Gurus haben unter echten Börsenfachleuten längst keine so große Konjunktur wie in der breiten Masse der Kleinanleger. Irgendwann hat jeder Guru mal Recht, heißt es unter den Profis, nur weiß man leider vorher nicht, wann. Hinterher ist natürlich jeder schlauer. Erstaunlich ist auch, dass bei vielen Gurus das Erfolgserlebnis schon ziemlich lange zurückliegt. Besonders die Vorhersage des Crashs vom Oktober 1987 hat viele berühmt gemacht. Andererseits hatten manche von den Jung-Gurus damals noch nicht mal das Abitur in der Tasche und finden heute manchmal mehr Beachtung als Leute mit 30 Jahren Erfahrung. Man muss also auch etwas dafür tun, damit der Ruhm nicht verblasst, wie einige Beispiele zeigen.
Unter den von anderen so bezeichneten und verherrlichten Börsengurus sind erstaunlich viele, die überhaupt keinen Wert auf diese Bezeichnung legen und sogar strikt davon abraten, dem Rat von Gurus zu folgen. Das sind natürlich hauptsächlich jene, die davon leben, ihre Erkenntnisse selbst zu nutzen und in harte Währung umzuwandeln, bevor sie anderen davon erzählen. Aber auch die Zahl deren, die sich lieber auf den Ratgeberseiten der Zeitschriften, im Buchhandel oder in Seminarsälen tummeln, wächst. Die Gurus sind eben ein buntes Völkchen.
Das Gespür der Frauen für Geld
Man sagt immer, Frauen würden sich im Gegensatz zu den Männern mehr auf ihr Gefühl verlassen und auch bei Aktiengeschäften eher aus dem
Bauch heraus entscheiden. Auf die beiden wichtigsten amerikanischen weiblichen Gurus und auch auf unsere deutsche Spitzenfrau trifft das keineswegs zu. Es fällt auf, dass diese drei Frauen im Gegenteil wesentlich mehr Wert auf Zahlen legen als die männlichen Gurus.
Die kleine, stille, stets unauffällig und konservativ gekleidete Abby Joseph Cohen (Jahrgang 1953) ist Chefanalystin bei Goldman Sachs und einer der meistrespektierten Gurus der Wall Street, ln der Rangliste des US-Wirtschaftsmagazins Fortune hat sie es auf einen der ersten zehn Plätze der einflussreichsten Frauen der US-Unternehmenswelt geschafft. Ihr Berufsleben startete sie in der Abteilung Forschung und Statistik der US- Zentralbank Fed, kam dann zur Fondsgesellschaft T. Rowe Price und dem Investmenthaus Drexel Burnham Lambert. Seit 1990 bei Goldman Sachs, wurde sie im Crash-Herbst 1998 dort Partner und gehört damit zum innersten Führungskreis.
Seit fast zehn Jahren sagt Abby Cohen steigende Aktienkurse voraus, und ihr Daueroptimismus gibt ihr meist Recht. Kein Wunder, dass sie in den USA zur Kultfigur geworden. Sie hat nicht nur den Riecher für das, was sich an der Börse tun wird, sondern auch die Gabe, Zusammenhänge einfach und verständlich zu erklären.
Den Crash im Herbst 1998 begründete sie damit, dass die Anleger immer mehr auf Kredit investiert hatten. Wegen der damit verbundenen wachsenden Forderungen der Geldgeber mussten viele Anleger wertvolle Positionen verkaufen, was dann zu den kräftigen Kursrückgängen führte. Den Grund dafür, dass die Kursschwankungen an der Wall Street heute stärker sind als früher, sieht Cohen darin, dass die US-Werte vor ein paar Jahren unterbewertet waren und deshalb auch gern länger gehalten wurden. Heute sind sie mit einem fairen Preis bewertet und werden häufiger verkauft, was also zu stärkeren Kursschwankungen führt.
Abby Cohen rechnet für ihre langfristigen Analysen mit bis zu zwölf verschiedenen mathematischen Modellen und konzentriert sich mehr auf den S&P-500-Index als auf den Dow Jones, weil dieser aus ihrer Sicht das beste Börsenbarometer für den US-Aktienmarkt ist. Sie bevorzugt Branchen, die von der jeweiligen Konjunkturlage profitieren.
