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Auswirkungen der Gedanken auf die Psyche und Interaktion – Strategien für erfolgreich lernen

Nutzen
Erfahren Sie, welche Auswirkungen Gedanken auf psychische Prozesse wie Konzentration, Stimmung und Gefühle haben.

Übung
Nehmen Sie sich bitte 10-15 Minuten Zeit. Versetzen Sie sich in Ihre Schulzeit zurück. Dann fällt Ihnen vermutlich schnell eine Situation ein, in der Sie eine schlechte Schulnote bekommen haben. Die meisten Menschen haben die eine oder andere Klausur mit einer schlechten Note abgeschlossen und entwickelten in diesem Zusammenhang eine Reihe negativer Gefühle. Ist Ihnen eine solche Situation präsent? Gut, dann lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Erinnern Sie sich an das Fach, in dem Sie die schlechte Note erhalten haben. Stellen Sie sich den Raum vor, in dem das unangenehme Ereignis stattfand. Erinnern Sie sich an den Lehrer/die Lehrerin. Vielleicht wissen Sie noch, wer neben Ihnen saß. Erinnern Sie sich wenn möglich an Einzelheiten des Raumes: Geruch, Licht, Geräusche, Ihre körperlichen Reaktionen. Sie sehen die Klausur vor sich und lassen alle Gefühle auf sich wirken. Welche Beziehungen sehen Sie zwischen Ihren Gedanken und Ihren Gefühlen?

Paradigmenwechsel
Die Erkenntnis, dass die Gedanken bei psychischen Prozessen und Phänomenen eine große Rolle spielen, hat Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts das wissenschaftliche Weltbild der Psychologie radikal verändert. Es fand ein Paradigmenwechsel statt: Versuchte man vor dieser Zeit noch, der menschlichen Psyche durch einfache Lerngesetze auf die Spur zu kommen, gibt es heute keine Modelle über die menschliche Psyche mehr, die ohne die Einbeziehung der Gedanken auskommen. Das wird insbesondere im Bereich der Klinischen Psychologie deutlich, deren Schwerpunkt die Diagnostik und Behandlung von psychischen Störungen ist. Die Entstehung und der Verlauf psychischer Störungen werden in der Klinischen Psychologie im Zusammenhang mit negativen oder problematischen Gedanken gesehen. So haben z.B. Patienten mit Depressionen häufig negative Gedanken über sich, ihre Umwelt und ihre Zukunft. Patienten mit Magersucht (Anorexia Nervosa) plagen sich ständig mit dem irrationalen Gedanken, sie könnten zu dick sein. Angstpatienten denken, dass an sich harmlose Tiere (z.B. kleine ungiftige Spinnen), Situationen (z.B. mit dem Aufzug fahren) oder körperliche Reaktionen (z.B. der eigene Herzschlag) mit Gefahr verbunden sind. Bei der psychotherapeutischen Behandlung dieser psychischen Störungen ist die Veränderung der Gedanken oft der Schlüssel zum Erfolg.

Das bringt Sie weiter
Weitere Informationen finden Sie in: Wittchen/Hoyer 2006.

Auswirkungen auf die Interaktion
Nutzen
Erkennen Sie die Auswirkungen von Gedanken auf die Interaktion. Gedanken haben nicht nur Auswirkungen auf den Körper und die Psyche, sondern sie haben auch Einfluss auf die Interaktion, die zwischenmenschlichen Beziehungen. Niemand hat das besser zum Ausdruck gebracht als Watzlawick, ein Pionier der Kommunikationsforschung:

Beispiel 1
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er >Guten Tag< sagen kann, schreit ihn unser Mann an: >Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!<

