die Aktie notiert zur Zeit bei 90 Euro, der Warrant hat einen Wert von L6,50 Euro (angenommene Volatilität: 70 Prozent), quotiert wird 16,00/17,00. Nehmen wir an, ein Anleger kauft einen Warrant.
Der Emittent verlangt dafür den Briefkurs und kassiert 17 Euro, also 0,50 Euro mehr als der eigentliche Wert (16,50 Euro). Dadurch hat sich der Händler ein Sicherheitspolster zugelegt. Selbst wenn der Kurs der Aktie sprunghaft auf 91,55 Euro ansteigt (neuer Optionswert: 17,50 Euro), hat der Emittent – wenn man die Transaktionskosten vernachlässigt — keinen Schaden. Denn er quotiert jetzt 17,00/18,00 und das bedeutet, dass man die zu 17 Euro gekauften Warrants lediglich zum selben Preis wieder zurückverkaufen kann. Die Gefahr, durch plötzliche Marktbewegungen Verluste zu erleiden, ist umso geringer, je höher die Spanne zwischen Geld- und Briefkurs ist. Dehnt der Emittent im Fallbeispiel den Spread von einem auf zwei Euro aus (Quote lautet dann in der Ausgangssituation: 15,50/17,50), kann der Preis für die MobilCom-Aktie auf 93,20 steigen (neuer Optionswert: 18,50 Euro), ohne dass der Emittent Schaden nimmt. Es gibt noch eine dritte in der Praxis genutzte Sicherungsmöglich- keit, die man oft bei Exotischen Optionen findet. Der Emittent kann das Risiko auch durch ein Gegengeschäft beseitigen oder rausdrehen. Bringt eine Bank zum Beispiel Range-Warrants heraus, eliminiert sie das Risiko durch ein entgegengesetztes OTC-Geschäft. Der Emittent kauft (im Regelfall natürlich preiswerter) bei einer anderen Bank identisch ausgestattete Ran ge-Optionen. Entstehen später Verpflichtungen aufgrund der herausgegebenen Option, kann die Bank sich schadlos halten, weil sie die gleichen Ansprüche aufgrund der gekauften OTC-Option geltend machen kann.