Verraten und verkauft – Schrottimmobilien

Allein die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank brachte mit Hilfe von gedrillten Vertriebsleuten in den 1990er Jahren Kredite in Höhe von über 13 Milliarden Euro upters Volk. Viele der geprellten Kunden waren Bezieher mittlerer Einkommen und stecken heute noch tief in den Miesen. Sie sind in eine ausgeklügelte Geldschluckmaschine geraten, mit der Bankmitarbeiter und Vermittler gemeinsam ein Ziel verfolgten: gutgläubige Kunden um ihr Geld zu bringen und sich an teuren Kombikrediten zu bereichern.

Zunächst schienen die abgezockten Kunden keine Chancen zu haben, sich aus den Knebelverträgen zu befreien. Doch am 9. April 2002 hat der Bundesgerichtshof die Daumenschrauben der Banken etwas gelockert. Die Richter des XI. Senats entschieden, dass das Widerrufsrecht, das allgemein für Haustürgeschäfte gilt, auch auf Finanzgeschäfte anzuwenden sei, wenn die Verträge anlässlich von Vertreterbesuchen abgeschlossen wurde. (BGH, Urteil vom 09.04.2002, XI ZR 91/99). Damit wurde die Beschränkung des allgemeinen Rücktrittsrechts für Kreditvermittlungen aufgehoben. Kreditverträge können widerrufen werden, wenn sie im Büro oder Wohnzimmer geschlossen wurden, das heißt, wenn eine sogenannte Haustürsituation vorlag und keine korrekte Widerrußbelehrung erfolgte.

Um sich erfolgreich auf das neue Widerrufsrecht berufen zu können, muss der Kunde allerdings die Beweise erbringen, dass Kauf- und Kreditvertrag ein sogenanntes verbundenes Geschäft waren, erklären die Verbraucherschützer: Der Widerruf allein des Kreditvertrags würde dem Verbraucher wenig helfen, da dann nur die in diesem Vertrag ausgetauschten Leistungen zurückzugewähren sind – das heißt im Wesentlichen das Kapital, das der Verbraucher bekommen hat. Er würde dann aber auf seiner Immobilie Sitzenbleiben.

Im deutschen Geldgewerbe sorgte das Urteil für erhebliche Nervosität. Gespannt wartete man auf die Auslegung des Richterspruchs, wie sich der Widerruf auf Kombi-Kreditverträge auswirken würde. Die betroffenen Banken, allen voran die Hypo – Vereinsbank, das Nachfolgeinstitut der Bayerische Hypotheken- und Wechsel- Bank, waren beunruhigt. Kamen auf sie Massenrückabwicklungen und Rückzahlungsforderungen in Milliardenhöhe zu?

Die Angst machte allerdings auch erfinderisch. Die Hypo-Vereinsbank versuchte flugs, die geprellten Anleger mit Abgeltungserklärungen nochmals über den Tisch zu ziehen. Der Kunde, der solche Erklärung unterschreibt, verzichtet darauf, seine Ansprüche gegen die Bank geltend zu machen. Verbraucherschützer warnten vor solch voreiligen Erklärungen.

Der Anlass für die Krise, die dem Kreditgewerbe ab dem Jahr 2000 die Geschäfte gründlich verdarb, kam allerdings aus einer ganz anderen Ecke. Wie ein Bumerang fielen die unseriösen Kredite auf die Banken und insbesondere auf die Hypobank zurück.

Als die Zinsen stiegen, die Konjunktur kippte und die Aufbruchsstimmung im Wilden Osten in einen handfesten Kater umschlug, bekam auch die Bank die fatalen Folgen ihrer dubiosen Geschäfte zu spüren. Viele Kunden konnten die Darlehen und die Versicherungspolicen nicht mehr bedienen, die Bank blieb auf den faulen Krediten, die sie selbst initiiert hatte, sitzen und geriet in Turbulenzen. Doch die Banker hatten bald einen Ausweg gefunden, wie sie sich aus ihrer misslichen Lage befreien konnten. Das Nachsehen hatten Kunden wie das Ehepaar Lange.
Sie gehörten zu den Investoren, die im Osten einstiegen waren. Fünf Mietshäuser hatten sie in Leipzig übernommen und für die Sanierung ein Darlehen von 1,2 Millionen Euro aufgenommen. Das erschien ihnen kein großes Risiko zu sein, denn die Zinsen waren günstig und Leipzig, der Messestadt der ehemaligen DDR, wurde eine Zukunft als Boomtown prognostiziert.

