Es ist überaus wichtig, dass Sie bei Ihrer Arbeit die Hilfe und Unterstützung anderer einfordern und bekommen, um das Beste aus Ihren Teammitgliedern herauszuholen. In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns darauf, was Sie wissen müssen, um Projektrollen festzulegen und zu ent-scheiden, was man delegieren kann und was nicht, wie man Rollen und Verpflichtungen verteilt und jedes Teammitglied so motiviert, dass es sich für seine Arbeit verantwortlich fühlt.
Was kann ich delegieren?
Delegieren bedeutet, etwas wegzugeben, was Sie besitzen. (Ich weiß, dass es noch andere Definitionen für Delegieren gibt, aber ich möchte es einfach ausdrücken: delegieren heißt abgeben.) Man kann Autorität delegieren, aber nicht Verantwortlichkeit – die kann man nur teilen. Sie können einer anderen Person zwar das Recht übertragen, Entscheidungen zu treffen, die eigentlich Sie selbst treffen sollen, aber Sie bleiben für die Folgen dieser Entscheidungen verantwortlich.
Es gibt drei Gründe zu delegieren:
✓ damit man sich um andere Dinge kümmern kann
✓ damit die qualifizierteste Person die Entscheidungen trifft
✓ um den Aufgaben- und Verantwortungsbereich einer anderen Person zu erweitern und ihr damit
Gelegenheit zu geben, sich in diesem Gebiet weiterzuentwickeln
Auch wenn die möglichen Vorteile des Delegierens erheblich sind, kann und sollte man nicht jede Aufgabe delegieren. Halten Sie sich an folgende Grundsätze, wenn Sie entscheiden, welche Aufgaben Sie delegieren.
✓ Übernehmen Sie selbst die Aufgaben, die Sie am besten können. Angenommen, Sie sind der beste Rechtsanwalt der Stadt und die Nachfrage nach Ihrer Dienstleistung (für 500 Euro die Stunde) ist höher, als Sie decken können. Wir nehmen außerdem an. dass Sie doppelt so schnell tippen können wie die zweitschnellste Sekretärin der Stadt, die 200 Euro pro Stunde bekommt. Sollten Sie alle Ihre Briefe selbst tippen? Nein. Denn Sie stehen vor der Entscheidung, ob Sie eine Stunde mit einer Rechtsberatung oder mit Tippen verbringen sollten. Wenn Sie sich für das Tippen entscheiden, würden Sie die 400 Euro sparen, die Sie der Sekretärin hätten zahlen müssen (die ja für die gleiche Arbeit zwei Stunden zu je 200 Euro gebraucht hätte). Wenn Sie dieselbe Stunde mit Rechtsberatung verbringen, würden Sie 500 Euro verdienen, von denen Sie 400 Euro an die Sekretärin zahlen müssten und dann hätten Sie noch immer 100 Euro übrig (die so genannten Opportunitätsgewinne).
✓ Wenn möglich, übernehmen Sie selbst Aufgaben, die sich nicht auf dem kritischen Pfad in Ihrem Projekt befinden, (In Artikel 5 erfahren Sie mehr über den kritischen Pfad.) Falls eine Aktivität auf einem kritischen Pfad verzögert wird, verzögert sich dadurch der Endtermin des gesamten Projekts. Das bedeutet, wenn Sie bestimmte Arbeiten, die auf dem kritischen Pfad liegen, nicht erledigen können, weil Sie sich um andere Dinge kümmern müssen, verzögert das sofort das gesamte Projekt.
✓ Übertragen Sie Aufgaben, die Sie nicht selbst klar beschreiben können, nicht auf andere. Wenn Sie mehr Zeit dafür benötigen, eine Aufgabe einer anderen Person zu übertragen, und dann immer wieder Fragen beantworten und korrigierend eingreifen müssen, dann sollten Sie die Aufgabe lieber gleich selbst erledigen!
Beim Delegieren gibt es nicht nur die Ganz-oder-gar-nicht-Variante, das heißt, eine Entscheidung entweder selbst zu fällen oder sich ganz herauszuhalten. Ich stelle Ihnen hier sechs mögliche Abstufungen für Ihre Delegation vor, die alle aufeinander aufbauen und die die jeweils nachfolgende Stufe enthalten.
✓ Mach mich schlau: Besorg die Fakten und leg sie mir zur weiteren Bearbeitung vor.
✓ Zeig mir den Weg: Entwickle auf der Grundlage der erarbeiteten Fakten alternative Vorgehen weisen
✓ Leg los, wenn ich den Startschuss gebe: Bereite Dich so vor, dass Du eine oder mehrere der Maßnahmen durchführen kannst. Aber beginne erst, wenn ich das Signal dazu gebe.
✓ Leg los, bis ich Stopp sage: Sag mir, was Du wann tun willst; unternimm die vorgeschlagenen Schritte, bis ich etwas anderes sage.