Elaine Garzarelli (Jahrgang 1947) analysiert seit mehr als 20 Jahren die Börse. Die diplomierte Volkswirtin hatte einige Semester mit Alan Green- span studiert. Wie er hat sie eine Leidenschaft für Zahlen. Sie promovierte in Statistik. Zum Guru wurde sie ganz plötzlich, als sie den Börsencrash 1987 voraussagte. Danach lag sie auch mit der Prophezeiung der Baisse von 1990 sowie der Hausse von 1995 richtig. Seitdem hieß sie nur die Kassandra der Wall Street. Ein Jahr später lag sie dann mit ihrer Prognose voll daneben. Sie blies zum Ausstieg, aber die Börse erlebte ihre längste Boomphase.
Zehn Jahre war Elaine Garzarelli Marktstrategin beim Investmenthaus Lehman Brothers. Als ihr Investmentfonds von 1989 bis 1994 nur 38 Prozent zulegte, während der Dow Jones in dieser Zeit um 74 Prozent stieg, endete die Zusammenarbeit ziemlich abrupt und Elaine Garzarelli geriet vorübergehend in Vergessenheit. Kurz darauf machte sie sich mit ihrer Vermögensverwaltungsfirma Garzarelli Capital Inc. selbstständig.
Mittlerweile betreut sie Kundengelder von über einer Milliarde Dollar. Sie ist regelmäßig in Fernsehmagazinen präsent, in Sendungen wie ABC Good Morning America, CNBC The Nightly Business Report, CNN Moneyline und Fox Business News. Jeweils zwei Wochen eines Monats recherchiert Garzarelli für ihre Monatsreports, die sie dann anschließend ihren institutionellen Klienten präsentiert.
Sie benutzt ihre Garzareil¡-Indikatoren, um das zeitliche Verhalten der Börse vorherzusagen und lukrative Branchen zu identifizieren. Dieses System hat sie in über zehn Jahren entwickelt. Es basiert auf 14 Indikatoren aus der Gewinnerwartung, der Geldpolitik, der fundamentalen Aktienbewertung sowie der Stimmung am Markt.
Elaine Garzarelli wurde als eine der erfolgreichsten Marktstrateginnen der USA vom Fortune Magazine als Business Wömen of the Year ausgezeichnet. Ans Aufhören denkt Garzarelli, die in New York und Florida wohnt, selbst nach 20 Jahren Wall Street noch nicht. Aussteigen will sie erst mit 80, da bisher jeder Versuch, sich ein ruhiges Leben zu machen, gescheitert ist.
Das sind Elaine Garzarellis Erfolgstipps: Bevorzugen Sie Staatsanleihen mit zweijähriger Laufzeit, kurzfristig rückzahlbare Geldmarktpapiere, die Branchen Banken, Pharma, Halbleiterindustrie und Lebensmittel, da deren Produkte immer, auch in einer Rezession gebraucht werden. Von Auto- und Textilwerten die Finger weg. Elisabeth Weisenhorn (Jahrgang 1957) studierte in München Volkswirtschaft und lernte bei Kostolany die Geheimnisse des Börsengeschäfts. Nach Stationen bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und an der Wall Street ging sie zur Deutsche Bank Fondgesellschaft DWS, wo sie seit 1991 das Fondsmanagement für europäische Aktien leitete. Mit ihrem Fonds erreichte sie eine traumhafte Wertsteigerung von 125 Prozent pro Jahr.
Im März 2000 hat sie sich selbstständig gemacht, gemeinsam mit fünf Partnern gründete sie die Weisenhorn & Partner Financial Services, darunter ihr Bruder Johann Weisenhorn, Exvorstand bei Merrill Lynch in Wien. Er ist für amerikanische Fonds verantwortlich, sie für europäische. Dabei betreut sie weiterhin den Neuer-Markt-Fonds der DWS. Gemeinsam verwalten die Geschwister Aktiendepots vermögender Privatkunden, und zwar für den stolzen Satz von 10 Prozent Gewinnbeteiligung.
Elisabeth Weisenhorn gilt als Topfrau der deutschen Fondsszene, will sich aber nicht als Guru verstanden sehen. Guru sei jemand, dem man blind vertraut. Genau das aber sollen ihre Anleger nicht tun. Als ihr Erfolgsrezept nennt sie, dass sie sich streng und ausschließlich an die nackten Zahlen hält. Die Fakten zählen, nicht der persönliche Eindruck. Die Anleger sollten analytisch und langfristig handeln, vor allem sei es wichtig zu diversifizieren.