Auch die Langes kamen anfangs gut zurecht. Die Zinsen waren mit etwa fünf Prozent relativ niedrig und ließen sich aus den Mieteinnahmen bezahlen. Doch dann lief die Zinsbindung aus, und die neuen Sätze überstiegen die Einnahmen. Zudem drückte ein Überangebot am Leipziger Wohnungsmarkt die Mieten. Die Langes konnten ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Sie gerietet? in Zahlungsrückstand.
Die Kreditabteilung der Bayerischen Hypobank, die 1997 mit der Bayerischen Vereinsbank zur HypoVereinsbank fusioniert worden war, wurde nervös. Die Kredite waren zur Belastung geworden. Die zahllosen Sahnestückchen, die die Bank zu Beginn der 1990er Jahre überteuert verkauft hatte, entpuppten sich als Schrottimmobilien und wurden zu bleischwerem Ballast für die Bank. Viele der hastig geschlossenen Darlehensverträge wurden nicht mehr bedient. Bauträgergesellschaften, die die abbruchreifen Häuser und Plattenbauten sanieren sollten, gingen vor der Fertigstellung pleite, neue Unternehmer verlangten mehr Geld für den Abschluss der Arbeiten.

Die Bank saß auf einem Milliardenberg von faulen Krediten und nutzte die Situation für einen Befreiungsschlag. Der kam mit der texanischen Finanzbeteilungsgesellschaft Lone Star, mit Hauptsitz in der Steueroase Bermudas. Sie nahmen der Hypo- Vereinsbank Kredite in Höhe von 3,6 Milliarden Euro ab.
Die Texaner hatten sich auf den Erwerb von faulen Krediten spezialisiert und verdienten prächtig daran. Denn der Handel mit Immobilienschulden ist ein höchst einträgliches Geschäft. Die Beteiligungsgesellschaften – im Fachjargon Private-Equity- Gesellschaften -, die sich in diesem Bereich des weltweiten Kapitalmarktes tummeln, übernehmen diese Schulden zu einem Preis, der weit unter dem eigentlichen Wert der noch zu bedienenden Restkredite liegt. Beim Eintreiben der Restschuld sind sie nicht zimperlich: Lone Star bediente sich für dieses brutale Geschäft sogar einer eigenen Inkassogesellschaft, den Hudson Advisors.
Die Geldeintreiber von Hudson Advisors treten nicht als Berater auf, wie ihr Name vielleicht suggeriert. Sie jedenfalls machten mit den Langes kurzen Prozess. Die Zinsen wurden auf neun Prozent hochgeschraubt und die säumigen Schuldner zu einer Tilgung von einem Prozent verdonnert. Das konnten die Langes natürlich nicht bezahlen. Hudson Advisors versuchte, von ihnen Verkaufsvollmachten zu bekommen, und legte ihnen Abtretungserklärungen zur Unterschrift vor. Doch Mathias Lange lehnte es ab, seinen Weg in den Konkurs zu besiegeln.
Der Fall Lange wurde ein Fall für die Anwälte, und Lange zog mit dem Streit sogar vor den Bundesgerichtshof. Tatsächlich wirft das Vorgehen der HypoVereinsbank-Immobilientochter Hypo Real Estate eine Reihe von Fragen auf, die juristisch von der höchsten Instanz geklärt werden sollten. Da geht es erst einmal um die Zulässigkeit solcher Deals überhaupt. Neben den faulen Krediten seien auch bestehende und pünktlich bediente Darlehensverträge abgestoßen worden, ohne dass die betroffenen Kunden über diese Transaktion informiert worden seien oder sie gar genehmigt hätten.