✓ Wie lief es? Analysiere die Situation, entwickle einen Maßnahmenplan, unternimm die notwendigen Maßnahmen und informiere mich über die Ergebnisse.
✓ Leg einfach los! Hier ist die Situation; sieh zu, wie du mit ihr fertig wirst. Ich will nichts mehr davon hören.
Jede Stufe enthält ein gewisses Maß an Autorität. Wenn ich Sie bitte, die Hintergrundinformationen zu einer bestimmten Situation zusammenzutragen, entscheiden Sie, welche Informationsquellen Sie nutzen, welche Informationen Sie an mich weitergeben und welche Sie weglassen. Der Hauptunterschied zwischen diesen Delegationsstufen besteht in dem unterschiedlichen Kontrollniveau. bevor die eigentlichen Maßnahmen eingeleitet werden.
Übertragung von Autorität auch dauerhaft tragen
Entscheidend ist, dass Sie diese Delegation von Entscheidungsspielräumen immer wieder bekräftigen und unterstützen, sonst stellen Sie irgendwann fest, dass Sie Aufgaben erledigen, von denen Sie annahmen, Sie hätten sie jemandem anders übertragen. Sie sind seit zwei Monaten Projektleiter eines Teams und Frau Mohn ist Ihre Assistentin. Frau Mohn ist für die fachlichen Probleme der Teammitglieder zuständig. Sie analysiert das Problem und entscheidet, wie es gelöst werden soll. Frau Mohn erörtert das Problem mit Ihnen und macht einen Vorschlag zur Problemlösung. Wenn Sie mit Frau Mohns vorgeschlagener Lösung einverstanden sind, bitten Sie sie, sie durchzusetzen. Wenn Sie mit Frau Mohns Lösung nicht einverstanden sind, erarbeiten Sie mit ihr eine praktikablere Lösung.
Gestern teilten Sie Frau Mohn mit, dass Sie möchten, dass sie fachliche Probleme in Zukunft anders löst. Sie erklären, dass sie von jetzt an Probleme gleich selbst lösen soll, ohne sich vorher mit Ihnen abzustimmen. Nachdem Sie ihr das erklärt haben, informieren Sie die anderen Teammitglieder über diese neue Vorgehensweise. Heute Morgen kam Herr Jahn zu Frau Mohn, um mit ihr ein Problem zu besprechen, das er mit einem Lieferanten hatte. Nachdem sie sich das Problem angehört hatte, gab Frau Mohn Herrn Jahn konkrete Anweisungen, wie er es lösen sollte. Sobald er Frau Mohns Büro verlassen hatte, rief er jedoch bei Ihnen an. Er erklärte noch einmal das Problem und den Lösungsvorschlag, den Frau Mohn gemacht hatte, und fragte, ob Sie mit dieser Vorgehensweise einverstanden sind.
Sie sitzen jetzt in der Zwickmühle. Einerseits möchten Sie Frau Mohns neue Autorität, Lösungen für fachliche Probleme alleine durchsetzen zu können, nicht untergraben. Andererseits möchten Sie sicherstellen, dass alles reibungslos läuft und Ihr Projekt erfolgreich ist. Was sollen Sie tun?
Die einzige Antwort, die Sie Herrn Jahn geben können, lautet: Tun Sie, was Frau Mohn gesagt hat.
Was wäre, wenn Sie Herrn Jahn sagen würden: Ja. Frau Mohns Lösung klingt gut? – Es würde nicht genügen. Indem Sie erklären, dass Sie Frau Mohns Lösung gut finden, untergraben Sie ihre Autorität, diese Entscheidung alleine treffen zu können! Vielleicht wollten Sie Herrn Jahn lediglich signalisieren, dass Sie volles Vertrauen in Frau Mohns Fähigkeiten, eine Lösung zu finden, haben, und dass ihr Vorschlag zeigt, dass sie ein gutes Urteilsvermögen hat. Tatsächlich lasst Ihre Reaktion aber darauf schließen, dass Sie noch immer die Entscheidungsgewalt haben, da Sie gerade Frau Mohns Entscheidung bestätigt haben und nicht ihre Autorität, ihre Entscheidungen selbst fällen zu können.
Sie möchten die Autorität, die Sie delegiert haben, gerne bekräftigen, aber Sie möchten auch, dass Ihr Projekt ein Erfolg wird. Wie sollten Sie sich dann in den folgenden Situationen verhalten?
✓ Sie sind mit Frau Mohns Empfehlung nicht einverstanden. Wenn Sie befürchten, dass Frau Mohns Vorgehensweise katastrophale Folgen haben wird, müssen Sie Herrn Jahn sagen, dass er warten soll, bis Sie die Sache mit Frau Mohn besprochen haben. In diesem Fall ist es wichtiger, die Firma zu schützen, als die Delegation der Autorität durchzusetzen.
