Dank dem Kleinanleger leben sogar fast Totgesagte länger – und vielleicht auch besser? Noch vor wenigen Jahren wurde den sechs Regionalbörsen (außer Frankfurt) das schnelle Aus vorhergesagt. Der rasch vordringende Computerhandel und die Übermacht vom Main drängten die Kleinen an den Rand. -Frankfurt macht uns platt. Wir haben keine Chance!, so das vehemente Klagelied. Doch siehe da: Die Kleinen tauchen wie Phönix aus der Asche wieder auf. Zwar entfällt heute nur etwa ein Fünftel aller Umsätze im Aktienhandel auf die sechs Börsen außerhalb Frankfurts, aber schon rund 50 Prozent aller Abschlüsse. Ihr Erfolgsrezept: Sie haben sich sehr früh dem privaten Anleger zugewandt. Sie waren die Vorkämpfer für die Verbesserung und Erweiterung des Service. Die Verlängerung der Handelszeiten und die Herabsetzung der Mindestorder von 50 auf eine Aktie wurden nicht in Frankfurt zuerst eingeführt, sondern an den Regionalbörsen.
Vorreiter Berlin
Große Klappe, nix dahinter? Von wegen. Der Berliner ist mit seiner Börse höchst flexibel und kreativ, denn die Berliner Börse, mit Aktienumsätzen von 42,5 Milliarden Euro im Jahr 2000 die Nummer drei der Börsen in Deutschland, buhlte mit groß angelegter Werbekampagne nicht nur um Banken und Profis, sondern gerade um den privaten Anleger, der bisher zögerte, sein Geld auf diese Weise anzulegen. Mit der Versicherung Bei uns hat Ihr Kapital gute Aktien machte die Berliner Wertpapierbörse auf ihren deutlich ausgeweiteten Kundenservice sowie auf ihre Spezialangebote aufmerksam. Die Berliner Börse hat mehr als 8 000 verschiedene Papiere in ihrer Angebotspalette: Europäische Standardwerte, internationale Hightechtitel, darunter alle Nasdaq-Werte und eine Vielzahl von Osteuropaaktien. Der variable Handel ist schon ab einer Aktie möglich.
Mit Slogans wie Guthaben will es gut haben, Kapital braucht Abwechslung oder Wertpapiere stehen auf Berlin wurden Geld, Kapital und Vermögen bewusst vermenschlicht, um so positive Eindrücke im Kopf der Privatkunden hervorzurufen. Man wollte Anlegerneulingen über die Schwelle helfen, so Dr. Jörg Walter, Geschäftsführer der Berliner Wertpapierbörse. Anlagewillige und risikofreudige Kunden seien durchaus bereit, ihr Geld an der Börse anzulegen, doch scheuten sie diesen Schritt aufgrund mangelnder Informationen. Deshalb hat die Berliner Wertpapierbörse ein Infotelefon eingerichtet, das Fragen der Privatanleger beantwortet. Der Internetauftritt unter berlinerboerse*de und ein regelmäßig erscheinender Newsletter gehören mit zum Serviceangebot.
Ein Maßanzug für den Privatanleger
Berlin ist die erste Börse, die eine speziell auf Privatinvestoren zugeschnittene Handelsplattform anbietet, und zwar seit dem 1. Februar 2001. Inzwischen hat die Frankfurter Börse nachgezogen. Ein völlig neues Webportal, das unter Mitwirkung von Reuters und Microsoft realisiert wurde, ermöglicht in Berlin privaten Anlegern den Zugang zum Onlinehandel. Damit ist das Ende der Zweiklassengesellschaft von Profis und Privatinvestoren eingeläutet, sagte der Börsenchef ganz richtig. Das Web ist dabei der entscheidende Schritt bei der Herstellung von Gleichheit, wenn auch nicht Brüderlichkeit, von Privatinvestoren und Profis, so Walter.