Die Banken missbrauchen Vertrauen. (…) Sie behandeln die Kunden hier wie Sachen, erklärt Professor Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen. Er wirft den Banken Verantwortungslosigkeit vor: Kredit heißt Vertrauen. Das heißt ja nicht nur, dass die Bank dem Kunden vertraut, sondern auch, dass der Kunde der Bank vertraut. Dieses Vertrauen wird in hohem Grade missbraucht, so Reifner in einem Interview mit den Reportern des ZDF-Politmagazins Frontal 21. Bei der Transaktion – so befürchten die Kritiker – würden auch vertrauliche Daten zur Vermögenslage und zum Einkommen weitergegeben. Der Anwalt der Langes, Ingo Schulz-Hennig, hält den Deal deshalb für eine gravierende Verletzung des Bankgeheimnisses, das das Fundament der Kunden-Bank-Beziehung darstelle.

Ungeliebtes Arbeiterkind – der Fall WestLB

Den Herren der großen privaten Geschäftsbanken war sie schon lange ein Dorn im Auge. Die WestLB war irgendwie das Schmuddelkind im deutschen Bankgewerbe. Eines, das sich nie unterkriegen ließ und immer dabei sein wollte, wenn es etwas zu verdienen gab. Das zeitweilig zum viertgrößten deutschen Kreditinstitut aufgestiegen war und das trotz des für Frankfurter Bankernasen aufdringlichen Margarinegeruchs der nordrhein-westfälischen Arbeiterstädte auch in die internationalen Kapitalmärkte Einlass gefunden und sich in die Spitzenliga der deutschen Banken gedrängelt hatte.
Die Aufmüpfigkeit und die Abenteuerlust der Banker aus Düsseldorf und Münster, die im roten Filz der SPD-gefuhrten Landesregierungen blühten und gediehen, hat die soignierten Geldzirkel unter der Frankfurter Dunstglocke immer wieder bis aufs Blut gereizt. Traten die WestLB-Banker doch lange Jahre mit großem Vorsprung im Rennen um die lukrativen Bankgeschäfte an: Als öffentlich-rechtliches Institut konnten sie ihren Kunden bessere Konditionen und meist auch niedrigere Zinsen bieten. Für das Risiko musste ja notfalls die Landesregierung einstehen.
Viele Jahre klagten und beschwerten sich die privaten Großbanken gegen die Bevorzugung der WestLB – lange Zeit vergebens. Gegen den langjährigen Chef der Bank, Friedei Neuber, kamen sie nicht an. Keiner konnte so geschickt die Fäden ziehen und auf der politischen Bühne die Puppen tanzen lassen.

Der rote Pate
Neuber verfügte über glänzende Beziehungen in die Zentralen der nordrhein-westfälischen Konzerne und als ehemaliger SPD- Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag auch in die Politik. Und er sorgte dafür, dass seine Gefolgsleute bedacht wurden, aber auch seine Gegner nicht zu kurz kamen. Und so manchem Politiker und Wirtschaftsmann war sein persönliches Fortkommen einen Kotau vor dem mächtigen Financier wert. Ohne die Zustimmung des roten Paten lief lange Jahre nichts in Nordrhein-Westfalen, gegen sein Veto konnte nicht einmal beim Energieversorger RWE ein Führungsposten besetzt werden.

Doch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre hatte der oberste Landesbanker sein Konto überzogen. Im September 1996 fielen bei der WestLB-Zentrale 600 Steuerfahnder ein. Zweck der Razzia war die Beschlagnahme von Aufzeichnungen, Akten und Dokumenten, mit denen der Verdacht auf Steuerhinterziehung erhärtet werden sollte. Zu ihrer Überraschung fanden die Beamten polierte Schreibtische und leere Aktenordner vor.

Offensichtlich war die Bank gewarnt worden. Es dauerte nicht lange, bis der Verdacht auf Neubers Vertrauten, den nordrheinwestfälischen Finanzminister und Verwaltungsratsmitglied der WestLB, Heinz Schleußer, fiel. Doch Schleußer, den mit dem Banker eine jahrzehntelange enge Freundschaft verband, wies jeden Verdacht von sich, und bewiesen werden konnte ihm nichts.

