So wie Sandra S. haben viele Bankkunden in Deutschland und auch in den Nachbarländern, wie etwa Österreich, gehandelt: Sie kehrten ihrer Hausbank entweder komplett den Rücken oder aber sie behielten dort lediglich noch ihr Girokonto und verlagerten ihre Sparkonten, Depots und oftmals auch ihre Immobilienfinanzierungen zu den Direktbanken, die in der Folge mit atemberaubenden Wachstumsraten aufwarteten. Allein beim deutschen Marktführer in Sachen Direktbanking – der ING-DiBa – stiegen die Kundenzahlen zwischen 2002 und 2008 von 1,8 auf über 6,5 Millionen.
Das Nachsehen haben vor allem die regional verankerten Sparkassen sowie die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken, bei denen nach wie vor die meisten Privatkunden ihre Konten unterhalten. Sie geraten in einen wahren Teufelskreis: Wegen ihrer kostenträchtigen Filialnetze weisen diese Institute naturgemäß eine ganz andere Kostenstruktur auf als eine Direktbank, die – falls sie dieses Geschäftsmodell stringent umsetzt – auf Filialen, Geschäftsstellen oder andere Formen des stationären Vertriebs verzichtet. „Unsere Bank hat so viele Mitarbeiter wie die deutschen Sparkassen Vorstände“, brachte es einmal der Chef einer deutschen Direktbank auf den Punkt. Keine Filialbank kann – von kurzfristigen Aktionen einmal abgesehen – dauerhaft in einen Wettstreit um die günstigsten Konditionen mit filiallosen Instituten eintreten. Daher betonen Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Wert der sprichwörtlichen Nähe zum Kunden: Diese Institute sind vor Ort, die Direktbank unter Umständen ein paar hundert Kilometer entfernt. Um sich im härter gewordenen Wettbewerb der Finanzdienstleister weiterhin behaupten zu können, mussten die Filialbanken aber ihre Kosten reduzieren, was zu einer großen Zahl von mehr oder weniger gelungenen Fusionen und zu Filialschließungen führte. Das Argument der Kundennähe verlor dadurch an Überzeugungskraft.
Auch viele Kunden von Filialbanken wickeln ihre Standardgeschäfte (Überweisungen, Einrichten von Daueraufträgen sowie den Kauf und Verkauf von Wertpapieren) inzwischen ebenfalls im Onlineverfahren oder telefonisch ab. Nur noch viele ältere Kunden nehmen ihre Bankfiliale für solche Geschäfte in Anspruch – oft aus Gründen der Tradition. Die Bankfiliale gehört für diese Menschen zum sozialen Umfeld wie der Bäcker, der Hausarzt oder die Apotheke. Für das dauerhafte Überleben des Geldinstituts vor Ort ist das zu wenig. Dabei gibt es durchaus Lichtblicke für die Zukunft der Filialbanken: Vor einiger Zeit veröffentlichte das Mannheimer Ipos-Institut eine bemerkenswerte Studie, wonach sogar 60 Prozent der Direktbanken-Kunden den persönlichen Kontakt zu ihrem Geldinstitut für wichtig halten. Bei den Filialbanken-Kunden liegt dieser Wert bei rund 75 Prozent. Besonders dann, wenn es um höhere Summen und um langfristige Entscheidungen geht, legen die Kunden offenbar größeren Wert auf das persönliche Gespräch. Hier könnten mithin langfristige Chancen für die Filialbanken liegen, allerdings nur dann, wenn die Präsenz in der Fläche mit ausreichender Kompetenz ergänzt wird. Und genau daran mangelte es in den vergangenen Jahren: Die Filialen dienten überwiegend dem einfachen Standardgeschäft, bei komplexeren Finanz- und Vorsorgeentscheidungen wurden die Kunden oft an die Zentrale verwiesen. Mit einfachen Finanzdienstleistungen indessen lässt sich kaum Geld verdienen; jedenfalls nicht so viel, um ein kostenintensives Filialnetz dauerhaft aufrechterhalten zu können. Immer mehr Filialen wurden geschlossen, an ihre Stellen traten vollautomatisierte Stützpunkte, die mit Serviceterminals, Geldausgabeautomaten und Kontoauszugsdruckern ausgestattet sind. Von persönlicher Nähe kann in diesen Fällen keine Rede mehr sein und viele Kunden wechselten daher gleich zu einer Direktbank und sicherten sich in der Regel bessere Konditionen.