Das Orderbuch lüftet seine Geheimnisse
Früher war es nur den Profis Vorbehalten — heute kann der Privatanleger elektronisch jederzeit und ohne Verzögerung Einblick in das Orderbuch erhalten. Dieses bietet die aktuelle Orderlage, verbindliche Geld-Brief- Spannen, sofortigen Zugang zum Direktbroker und dazu die Garantie einer durchschnittlichen Ausführungsgeschwindigkeit der Order von 30 Sekunden. Durch die Einsicht in die aktuelle Ordersituation wird es dem Privatanleger möglich, seine Aufträge unmittelbar der aktuellen Marktsituation anzupassen. Er kann im Internet sowohl die laufend aktualisierten Angebote des Maklers, die so genannten Quotes, nutzen als auch auf die noch nicht ausgeführten Orders anderer Aktionäre (Überhänge) zurückgreifen.
Erforderlich ist nur ein Internetanschluss, die Verbindung mit berlinerboerse*de und der Klick in das Orderbuch. Wenn der Direktbroker des Anlegers an den Service der Berliner Börse angeschlossen ist, wird im Orderbuch die per Mausklick generierte Order direkt an dessen Bank weitergeleitet. Falls dies noch nicht der Fall ist, ermöglicht die Einsicht in die aktuelle Kurs- und Auftragslage zumindest einen wesentlichen Informationsvorsprung gegenüber der herkömmlichen Auftragserteilung. Die Berliner Wertpapierbörse nimmt für sich in Anspruch, für den Kunden faire und beste Preise zu ermitteln. Der hohe Umfang des Handels ermöglicht eine schnelle Ausführung der Order, denn je mehr Kurse beziehungsweise Preise in einem Wert festgestellt werden, desto eher hat der Anleger die Chance, zu dem von ihm gewünschten Preis seinen Auftrag abgewickelt zu bekommen.
Anlegerschutz als Erfolgsfaktor
Anlegerschutz wird in Berlin groß geschrieben. Gewährleistet wird der ordnungsgemäße Handel im Berliner Freiverkehr zunächst einmal durch die Freiverkehrsrichtlinien. Hinzu kommt ein umfangreiches Spektrum weiterer Anforderungen. Für Unternehmen, die noch an keiner anderen Börse notiert sind, gelten zusätzliche Regularien für die erstmalige Einbeziehung. Die Überwachung des Handels erfolgt durch die Mitarbeiter der Handelsüberwachungsstelle, die während des Börsenhandels vor Ort sind und mit allen Marktteilnehmern in kontinuierlichem Kontakt stehen. Mithilfe technischer Systeme haben sie die Möglichkeit, die Handelsabläufe konkret zu überwachen. Den Privatinvestoren wird best execution, das heißt ein optimaler Preis, garantiert. Mithilfe stets aktueller, besonders enger und derzeit handelbarer Quotes (also Angebote des Maklers) durch den so genannten Liquidity Provider erhalten Sie den absolut marktgerechten und damit jederzeit fairen Preis, auch im Vergleich zu internationalen Börsenplätzen. Die im Orderbuch vom Makler eingestellten Angebote sind verbindlich. Für die dort angegebene Stückzahl beziehungsweise bis zu einem Ordervolumen von 5 000 Euro garantiert der Makler die Ausführung der Order. Ein umfassendes Regelwerk verpflichtet die Makler zu engen, kontinuierlich zu aktualisierenden Preisstellungen bei ihrem Angebot. Um für die Privatanleger den Handel auch besonders preisgünstig zu machen, wird ab Anfang April 2001 an der Berliner Börse die Maklergebühr von 0,8 auf 0,4 Promille halbiert.