Im Jahr 1999 durchkämmten Steuerfahnder auch Neubers Privathaus. Gegen den Bankchef und einige seiner Vorstandskollegen wurde ebenfalls ermittelt. Im November enthüllte dann ein Bericht in dem Magazin Der Spiegel, wie großzügig Neuber sich gegenüber seinen politischen Freunden gezeigt hatte. Die SPD-Spitzen wurden jahrelang von der Düsseldorfer Flugfirma Privat-Jet- Charter (PJC) transportiert. Ob der damalige Ministerpräsident Johannes Rau und sein Finanzminister Schleußer geschäftlich oder privat unterwegs waren, ein Anruf in Neubers Vorstandssekretariat genügte, und der Flieger stand bereit – die Bank zahlte. Der Spiegel konnte die Flugaffäre mit Hilfe der Aufzeichnungen, die der 1997 verstorbene PJC-Chefpilot Peter Wichmann angefertigt hatte, aufdecken. Unrechtsbewusstsein war bei den Spitzen der SPD- Connection eher selten: Die WestLB ist ja zu über 40 Prozent unser Laden, zitierte Der Spiegel im Herbst 1999 einen führenden Politiker der Düsseldorfer SPD. Das Reisebusiness kam erst zum Erliegen, als die Steuerfahndung die Büros von PJC filzte und wenig später auch der Chefpilot verhaftet wurde, als er gerade seinen Hauptauftraggeber Neuber nach Frankfurt fliegen wollte.

Im Zuge der Ermittlungen kamen noch andere delikate Details aus dem Umgang der Düsseldorfer SPD-Prominenz mit ihrer Bank ans Tageslicht. So hatte Schleußer einige Trips in weiblicher Begleitung angetreten, ohne die Kosten für die Reisegefährtin, die nicht seine Frau war, zu begleichen.
Da hatte sich Rau – als er noch Ministerpräsident war – an seinem Wohnort Wuppertal Geburtstagsempfänge von der WestLB ausrichten lassen. Allein die Party zu seinem fünf und sechzigsten Wiegenfest soll die Bank 150 000 € gekostet haben.
Und dann gab es bei der WestLB noch einen speziellen Investmentclub, in dem die Spitzengenossen durch geschickte Geldanlagen unter der Aufsicht von Bankexperten ihr Vermögen mehren konnten.

Im Düsseldorfer Landtag wurde im Februar 2000 ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Vielflieger vernehmen sollte. Schleußer verstrickte sich immer tiefer in Ausflüchte und Widersprüche und trat von seinem Amt als NRW-Finanzminister zurück. Rau kam glimpflich davon, weil er die meisten Flüge als Dienstreisen deklarieren konnte und die häufigen Empfänge zu seinen Repräsentationspflichten als oberster Landesvater zählten. Auch Clement überstand die Affäre mit geringen Blessuren, er wurde jedenfalls bei seiner Wiederwahl im darauffolgenden Frühjahr im Amt bestätigt.

Den größten Schaden trug – nicht überraschend – Neuber selbst davon. Mit seinen großzügigen Angeboten hatte der Pate die sich aufopfernden Politiker schließlich erst die Bredouille gelockt. Die Düsseldorfer Flug Affäre mobilisierte am Ende auch andere Gegner des mächtigen WestLB-Chefs.

Wie soll eine seriöse und korrekte Bank heutzutage aussehen

Das Institut, bei dem ich – wie die meisten Kunden vermutlich – meine Geldgeschäfte abwickeln würde, wäre eine Bank, die kompetent und freundlich ist. Die die Bedürfnisse ihrer Kundschaft ernst nimmt, gleichgültig, ob es sich nun um den Bezieher eines Durchschnittseinkommens handelt oder um einen angehenden Einkommensmillionär, um eine alleinerziehende Mutter oder eine vermögende Pensionärin. Die Existenzgründern unter die Arme greift und verständliche Beratung anbietet. Die Vermögensanlagen nicht unter dem Gesichtspunkt der eigenen Profitmaximierung auswählt und die Portfolios nicht wild hin und her schiebt, um Provisionen abzupressen. Eine Bank, die das Wohl ihrer Kunden nicht den Interessen ihrer Aktionäre und Anteilseigner unterordnet, sondern sie gleichrangig verfolgt.

Zu meinen Vorstellungen von einer seriösen Bank gehört auch, dass sie ihre Mitarbeiter anständig behandelt und ausbildet, damit sie kompetente Gesprächspartner für alle Geschäftslagen sind. Aber auch damit sie erkennen, welche Geldmarktprodukte und Anlagenformen seriös sind. Oder wie sie einem Unternehmer aus einer vorübergehenden Klemme helfen können.

