Während – wie oben erwähnt – arbeitslose Bewerber bei der Suche nach einer neuen Tätigkeit in einer schwierigen Ausgangsposition sind, tun sich Bewerber in ungekündigter Stellung leichter, denn sie können ihr Augenmerk ohne Druck auf eine neue Tätigkeit richten. Bewerbungen solcher Kandidaten sind nicht selten nachlässig, manchmal geradezu arrogant. Dass dabei dann viele Chancen verspielt werden, liegt auf der Hand. Erfahrungsgemäß lassen sich Bewerber in ungekündigter Position in zwei Kategorien einteilen: solche, die mit ihrer jetzigen Tätigkeit unzufrieden sind, und diejenigen, die zufrieden sind. Für die Unzufriedenen liegt es nahe, sich über lang oder kurz nach etwas anderem umzusehen, die Zufriedenen dagegen sind oftmals nur bestrebt, reine Verbesserungen zu erlangen.
Unbefriedigende Position
Auch wenn Sie Ihre Arbeit gern machen, ergeben sich im Laufe der Zeit immer wieder Gründe, über einen Wechsel nachzudenken. Entweder bekommen Sie einen neuen Vorgesetzten, mit dem Sie sich nicht verstehen, oder Ihr Gehalt wurde nicht oder nur mäßig erhöht, oder Sie kommen einfach nicht weiter im Unternehmen, um nur einige Gründe für eine neue Bewerbung zu nennen. Diese unbefriedigende Situation bietet immer einen ganz speziellen Grund sich nach einer anderen Tätigkeit umzusehen; in den Bewerbungen wird er aber meist nicht ehrlich ausgesprochen. Wenn Sie jedoch eine Bewerbung ohne Nennung besonderer Gründe und vielleicht ohne den Hinweis auf spezielles Firmeninteresse abgeben, müssen Sie beim Bewerbungsgespräch mit eindringlichen Nachfragen rechnen. Wenn es jetzt zu Fehlhandlungen kommt, handelt man sich schnell eine Absage ein.
Eine Mineralölfirma in Hamburg suchte eine Telefonistin mit sehr guten Englischkenntnissen. Auf eine entsprechende Anzeige gingen fast 300 Bewerbungen ein, die Auswahl war denkbar schwer. Man lud dann rund 20 Damen zu Bewerbungsgesprächen ein, u.a. auch eine, die seit einigen Jahren in gleicher Funktion tätig war. In ihrem Anschreiben stand u.a. der lapidare Satz: „Ich bewerbe mich bei Ihnen, weil ich mich verändern möchte.“ Als der Personalchef dann beim Gespräch nach dem Grund des Wechsels fragte, kam es heraus: Die Bewerberin verstand sich nicht mit ihrem Vorgesetzten und sie ließ sich dazu verleiten, einige Konfliktsituationen bei ihrem jetzigen Arbeitgeber zu ausführlich zu schildern. Das war ihr Pech, denn es zeigte sich, dass sie nicht nur Interna ausgeplaudert hatte (für eine Telefonistin kein gutes Zeichen), sondern auch, dass sie eine Persönlichkeit war, die sich Anweisungen nur schwerlich beugte. Sie bekam eine Absage.
