Vielleicht erinnern Sie sich noch: Als Vorjahren die ersten Billigflieger auch um deutsche Passagiere buhlten, war die Skepsis zunächst groß: Wie kann es sein, dass die Fahrt zum Flughafen erheblich teurer ist als das Ticket nach London, Rom oder Stockholm? Mancher zweifelte an dem nachhaltigen Erfolg dieses Geschäftsmodells und sagte den Low-fare-Carriers, wie sich die Billigairlines selbst nennen, ein baldiges Ende voraus. Doch dann entwickelten sie sich sehr schnell zu einer wahren Herausforderung für die etablierte Konkurrenz. Immer neue Billigflieger gingen an den Start und sogar die Lufthansa als „klassische“ Fluggesellschaft zog nach und gründete mit Germanwings zumindest indirekt einen eigenen Low-fare-Carrier. Mittlerweile ist der Markt wieder geschrumpft, weil viele Billigflieger dem harten Wettbewerb nicht standhalten konnten und daher mit anderen Airlines fusionierten. Übrig geblieben sind die großen Gesellschaften, die das Konzept billiger Flugreisen am konsequentesten umsetzten. Kein Zweifel, nach der Konsolidierungsphase dürften sich die Low-fare-Carriers endgültig am Markt etabliert haben. Ebenso bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass die in der Regel teurere Lufthansa ungeachtet dieser neuen Konkurrenz nach wie vor gut dasteht.
Was aber haben Fluggesellschaften und Banken gemein, werden Sie mit Recht fragen. Nicht viel, aber der Markteintritt von Billigfliegern und Direktbanken weist deutliche Parallelen auf, die wir uns näher anschauen wollen: Zunächst wurden beide Newcomer von den etablierten Mitbewerbern nicht sonderlich ernst genommen. Filiallose Banken galten allenfalls als Alternative für Onlinefreaks und Anleger, die Wertpapiere schnell und günstig per Mausklick ordern wollen. Als Hausbank schienen sie kaum geeignet zu sein. Und über die Low-fare-Carriers spottete mancher, sie kämen wohl nur für Billigtouristen infrage, die in Schlafsäcken auf den weit abgelegenen Provinzflughäfen nächtigten. Ein Geschäftsmann, so die gängige Auffassung, werde sich niemals in einen Billigflieger zwängen. Mit beiden Einschätzungen lagen die Skeptiker daneben. Immer mehr Verbraucher wechseln komplett zu einer Direktbank, eröffnen dort ihr Gehaltskonto und lassen sich von einem filiallosen Geldinstitut die eigenen vier Wände finanzieren. Und an Bord der Low-fare-Carriers sind längst auch kostenbewusste Geschäftsreisende anzutreffen sowie Urlauber, die das für den Flug gesparte Geld lieber in ein besseres Hotel investieren.
Eine weitere Parallele zwischen beiden Branchen: Billigflieger und Direktbanken konnten nicht zuletzt deshalb erfolgreich starten, weil die etablierte Konkurrenz eine offene Flanke geboten hatte. Die traditionellen Banken und Sparkassen ärgerten ihre Kunden mit hohen Gebühren und mickrigen Guthabenzinsen. Und die Linienfluggesellschaffen verlangten für einen Inlandsflug noch vor wenigen Jahren Tarife, für die man heute mit etwas Glück über den Atlantik jetten kann. Billigflieger und Direktbanken bewiesen in kurzer Zeit, dass vergleichbare Leistungen wesentlich billiger möglich sind. Doch allein mit günstigen Tarifen und Gebühren wären die beiden „Aufmischer“ am Markt kaum erfolgreich gewesen. Schließlich findet sich immer ein Anbieter, der seine Waren und Dienstleistungen noch etwas billiger feilbietet. Deshalb erscheint der Preis allein kaum aussagekräftig. Ein billiges Produkt von schlechter Qualität ist nicht günstig, sondern wertlos. Daher muss zusätzlich die Güte des Produkts oder der Dienstleistung als Vergleichskriterium herangezogen werden. Die meisten Low-fare-Carriers und Direktbanken bieten gute Standardqualität. Die Maschinen der Billigflieger sind in der Regel neu und werden ebenso streng gewartet wie die Jets der Linien-Carriers. Dafür werden die Prozesse straff organisiert und die Kosten konsequent niedrig gehalten. Gleiches gilt für eine Direktbank: Sie achtet ebenfalls auf ein strenges Kostenmanagement, verzichtet auf Filialen, bietet ein vergleichsweise schlankes Produktportfolio und lebt vom Massengeschäft.
Das Geschäftsmodell der Billigflieger und Direktbanken bleibt indessen nur erfolgreich, wenn dieses Massengeschäft nicht zu Qualitätseinbußen führt. Ein Beispiel aus der Vergangenheit macht deutlich, wie schnell man Kunden verärgern und im schlimmsten Fall verlieren kann. Als während des Aktienbooms zur Jahrtausendwende immer mehr Anleger ihr Glück an der Börse versuchten und deshalb bei den günstigen Onlinebrokern Depots eröffneten, erlebte mancher an Spitzentagen eine unangenehme Überraschung: Die Callcenter der Institute waren absolut überlastet und die Kunden mussten lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Im Wertpapiergeschäft ist dies nicht nur ärgerlich, es kann auch richtig teuer werden: Wer seine Papiere eine Stunde zu spät verkauft, muss in Crash-Phasen, wenn die Börsenkurse rapide abstürzen, möglicherweise schmerzliche Verluste hinnehmen. Die schwere Erreichbarkeit mancher Broker verärgerte damals nicht nur die Anleger, sondern rief darüber hinaus die Aufsichtsbehörden auf den Plan. Das zeigt: Wer auf Masse setzt, um die vergleichsweise geringen Gewinnmargen zu kompensieren, muss über eine entsprechend leistungsfähige Technologie verfügen, um eine große Zahl von Kunden ohne Qualitätsverluste bedienen zu können. Denn gerade die preissensiblen Verbraucher gehen bei negativen Erlebnissen meist ebenso schnell, wie sie gekommen sind.
Auf der anderen Seite dürfen die Kunden keine intensive individuelle Beratung erwarten – weder bei der Buchung eines Billigfluges noch bei der Zusammenarbeit mit einer Direktbank. Sie setzen somit Ihre eigenen Prioritäten und entscheiden eigenverantwortlich. Wenn Sie möglichst billig, aber sicher von A nach B fliegen möchten und auf besonderen Service verzichten können, entscheiden Sie sich vermutlich für einen Low-fare-Carrier. Legen Sie hingegen Wert auf Komfort und individuelle Betreuung, dürften Sie eine renommierte Liniengesellschaft vorziehen. Konkret: Niemand wird den First-Class-Service von Lufthansa an Bord einer Ryanair-Maschine erwarten. Ebenso verhält es sich mit Direktbanken: Wer Private Banking- und Vermögensverwaltung auf hohem Niveau erwartet, kommt mit einer Geschäftsbeziehung zu einer Direktbank kaum zurecht. Anders sieht es aus, wenn Sie Ihre Geld-, Vorsorge- und Anlagegeschäfte mit standardisierten Bankprodukten (Girokonto, Sparkonto, Wertpapierdepot, Verbraucherkredite und Baudarlehen) abwickeln möchten und günstige Konditionen sowie eine schnelle und unkomplizierte Abwicklung wünschen.