Der Dschungel der nationalen Finanzmärkte und internationalen Kapitalgeschäfte ist für einen Bankkunden ohne spezialisierte Fachausbildung längst nicht mehr zu durchschauen. Von meiner Lieblingsbank würde ich deshalb auch erwarten, dass sie sich von den exotischen Nischen hochspekulativer Geldwetten fernhält, die nicht nur die Kunden um ihre Ersparnisse, sondern wie im jüngsten Fall der Schrottanleihen sogar den globalen Kapitalmarkt in schwere Turbulenzen stürzt.
Für die freundliche, kompetente und umsichtige Betreuung meiner Geldgeschäfte wäre ich sogar bereit, ein bisschen mehr zu bezahlen.
Aber auch nur dann.

Lukratives Wettbewerbshindernis beim Immobilienkredit

Die Vorfälligkeitsentschädigungen wirken auch als Wettbewerbshindernis. Wer einmal ein Haus oder eine Wohnung auf Pump finanziert hat, kann sich gut vorstellen, welcher Stress auf den Besitzer zukommt, der seine Immobilie verkaufen will, weil er aus Berufsgründen in eine andere Stadt ziehen muss, seinen Job verliert oder andere Gründe zur vorzeitigen Ablösung des Kredites führen. Längst nicht alle Banken sind kulant und übertragen beim Kauf einer anderen Immobilie die alte Hypothek auf eine neue.

Aber auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen sind die Vorfälligkeitsentschädigungen äußerst fragwürdig. Sie verhindern den Wettbewerb unter den Banken. Denn wenn jemand sein Darlehen umschulden möchte, weil ihm ein anderes Institut bessere Konditionen bietet, dann muss er sich genau überlegen, ob sich der Wechsel lohnt, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung mit ins Kalkül gezogen wird. Durch diese Fessel, die deutsche Geldinstitute ihren Darlehensnehmern anlegen, werden nämlich zum Beispiel ausländische Banken davon abgehalten, in den deutschen Hypothekenmarkt als Finanziers einzutreten.

Zum Wohle der Kunden und des Wettbewerbs fordern deshalb Verbraucherschützer, die Höhe der Entschädigungszahlungen auf drei Monatszinsraten zu beschränken und außerdem die Banken zur Transparenz zu zwingen: Sie sollen verpflichtet werden, die Berechnungsmethode anhand von konkreten Beispielen offenzulegen.
Wer von den Verbrauchern ein Mehr an Mobilität erwartet und gleichzeitig den Erwerb von Eigenheimen fördert, darf sie mit Entschädigungszahlungen bei einer vorzeitigen Beendigung nicht allein lassen, sagte Prof. Dr. Edda Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherschutzorganisationen. Die Selbstbedienungsmentalität der Banken wirkt als Bremse für mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt.

Senioren müssen von den Banken und Sparkassen draußen bleiben

Die Banken und ihre Investmenttöchter werben gerne mit fröhlichen Menschen jenseits der Altersgrenze von 65. Rüstige Senioren, die dank der fabelhaften Beratung der Bank oder Fondsgesellschaft einen vergnüglichen Lebensabend genießen können. Banker mit Leidenschaft und Erfahrung kümmern sich schließlich um ihre Finanzen. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus. Wer die 60, 65 oder gar die 70 überschritten hat, gehört für die Banken zu den Almosenempfängern, die keine Ansprüche mehr stellen dürfen, sondern ergeben hinnehmen müssen, was die Bankangestellten gewähren.
Manche Bank entzieht ihren Kunden mit Eintritt ins Rentenalter sogar die EC-Karte. Ihnen wird eine Kundenkarte ausgehändigt, mit der sie sich ihre Kontoauszüge ausdrucken lassen und Bargeld an den Automaten der Bank ziehen, aber weder damit in Geschäften bezahlen noch die Geldautomaten fremder Institute benutzen können.