Düsseldorfer Börse: von der Schwerindustrie zum Privatmann
Früher galt die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt als der Schreibtisch des Ruhrgebiets. Alles, was dort passierte, stand ganz im Dienst der Kohle- und Stahlerzeugung. Das galt auch für die Börse, die sich als Spezialgebiet besonders den Aktien der Schwerindustrie widmete. Aber so, wie die großen Konzerne nach neuen lukrativeren Aufgaben suchten, tat es auch die Börse Düsseldorf. Sie hat schon vor einigen Jahren begonnen, sich auf den Privatanleger zu konzentrieren. Sein Anteil am Geschäft macht inzwischen über 80 Prozent aus. Schätzungsweise 30 Prozent der privaten Anleger ordern dabei online, so Dr. Detlef Irmen, Geschäftsführer der Börse Düsseldorf. Im Jahr 2000 betmg das Handelsvolumen der Düsseldorfer Börse 283,7 Milliarden Euro, davon 201,45 Milliarden mit Aktien und 82,26 Milliarden mit Renten.
Quality Trading als Markenzeichen
Mit Quality Trading hat die Börse Düsseldorf ein Qualitätsmerkmal geschaffen, das inzwischen auch an anderen Börsenplätzen Nachahmer gefunden hat. Durch eine Selbstverpflichtung der Makler werden eine zweiminütige Orderbearbeitung, marktgerechte Preise und Transparenz im Handel ermöglicht. Die Börse Düsseldorf sieht im Quality Trading den entscheidenden Standortvorteil, der auch im laufenden Jahr weiter ausgebaut werden soll. Dabei wird die Neutralität und Unabhängigkeit des Handelsplatzes als wichtiges Qualitätsmerkmal angesehen. Die Börse Düsseldorf will sich trotz der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft nicht an einzelne Marktteilnehmer oder kommerziell ausgerichtete Projekte anbinden. Die Anleger erwarteten einen neutralen Marktplatz. Dieses Grundprinzip ist gerade im Wettbewerb mit elektronischen und außerbörslichen Handelssystemen ein entscheidender Vorteil. Die behördliche Handelsüberwachung in Düsseldorf bietet eine Sicherheit, die der Anleger nirgendwo sonst findet. Im Gegensatz zur Berliner will die Düsseldorfer Börse sich nicht auf einzelne Produkte spezialisieren, sondern dem Anleger immer alle Werte bieten, die er handeln möchte. Dieses breite Angebot hat sich laut Börsengeschäftsführer Dirk Elberskirch bewährt, und es wird laufend erweitert.
Bessere Chancen für junge Unternehmen
Im Frühjahr 2001 starteten die ersten Unternehmen im neuen IPO-Segment. IPO ist die Abkürzung für Initial Public Offering, das heißt erstes öffentliches Angebot oder Neuemission. Mit diesem Marktsegment soll jungen Unternehmen die Chance auf einen schnellen Börsengang gegeben werden. Das Alter spielt keine Rolle, allerdings sind die Auflagen des Anlegerschutzes besonders streng.
Neben einer vorgeschriebenen Aktienstreuung von mindestens 20 Prozent und einem Mindestkapital von 250 000 Euro oder 100 000 Stück müssen auch Ad-hoc-Mitteilungen, Zwischen- und Quartalsberichte sowie der Anteilsbesitz von Vorstand und Aufsichtsrat offen gelegt werden. Die Altaktionäre müssen ihre Aktien mindestens 18 Monate halten. Einmal jährlich muss eine Researchstudie eines unabhängigen Analysten vorgelegt werden. Die Emissionsbegleiter sollen Betreuerpflichten übernehmen. Ziel ist es, dass die Anleger bereits in einer frühen Finanzierungsphase in ein Unternehmen investieren können und ihnen eine Informationsbasis geschaffen wird, die internationalen Standards genügt.