In allen anderen Fällen aber müssen Sie Herrn Jahn sagen, dass er so vorgehen soll, wie Frau Mohn gesagt hat. weil sie diejenige ist. die die Entscheidung fällt. Hier ein paar Gründe dafür, auch wenn Sie nicht hundertprozentig mit ihrer Entscheidung einverstanden sind:
• Möglicherweise weiß sie mehr Liber den Sachverhalt, als Sie aus dem Gespräch mit Herrn Jahn erfahren haben.
• Vielleicht hat sie einfach Recht und Sie Unrecht.
• Nehmen wir an, Ihre Lösung ist besser als Frau Mohns. Wie soll sie lernen, in der Zukunft bessere Lösungen zu finden, wenn Sie nicht mit ihr darüber sprechen, warum Sie mit ihrer Entscheidung nicht einverstanden sind?
• Wenn Frau Mohn glaubt, dass Sie jedes Mal einspringen, wenn sie eine falsche Entscheidung trifft, wird sie sich weniger Mühe geben, gleich heim ersten Mal die richtige Entscheidung zu treffen.
Sie können Frau Mohn zu einem späteren Zeitpunkt in einem Gespräch unter vier Augen fragen, warum sie die Entscheidung so getroffen hat, und ihr Ihre Überlegungen dazu erklären, falls Sie meinen, dass dies dann noch notwendig ist.
✓ Herr Jahns Anruf lässt darauf schließen, dass er eher ein grundsätzliches Problem damit hat, wie die Abläufe und Arbeitsbeziehungen im Team organisiert sind.
• Vielleicht haben Sie sich nicht klar genug ausgedrückt, als Sie Ihren Teammitgliedern die neuen Arbeitsbeziehungen erklärten. Erklären und bekräftigen Sie diese Herrn Jahn gegenüber noch einmal.
• Vielleicht hat Herr Jahn Frau Mohns Antwort nicht gefallen und er versucht hinter ihrem Rücken seine eigene Meinung durchzusetzen. Auch in diesem Fall müssen Sie noch einmal deutlich machen, dass es Frau Mohns Aufgabe ist, die Entscheidung zu fällen.
• Vielleicht hat Frau Mohn sich Herrn Jahn gegenüber nicht klar genug ausgedrückt und ihm die Gründe für ihre Entscheidung nicht ausführlich genug dargelegt. Schlagen Sie Frau Mohn vor, die Gründe für ihre Entscheidung noch einmal deutlich herauszustellen, damit die anderen sie besser verstehen und sich gut informiert fühlen.
• Vielleicht haben Herr Jahn und Frau Mohn zwischenmenschliche Probleme. Reden Sie sowohl mit Herrn Jahn als auch mit Frau Mohn, um herauszufinden, ob das der Fall ist und, wenn ja, was die Ursachen sind. Versuchen Sie, gemeinsam mit Herrn Jahn und Frau Mohn diese Konflikte zu lösen.
Mit Zuversicht delegieren
Delegieren heißt immer, ein gewisses Risiko eingehen – Sie müssen mit den Konsequenzen leben, die die Entscheidung eines anderen mit sich bringt. Damit Sie ein besseres Gefühl dabei haben und um die Entscheidungsfähigkeit der betreffenden Person zu verbessern, sollten Sie folgendermaßen vorgehen:
1. Machen Sie klar, was Sie delegieren wollen.
Beschreiben Sie unmissverständlich, was genau der andere tun soll. Wenn notwendig, erklären Sie auch, was er nicht tun soll.
2. Suchen Sie die richtige Person dafür aus.
Legen Sie fest, welche Fähigkeiten und Kenntnisse die Person haben muss, der Sie eine Aufgabe übertragen möchten, delegieren Sie nicht an jemanden, dem die dafür notwendigen Voraussetzungen fehlen. (In Artikel 6 finden Sie weitere Informationen darüber, wie man die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse eines Mitarbeiters für eine bestimmte Aufgabe festlegt.)
3. Delegieren Sie richtig.
Erklären Sie genau die Aufgabe, sagen Sie, wie viel Arbeit der Betreffende hineinstecken soll und bis wann die Aufgabe erledigt sein soll.
4. Stehen Sie für Fragen zur Verfügung.
Wenn Sie mit den Personen, die bestimmte Aufgaben für Sie erledigen. Kontakt halten, können Sie dafür sorgen, dass Schwierigkeiten und unerwartete Situationen zu Ihrer Zufriedenheit gelöst werden. Außerdem zeigen Sie der betreffenden Person, dass Ihnen ihre Arbeit wichtig ist.
5. Überwachen Sie die Ausführung.
Setzen Sie regelmäßige, genau definierte Zwischenziele fest, anhand derer Sie die Leistung und die Einhaltung der Zeitvorgaben überwachen können.