Kreditunwürdiger Schrott
Eine kleine Auswahl der Schikanen in Kreditangelegenheiten hat die Hamburger Verbraucherzentrale gesammelt. Zu der Überzeugung, nichts mehr wert zu sein für ihre Bank, kam zum Beispiel eine Rentnerin nach einem frustrierenden Erlebnis:
Mein Mann und ich hatten die Gelegenheit, einen Gefrierschrank mit erheblichem Preisnachlass kaufen zu können. Also nutzten wir die günstige Gelegenheit, bei der uns bequeme Ratenzahlung – vorbehaltlich der Genehmigung durch die Partnerbank – angeboten wurde. Der freundliche Verkäufer füllte am Computer den Fragebogen der Partnerbank mit meinen Angaben aus: Rentnerin, 76 Jahre alt, Eigentumswohnung, Laufzeit des Kredits sieben Monate. Wir warteten alle drei – der Verkäufer, mein Mann und ich – auf das Prüfungsergebnis der Partnerbank. Und jetzt kommt der Hammer: Nur von 18 bis 72 Jahren bekommt man den Kredit. Ich gehöre mit meinen 76 Jahren nicht nur zum alten Eisen; ich bin Schrott – kreditunwürdig.
Die Rentnerin steht mit ihrer bitteren Erfahrung nicht allein. Eine Verbraucherin aus Schleswig-Holstein erzählt von ihrem Erlebnis mit einem Kreditbegehren:
Seit 1980 sind mein Ehemann und ich Kunden beim BHW. Im Juni 2005 beantragten wir einen Kredit über 10000 Euro bei unserer BHW-Geschäftsstelle in einer Stadt in Schleswig-Holstein. Sicherheit: ein Haus mit drei Wohneinheiten. Die Sachbearbeiterin machte auf mein Alter aufmerksam, da ich bereits 65 Jahre alt bin. Aber da ich erst im Februar 2005 Geburtstag hatte, ginge sie davon aus, dass der Antrag von Hameln genehmigt würde. Der Antrag wurde jedoch wegen des Alters abgelehnt. Zu alt. Wenn mein Ehemann nun jünger gewesen wäre – kein Problem. Leider ist er acht Jahre älter.

Doch nicht nur bei Immobilien- und Verbraucherkrediten ist das Geschäftsgebaren der Banken merkwürdig. Sogar ganz normale Leistungen wie eine Kreditkarte werden einfach verweigert:
Ich habe, weil ich über 65 bin, nicht einmal eine Kreditkarte bekommen. Mein Haus ist unbelastet und voll renoviert, neues Dach etc. Und ich wollte für meine Rente zwei Apartments umbauen. Weder die Bank noch die Versicherung Allianz gaben mir die Umbaukosten von nicht einmal 40 000 Euro. Die Mieteinnahmen hätten fast 1000 Euro betragen. Seitdem kann ich auch mein Konto nicht mehr überziehen, da ich laut Sparkasse eine so kleine Rente bekomme.

Manchmal können die erwachsenen Kinder nicht fassen, was ihren Eltern bei Banken so alles widerfährt:
Meine Eltern – zum Zeitpunkt des Vorfalls 70 Jahre alt und Rentnerin und 61 Jahre alt, noch angestellt – Unterzeichneten 2004 einen Kaufvertrag über ein Wohnmobil. An diesen Kauf knüpfte die Firma die Bedingung, dass eine Risikoversicherung abgeschlossen werden müsste. Als die Unterlagen von der Prüfungsstelle (Bank) zurückkamen, wurde diese Risikoversicherung abgelehnt mit der Begründung, dass mein Vater schon über 60 Jahre alt sei. Wenn meine Eltern nicht bereits eine andere Risikoversicherung in der Vergangenheit abgeschlossen hätten (zur Absicherung der Restschuld einer Immobilie, deren Ablaufzeit noch bis Mitte 2007 läuft), wäre der Kauf des Wagens nicht möglich gewesen. Dürfen Rentner nur noch Autos mit Bargeld kaufen?

Unsere Eltern bzw. Schwiegereltern wollten eine neue Waschmaschine kaufen und den zinslosen Ratenkredit, der dazu an- geboten wurde, nutzen. Fehlanzeige! Mit 77 bzw. 76 Jahren waren sie zu alt, obwohl sie noch sehr rüstig sind. Jetzt haben wir die Maschine gekauft und den Ratenkredit übernommen, und meine Eltern zahlen die Raten an uns zurück und haben zur Sicherheit ein Sparbuch bei uns hinterlegt. Das ist doch unwürdig für Menschen, die in ihrem Leben schon eine Menge erlebt und vor allem geleistet haben.

