Bei der Prüfung der Zuschriften und Beschwerden der düpierten Bankkunden zeigte sich, dass die extrem teuren Kreditversicherungen die Raten der Kleinkredite auf Wucherniveau in die Höhe getrieben hatten. Die tatsächliche Belastung der Schuldner betrug zwischen 20 und 40 Prozent des Kreditvolumens! Von den einstelligen Zinskonditionen aus der Werbung war also keine Rede mehr.
Wie die Rechnung für die Kreditnehmer aussehen kann, zeigt folgendes Beispiel: Die Beiträge für die Restschuldversicherung werden als Einmalzahlung auf die Kreditsumme aufgeschlagen. Sie betragen in der Regel ein Drittel des Kredits, können aber im Einzelfall auch deutlich höher ausfallen. Dadurch erhöht sich das Kreditvolumen und natürlich auch die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags. Für einen Kredit von 30000 Euro netto ergaben sich so für den Kunden Kosten von insgesamt 39 642 Euro. Davon machte die Restschuldversicherung 17 315 Euro aus, der Rest der Kosten setzte sich aus Zinsen und Bearbeitungsgebühren zusammen. Der Kreditnehmer musste also für seinen 30 000-Euro-Kredit fast 70000 Euro abstottern.
In einem anderen Fall wurde von der Bank für einen Nettokreditbetrag von 9000 Euro der Abschluss einer Restschuldversicherung mit Kosten in Höhe von 9105 Euro verlangt.
Schlimm ist dabei auch, dass die meisten der Opfer bei Abschluss keine Ahnung von den wirklichen Belastungen hatten, die da auf sie zukamen. Denn die Kosten der Versicherung waren nicht in die Berechnung des effektiven Zinses eingeflossen.
Nicht ein einziger Kreditnehmer wurde von seiner Bank darüber aufgeklärt, dass der angegebene Effektivzins die Kosten der Restschuldversicherung nicht enthält, erkannten die Verbraucherschützer in ihrer Dokumentation.
Zudem wurde in keinem Fall den Kunden erklärt, dass es weit günstigere Formen der Absicherung gibt, eine bestehende Lebensversicherung beispielsweise oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung, mit deren Hilfe der Kredit bedient werden kann, falls der Kreditnehmer verunglückt.
Natürlich versuchten die beteiligten Banken abzustreiten, dass die Kreditverträge an den Abschluss der Restschuldversicherung gekoppelt waren. Dafür gibt es offensichtlich gute Gründe – vermuten jedenfalls die Verbraucherschützer.
Aus Fällen, in denen die Restschuldversicherung in Anspruch genommen wurde, weil der Kreditnehmer seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen konnte, ergaben sich Einblicke in eine sehr dubiose Konstruktion. Wäre beispielsweise der Vertrag über eine Nettokreditsumme von 30000 Euro, der durch die Restschuldversicherung mit der Einmalprämie von 17315 Euro gedeckt sein sollte und für den eine Laufzeit von sieben Jahren vereinbart worden war, nach etwa sechs Monaten gekündigt worden, hätte die Versicherung gerade einmal 6148 Euro ausgezahlt. Die übrigen 11167 Euro – 65 Prozent der Versicherungsprämie – wären bereits verbraucht gewesen. Doch wofür? Zu diesem Zeitpunkt wären doch erst 5 Prozent des Kredits getilgt gewesen, rechneten die Verbraucherschützer nach.
Sie kamen letztendlich zu folgendem Schluss: Dies legt die Vermutung nahe, dass mehr als die Hälfte der Prämie als Provision an die Bank gezahlt wurde – und sie deshalb verbraucht ist. Das klingt nach einem glänzendem Geschäft für die Bank: Den Kunden durch überhöhte Kredite und damit hohe Raten abzocken und obendrein eine fette Prämie für die Versicherung kassieren.
Nun machen sich die Verbraucherschützer stark für die Bankenopfer: Sie haben sich an das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen gewandt, das solchen Vergehen der Banken nachgehen muss.
Denn diese Verträge seien sittenwidrig, erklären die Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Hamburg und zitieren den Paragraphen 138 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach ist ein Darlehensvertrag, bei dem Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen, sittenwidrig.
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil den Tatbestand des auffälligen Missverhältnisses weiter präzisiert: Er trifft dann zu, wenn der Vertragszins 100 Prozent in relativem Verhältnis oder 12 Prozentpunkte in absoluten Zahlen über dem Marktzins liegt und eine Notlage des Darlehensnehmers vorsätzlich oder fahrlässig ausgenutzt wird. Sittenwidrige Darlehensverträge sind aber nichtig und müssen gemäß §§ 812 ff. BGB rückabgewickelt werden. Dabei muss der Darlehensbetrag erst nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit zurückgezahlt werden. Zudem hat die Bank keinen Anspruch auf Zinsen.
Explosive Stimmung
Wohin die Kreditpolitik der Geldinstitute fuhren kann, zeigt folgendes Beispiel: Am 16. Februar 2007 steuerte ein Mann mittleren Alters sein Auto in die Glastür einer Frankfurter Bankfiliale. Eine Campinggasflasche hat er bereits aufgestellt und versuchte gerade, eine zweite aus dem stark verbeulten Auto zu zerren, als er von der Polizei überwältigt wurde. Auch sein 36-jähriger Begleiter, der sich unter den Schaulustigen verstecken wollte, wurde in Gewahrsam genommen. Als Tatmotiv gab der 52- jährige Haupttäter an, dass er die Bank in die Luft sprengen wollte, weil er unzufrieden war und sich ungerecht behandelt fühlte. Die Sparkasse wollte ihm keinen Kredit einräumen. Nach seinem Attentat dürfte sich sein Standing als Bankkunde kaum verbessert haben. (Spiegel-Online vom 17. Februar 2007)