Auf dem Weg zum Full-Service-Dienstleister
Die Börse Düsseldorf sieht sich in einem Wandel vom reinen Wertpapierhandel hin zum Full-Service-Dienstleister. Sie bietet den Privatanlegern ein umfangreiches Seminarprogramm, an dem bisher schon über 3000 Interessenten teilgenommen haben. So gibt es Abendseminare, zum Beispiel zu den Themen Neuemissionen: Marktsegmente und vorbörslicher Handel, Optionsscheine für Fortgeschrittene, Vom Aktieneinsteiger zum Börsenprofi, Einführung in die Chartanalyse, Anlagestrategien und fest verzinsliche Wertpapiere sowie Wie funktioniert die Börse — Abläufe und Börsensprache.Neuerdings kommt die Düsseldorfer Börse auch direkt zu ihren Anlegern nach Köln, Frankfurt, Berlin oder auch nach München. In Ganztagesseminaren speziell für Privatanleger vermitteln Profis vom Parkett, wie die Börse funktioniert, und vor allem, wie man erfolgreich handelt. Die
Themen orientieren sich am Interesse der Anleger und wurden aus den zahlreichen Anfragen am Infotelefon der Kursmaklerkammer zusammengestellt. Programmpunkte des Seminars sind So funktioniert die Börse“, Ordern an der Börse, aber richtig, So entstehen Kurse an der Börse, Wo finde ich seriöse Börseninformationen, Börsenprodukte und Marktsegmente, Anlagestrategie: von spekulativ bis sicher, Einführung in die Charttechnik und Aktuelle Marktanalyse.
Außerdem wurde das Düsseldorfer Börsenparlament ins Leben gerufen. Es ist ein interaktives Diskussionsforum, das von der Börse Düsseldorf und den Gesellschaften Börsenmakler Schnigge AG, Lang und Schwarz AG und Spitz AG getragen wird. Die Produktion liegt in den Händen der Düsseldorfer Stock TV. Die Veranstaltungen mit hochkarätigen Gästen finden einmal im Monat in Düsseldorf statt und werden auch über die Seite boersenparlament*de im Internet übertragen. Thema der Veranstaltung am 7. Februar 2001 war Biotech-Aktien, Hoffnungsträger am Neuen Markt? Zu den Dienstleistungen der Düsseldorfer Börse gehört auch die Radiobörse, in der die Börsenexperten jeden Donnerstag von 18 bis 19 Uhr auf dem Sender Antenne Düsseldorf Fragen der Hörer beantworten. Darüber hinaus präsentiert sich die Börse Düsseldorf regelmäßig auf der Anlegermesse in Düsseldorf. Abgerundet wird das Serviceprogramm für den Privatanleger durch den Internetauftritt boerse-duesseldorf*de.
Stuttgarter Börse: Finanzwelt auf Schwäbisch
Die Stuttgarter Börse eröffnete schon am 9- September 1998 den ersten Börsentreff in Deutschland. Damit sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass die Börse nicht Geschlossene Gesellschaft bedeuten muss. Auch die Stuttgarter Börse verfolgt heute das Ziel, dem Privatanleger den bestmöglichen Service zu bieten. Dazu gehört unter anderem, ihm einen Raum zur Informationsbeschaffung und zum Informationsaustausch über die Wertpapieranlage zu offerieren, sagte Börsenpräsident Rolf Limbach anlässlich der Eröffnung. Er geht davon aus, dass die Privatanleger es honorieren, wenn ihnen Dienstleistungen angeboten werden, bei denen sie sich als wichtige Marktteilnehmer verstehen und sich wie die Profis behandelt wissen. Im Börsentreff im Foyer der Börse können Interessierte fachsimpeln und sich Informationen zur Geldanlage über das Internet beschaffen. Computer laden zum Surfen ein, und die Finanzinformationsdienste Reuters und vwd liefern auf eigenen Bildschirmen Daten, Kurse und Finanznach richten in Echtzeit. Über ein weiteres Terminal von der Direktanlage- Bank können Kunden der Bank direkt elektronisch ordern. Außerdem gibt es einen n-tv-Bildschirm, und auf anderen Monitoren kann man Kurzinformationen individuell abrufen.
Über das Callcenter der Börse Stuttgart haben Anleger die Möglichkeit, Kurse, Umsätze und Ausstattungsmerkmale direkt vom Parkett abzufragen und allgemeine Informationen zu Events oder Börseneinführungen zu erhalten.