Meine Mutter ist 71 Jahre alt und seit September 2000 nach dem Tode meines Vaters als Inhaberin des Familiengeschäftes eingetragen. Dieses Gemischtwarengeschäft befindet sich seit 76 Jahren in unserer Familie. Ich führe das Geschäft mit einigen Mitarbeitern. Wir haben ein sehr reichhaltiges Angebot, aber nach Schließung der Postfiliale kamen immer mehr Anfragen nach Fotokopien. So haben wir uns entschlossen, einen Fotokopierer aufzustellen und somit unseren Kunden zu helfen. Wir hatten auch bald ein passendes Angebot gefunden und wollten das Gerät leasen. Laut Inhaber des Büroservices sollte das kein Problem sein. Wir bekamen die Unterlagen, haben diese direkt zur Leasinggesellschaft gefaxt. Zu unserer Überraschung erhielten wir eine Absage mit der Begründung, es läge kein Schufa-Eintrag vor. Konnte ja auch nicht, weil unser Geschäft und unsere Familie nie einen Kredit in Anspruch genommen hatte. Wir könnten uns aber eine Bankbürgschaft besorgen über den Betrag von 3600 Euro. Das hätte aber wieder Geld gekostet, und so haben wir darauf verzichtet.

Der Inhaber des Büroservices hatte eine weitere Leasinggesellschaft in seinen Unterlagen, so haben wir unsere Unterlagen dorthin gefaxt. Zehn Minuten später rief er an und musste absagen, da diese Leasinggesellschaft den Vertrag aufgrund des Alters meiner Mutter abgelehnt hatte. Wortwörtlich hat ihm der Sachbearbeiter der Leasinggesellschaft gesagt: Mit 71 Jahren ist Ihre Kundin zu alt. Da kommt natürlich Freude auf, aber es gibt noch nette Menschen. Wir haben den Fotokopierer trotzdem bekommen und zahlen ihn jetzt monatlich ab, ohne Bankbürgschaft und ohne Schufa.

Am 7. Dezember 2005 konnte man in der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen unter der Überschrift Über 70 — nein danke! Als Rentner kann man mit Teilzahlungsangeboten Überraschungen erleben folgenden Artikel von Axel Schwarz lesen:

Beiseförth/Baunatal. Tagelang kein Strom wie kürzlich im Münsterland – kann das wohl auch hier passieren? Als Georg Richter die Nachrichten verfolgte und sich seine Gedanken machte, blieb sein Blick auf einem Werbeprospekt hängen: Einen Stromerzeuger für 299 Euro hatte die Baumarktkette Bahr im Angebot. So ein Gerät müsste man daheim stehen haben, dachte sich der Beiseforther: Das ist wie eine kleine Versicherung. Besonders lockten ihn die günstigen Bedingungen: Die Handelskette bot im Rahmen ihrer Null-Komma-nix-Wochen an, man könne den Generator in zwölf niedrigen Monatsraten bezahlen – ohne einen Cent Finanzierungskosten extra. Kurz darauf stand Richter bei der Bahr-Filiale in Baunatal-Hertingshausen vor dem Tresen. Die waren sehr, sehr nett, sagt er. Zwar sei kein Stromerzeuger vorrätig gewesen, doch man habe sich erfolgreich Mühe gemacht, ein Gerät aus einer anderen Filiale herbeizuordern. Es sollte in wenigen Tagen eintreffen. Dann ging es ans Bezahlen. Null-Komma-nix- Wochen? Sei auch kein Problem, erfuhr der Ruheständler. Ich hätte das Gerät ja auch bar bezahlt, meinte Richter. Aber das Angebot klang so günstig. Er wurde in ein Büro gebeten, wo eine Mitarbeiterin am Computer einen Teilzahlungsantrag ausfüllte. Ich musste meinen Personalausweis zeigen und meine Bankkarte, erzählte Richter. Dann die üblichen Fragen: Immobilienbesitz? Finanzielle Verhältnisse? Angehörige zu versorgen? Die nette Baumarkt-Angestellte tippte alles ein. Dann hieß es warten auf das Okay aus der Computerleitung. Eine ganze Weile wartete Georg Richter geduldig. Und noch eine Weile. So lange, dass es selbst der netten Dame allmählich unangenehm wurde. Doch nichts geschah. Die Mitarbeiterin machte einen Telefonanruf, um die Sache zu beschleunigen. Doch vorerst hieß es weiter warten. Über eineinhalb Stunden hab ich da gesessen, sagte Georg Richter später. Den Mitarbeitern des Baumarkts in Hertingshausen macht er dafür nicht den geringsten Vorwurf. Die hätten sich in jeder Hinsicht bemüht. Die Finanzierung laufe über eine Partnerbank, erfuhr Richter. Bei solchen Computer-Anfragen werden routinemäßig auch Einträge bei der Schufa überprüft. Das war dem Beiseforther zwar neu, aber auch nicht weiter wichtig: Ich hab doch keine Schulden, sagt er im Brustton der Überzeugung. Dann – über zwei Stunden, nachdem Richter den Baumarkt betreten hatte – machte der Computer endlich Meldung: Finanzierung abgelehnt! Nichts zu machen. Eine Null-Komma- nix-Entscheidung war das gerade nicht. Die Angestellte schaute näher hin und fragte offenbar verblüfft: Wollen Sie wissen, warum Sie keine Finanzierung kriegen? Weil Sie über 70 sind. Die war ebenso überrascht wie ich, sagte der rüstige und vielseitig aktive 74-Jährige. Den Stromgenerator hätte Richter locker bar bezahlen können. Aber die Lust darauf ist ihm gründlich vergangen. Was ist denn mit den vielen Politikern, die um die 70 sind? fragt er. Die kann man ja überhaupt nicht mehr wählen, wenn das so ist.
Und nicht nur deutsche Geldinstitute machen ihren Kunden im Seniorenalter das Leben schwer. Beispiele lassen sich in ganz Europa finden.