Diese Folge wäre vermeidbar gewesen, wenn die Bewerberin emotionslos und sachlich dargestellt hätte, dass sie zwar gern in ihrem Bereich arbeite, aber mit dem Vorgesetzten nicht übereinkomme, weil z. B. durch dessen (undurchdachten) Personaleinsatz immer wieder Überstunden anfielen. Je nüchterner Sie die Dinge angehen, umso größer ist die Bereitschaft des neuen Arbeitgebers, Verständnis aufzubringen. Bleiben Sie stets aufrichtig, aber verheddern Sie sich nicht in verfänglichen Einzelheiten, die erstens nicht interessieren und zweitens die Gefahr bergen, dass Sie zu viel Interna erzählen. Der Hauptgrund der Unzufriedenheit in einer Position ist jedoch meistens die finanzielle Seite. Das ist einerseits verständlich, andererseits sollte man sich gründlich überlegen, ob man für ein paar Euro mehr gleich den Job wechseln will. Es empfiehlt sich außerdem – was oft übersehen wird – einen Vergleich der Nebenleistungen der Unternehmen vorzunehmen. Da man sich in einer sicheren Ausgangslage wähnt, werden oft voreilige Gehaltsforderungen formuliert, mit denen man sich so manche Zusage verscherzen kann. Höheres Monatseinkommen geht dann oft über langfristige Sicherheit und (unterschätzte) Nebenleistungen. Im Übrigen sei noch festgehalten, dass beim Bewerbungsgespräch Unzufriedenheitsaspekte stets genau unter die Lupe genommen werden und Ihnen nicht selten schaden können, nämlich dann, wenn sie Rückschlüsse auf Ihre Person oder persönliche Unfähigkeiten zulassen. Deshalb ist es umso wichtiger, bei Bewerbungen aus unbefriedigender Position aufrichtig und vor allem selbstkritisch zu bleiben.
Befriedigende Position
Sich aus einer befriedigenden Position heraus anderswo zu bewerben scheint doch eigentlich ohne Sinn! Das ist im Prinzip richtig, dennoch gibt es sehr viele Bewerber, die ganz einfach den Wunsch haben, einmal etwas anderes zu machen, ohne dass sie dafür triftige Gründe haben. Doch bei näherem Hinsehen verbirgt sich hinter solchen Bewerbungen sehr wohl ein besonderer Grund. Es gibt zwei große Gruppen von Bewerbern aus ungekündigter und befriedigender Position: Die einen wollen einfach einmal etwas anderes machen und bewerben sich auf Verdacht bei Firmen, die Ihnen gefallen und/oder interessant erscheinen oder von denen sie sich Vorteile erhoffen, die anderen versuchen, durch Bewerbungen bei anderen Firmen ihren Marktwert zu testen, um dann in der eigenen Firma Forderungen zu stellen, denen sie möglicherweise durch Hinweis auf eine Kündigung noch Nachdruck verleihen. Dieses Verfahren ist äußerst riskant, denn man kann sich dabei gewaltig verrechnen.
Ein Programmierer, mit mehrjähriger Firmenzugehörigkeit und wichtigem Aufgabengebiet in seiner Firma, suchte das vertrauliche Gespräch bei einem Konkurrenzunternehmen, das an seiner Arbeitskraft generell interessiert war, aber keine feste Zusage machen konnte. Dabei spielte auch eine finanzielle Verbesserung eine Rolle. Der Mann kündigte seine Position fristgerecht in der bisherigen Firma, jedoch in der Hoffnung, dass man entsetzt über seinen Weggang sei und ihm möglicherweise ein Angebot zum Verbleib machen würde, natürlich verbunden mit finanziellen Verbesserungen. Doch weit gefehlt, die Firma bestätigte die Kündigung zum gewünschten Termin. Die neue Firma hingegen tat sich mit einer Zusage schwer, schließlich war der Programmierer mehr als ein halbes Jahr arbeitslos.
Es gibt Menschen, die einfach nur Lust haben, „etwas anderes“ zu machen, und sich aufs Geratewohl bei Firmen bewerben, die ihnen interessant erscheinen. Die Anschreiben lassen erkennen, dass in solchen Fällen nur selten ein spezifisches Firmeninteresse vorliegt. Außerdem sind solche Bewerbungen in aller Regel von beträchtlicher Naivität gekennzeichnet. Den Bewerbern aus befriedigender Arbeitsposition sei empfohlen sich umfassend über diejenigen Finnen zu erkundigen, bei denen sie sich bewerben wollen. Die gleiche Empfehlung gilt den unzufriedenen Bewerbern. Ihnen sei jedoch zusätzlich geraten, vor allem Vergleiche zwischen den Leistungen des alten und des neuen Arbeitgebers anzustellen. Festzuhalten bleibt schließlich, dass die Bewerber
aus ungekündigter Position zwar gewisse Sicherheitsvorteile, keineswegs jedoch auch Bewerbervorteile haben.