Realitätsgehalt
In diesem Beispiel wird die ganze Interaktion nur durch die Erwartungen des Mannes an den Nachbarn bestimmt. Das Fatale ist, dass der Mann an keiner Stelle den Realitätsgehalt seiner Vermutungen überprüft, sondern in seiner Gedankenwelt dem Nachbarn Motive und Absichten unterstellt, die dieser vermutlich gar nicht hat. Solche Gedanken, deren Realitätsgehalt nicht überprüft wird, sondern die im Kopfkino des Menschen eine seltsame Eigendynamik entwickeln, können so extrem werden, dass die betroffenen Personen ihr ganzes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen danach ausrichten. Im Extremfall leiden diese Menschen und ihre Umweh unter den Folgen einer Persönlichkeitsstörung, bei der das Denken, Fühlen und Verhalten deutlich von der soziokulturellen Erwartung ihrer Umgebung abweicht und die sie eventuell ihr ganzes Leben lang nicht mehr loswerden. So fürchten Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung ständig, anderen Menschen könnten ihnen Schaden zufügen. Ihr zwischenmenschliches Verhallen wird von einem zentralen Gedanken geleitet, den man so formulieren könnte: Die anderen Menschen wollen mich erniedrigen oder ärgern. Andere Menschen haben extreme Selbstzweifel und sind sehr unsicher bezogen auf die eigene Person. Deren Verhalten scheint programmiert zu sein von Gedanken wie: Die Welt ist gefährlich. Jede Kritik ist gleichbedeutend mit einer Niederlage. Nur wenn ich absolut akzeptiert werde, kann ich in Beziehung treten. Man muss mich mögen, ich darf nicht dumm oder ungeschickt erscheinen.

Mündliche Prüfungen
Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass solche Gedanken auch Auswirklingen auf mündliche Prüfungen haben.

Beispiel 2
Man stelle sich nun folgendes Szenario vor: Ein Student, wir nennen ihn mal Peter Müllersbusch beabsichtigt, eine mündliche Prüfung in Statistik abzulegen, in einem Gebiet, das ihm – was vorkommt – irgendwie liegt. Zuerst informiert er sich über den Dozenten. Er besorgt sich Informationen über die Standardfragen des Dozenten, aber er möchte auch Persönlichkeitsmerkmale des Prüfers herausbekommen: locker oder nicht locker, streng oder nachgiebig, fair oder unfair, freundlich oder unfreundlich. Genauere Nachfragen des Studenten können allerdings nie ganz klären, ob die Beschreibungen der anderen Kommilitonen mehr der Gerüchteküche entstammen oder valide Informationen über das tatsächliche Verhalten des Dozenten darstellen. Mit diesen Informationen macht sich Herr Müllersbusch an die Vorbereitung seiner mündlichen Prüfung. Wegen seiner extremen Schüchternheit bereitet er sich wie immer ohne Arbeitsgruppe in seinem stillen Kämmerlein vor. Neben statistischen Begriffen wie Produktmomentkorrelation, Signifikanz und Varianzanalyse beschäftigen Herrn Müllersbusch genauso intensiv andere Gedanken:

Ich werde die Frage nicht beantworten können, weil der Dozent nicht berechenbar ist. Schon bei der ersten Frage finde ich keine Antwort und dann bin ich durchgefallen. Niemand wird sehen, dass ich in Statistik eigentlich besser bin als andere Studenten. Vielleicht werde ich die ersten Fragen beantworten können, dann jedoch nach einer Frage, die ich nicht gleich verstehe, einen Blackout haben. Vielleicht sieht der Dozent mir meine Nervosität gleich an und vermutet, dass ich nicht gut vorbereitet bin, weil ich so nervös bin.

Mit diesen unangenehmen Gedanken quält Herr Müllersbusch sich durch die Prüfungszeit, wobei er vermutlich nicht einmal sagen kann, ob er sich häufiger Gedanken über statistische Fragen oder über sein Versagen und die gemeinen Fragen des Prüfers macht. Am Morgen des Prüfungstages geht Herr Müllersbusch so häufig zur Toilette wie sonst im Verlauf eines ganzen Tages. Im Prüfungsgespräch ist er dann so aufgeregt, dass er bei den Fragen des Dozenten kaum zuhört, sondern gleich mit einer Antwort losplatzt, als wollte er verhindern, dass ihm noch weitere unangenehme Fragen gestellt werden. Jedenfalls meint der Dozent nachher, dass bei Herrn Müllersbusch Grundlagenkenntnisse vorhanden sind, aber die Antworten bei komplexeren Fragestellungen nicht so gelungen waren. 3,7 lautet die Note zum Schluss. Enttäuscht verläßt Herr Müllersbusch die Prüfung. Auch deshalb, weil sein Kommilitone, der im Seminar nicht einmal den Median vom Modus unterscheiden konnte, mit einer glatten 2 hinausgegangen ist.

Das bringt Sie weiter
Hier können Sie sich weiter informieren: Schulz von Thun 1981 und Watzlawick u.a. 2000.