Den Herren der großen privaten Geschäftsbanken war sie schon lange ein Dorn im Auge. Die WestLB war irgendwie das Schmuddelkind im deutschen Bankgewerbe. Eines, das sich nie unterkriegen ließ und immer dabei sein wollte, wenn es etwas zu verdienen gab. Das zeitweilig zum viertgrößten deutschen Kreditinstitut aufgestiegen war und das trotz des für Frankfurter Bankernasen aufdringlichen Margarinegeruchs der nordrhein-westfälischen Arbeiterstädte auch in die internationalen Kapitalmärkte Einlass gefunden und sich in die Spitzenliga der deutschen Banken gedrängelt hatte.
Die Aufmüpfigkeit und die Abenteuerlust der Banker aus Düsseldorf und Münster, die im roten Filz der SPD-gefuhrten Landesregierungen blühten und gediehen, hat die soignierten Geldzirkel unter der Frankfurter Dunstglocke immer wieder bis aufs Blut gereizt. Traten die WestLB-Banker doch lange Jahre mit großem Vorsprung im Rennen um die lukrativen Bankgeschäfte an: Als öffentlich-rechtliches Institut konnten sie ihren Kunden bessere Konditionen und meist auch niedrigere Zinsen bieten. Für das Risiko musste ja notfalls die Landesregierung einstehen.
Viele Jahre klagten und beschwerten sich die privaten Großbanken gegen die Bevorzugung der WestLB – lange Zeit vergebens. Gegen den langjährigen Chef der Bank, Friedei Neuber, kamen sie nicht an. Keiner konnte so geschickt die Fäden ziehen und auf der politischen Bühne die Puppen tanzen lassen.
Der rote Pate
Neuber verfügte über glänzende Beziehungen in die Zentralen der nordrhein-westfälischen Konzerne und als ehemaliger SPD- Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag auch in die Politik. Und er sorgte dafür, dass seine Gefolgsleute bedacht wurden, aber auch seine Gegner nicht zu kurz kamen. Und so manchem Politiker und Wirtschaftsmann war sein persönliches Fortkommen einen Kotau vor dem mächtigen Financier wert. Ohne die Zustimmung des roten Paten lief lange Jahre nichts in Nordrhein-Westfalen, gegen sein Veto konnte nicht einmal beim Energieversorger RWE ein Führungsposten besetzt werden.
Doch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre hatte der oberste Landesbanker sein Konto überzogen. Im September 1996 fielen bei der WestLB-Zentrale 600 Steuerfahnder ein. Zweck der Razzia war die Beschlagnahme von Aufzeichnungen, Akten und Dokumenten, mit denen der Verdacht auf Steuerhinterziehung erhärtet werden sollte. Zu ihrer Überraschung fanden die Beamten polierte Schreibtische und leere Aktenordner vor.
Offensichtlich war die Bank gewarnt worden. Es dauerte nicht lange, bis der Verdacht auf Neubers Vertrauten, den nordrheinwestfälischen Finanzminister und Verwaltungsratsmitglied der WestLB, Heinz Schleußer, fiel. Doch Schleußer, den mit dem Banker eine jahrzehntelange enge Freundschaft verband, wies jeden Verdacht von sich, und bewiesen werden konnte ihm nichts.
Im Jahr 1999 durchkämmten Steuerfahnder auch Neubers Privathaus. Gegen den Bankchef und einige seiner Vorstandskollegen wurde ebenfalls ermittelt. Im November enthüllte dann ein Bericht in dem Magazin Der Spiegel, wie großzügig Neuber sich gegenüber seinen politischen Freunden gezeigt hatte. Die SPD-Spitzen wurden jahrelang von der Düsseldorfer Flugfirma Privat-Jet- Charter (PJC) transportiert. Ob der damalige Ministerpräsident Johannes Rau und sein Finanzminister Schleußer geschäftlich oder privat unterwegs waren, ein Anruf in Neubers Vorstandssekretariat genügte, und der Flieger stand bereit – die Bank zahlte. Der Spiegel konnte die Flugaffäre mit Hilfe der Aufzeichnungen, die der 1997 verstorbene PJC-Chefpilot Peter Wichmann angefertigt hatte, aufdecken. Unrechtsbewusstsein war bei den Spitzen der SPD- Connection eher selten: Die WestLB ist ja zu über 40 Prozent unser Laden, zitierte Der Spiegel im Herbst 1999 einen führenden Politiker der Düsseldorfer SPD. Das Reisebusiness kam erst zum Erliegen, als die Steuerfahndung die Büros von PJC filzte und wenig später auch der Chefpilot verhaftet wurde, als er gerade seinen Hauptauftraggeber Neuber nach Frankfurt fliegen wollte.
Im Zuge der Ermittlungen kamen noch andere delikate Details aus dem Umgang der Düsseldorfer SPD-Prominenz mit ihrer Bank ans Tageslicht. So hatte Schleußer einige Trips in weiblicher Begleitung angetreten, ohne die Kosten für die Reisegefährtin, die nicht seine Frau war, zu begleichen.
Da hatte sich Rau – als er noch Ministerpräsident war – an seinem Wohnort Wuppertal Geburtstagsempfänge von der WestLB ausrichten lassen. Allein die Party zu seinem fünf und sechzigsten Wiegenfest soll die Bank 150 000 € gekostet haben.
Und dann gab es bei der WestLB noch einen speziellen Investmentclub, in dem die Spitzengenossen durch geschickte Geldanlagen unter der Aufsicht von Bankexperten ihr Vermögen mehren konnten.
Im Düsseldorfer Landtag wurde im Februar 2000 ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Vielflieger vernehmen sollte. Schleußer verstrickte sich immer tiefer in Ausflüchte und Widersprüche und trat von seinem Amt als NRW-Finanzminister zurück. Rau kam glimpflich davon, weil er die meisten Flüge als Dienstreisen deklarieren konnte und die häufigen Empfänge zu seinen Repräsentationspflichten als oberster Landesvater zählten. Auch Clement überstand die Affäre mit geringen Blessuren, er wurde jedenfalls bei seiner Wiederwahl im darauffolgenden Frühjahr im Amt bestätigt.
Den größten Schaden trug – nicht überraschend – Neuber selbst davon. Mit seinen großzügigen Angeboten hatte der Pate die sich aufopfernden Politiker schließlich erst die Bredouille gelockt. Die Düsseldorfer Flug Affäre mobilisierte am Ende auch andere Gegner des mächtigen WestLB-Chefs.