Auf der Suche nach einem Kreditgeber im Rahmen einer Umschuldung bin ich trotz verhältnismäßig gutem Einkommen bei der Finansbank, Holland N.V, Niederlassung Deutschland, auf folgenden Hinweis bei dem Online-Kreditantrag gestoßen. Das Höchstalter für den 1. Kreditnehmer beträgt 64 Jahre, ich bin bereits 65. In der vorangegangenen Kreditberechnung wird mir jedoch aufgrund des Einkommens und der sonstigen Vermögensverhältnisse ein mögliches Kreditvolumen von 50 000 Euro angeboten. Unseriös, und diskriminierend (…)
Am 1. November 2005 war in der Tageszeitung Die Welt folgende Meldung der Nachrichtenagentur AFP zu lesen:

Eine 80 Jahre alte Frau hat am Montag in Genua versucht, mit einem Küchenmesser eine Bank auszurauben. Zuvor hatte das knüpfte die Firma die Bedingung, dass eine Risikoversicherung abgeschlossen werden müsste. Als die Unterlagen von der Prüfungsstelle (Bank) zurückkamen, wurde diese Risikoversicherung abgelehnt mit der Begründung, dass mein Vater schon über 60 Jahre alt sei. Wenn meine Eltern nicht bereits eine andere Risikoversicherung in der Vergangenheit abgeschlossen hätten (zur Absicherung der Restschuld einer Immobilie, deren Ablaufzeit noch bis Mitte 2007 läuft), wäre der Kauf des Wagens nicht möglich gewesen. Dürfen Rentner nur noch Autos mit Bargeld kaufen?

Unsere Eltern bzw. Schwiegereltern wollten eine neue Waschmaschine kaufen und den zinslosen Ratenkredit, der dazu an- geboten wurde, nutzen. Fehlanzeige! Mit 77 bzw. 76 Jahren waren sie zu alt, obwohl sie noch sehr rüstig sind. Jetzt haben wir die Maschine gekauft und den Ratenkredit übernommen, und meine Eltern zahlen die Raten an uns zurück und haben zur Sicherheit ein Sparbuch bei uns hinterlegt. Das ist doch unwürdig für Menschen, die in ihrem Leben schon eine Menge erlebt und vor allem geleistet haben.

Meine Mutter ist 71 Jahre alt und seit September 2000 nach dem Tode meines Vaters als Inhaberin des Familiengeschäftes eingetragen. Dieses Gemischtwarengeschäft befindet sich seit 76 Jahren in unserer Familie. Ich führe das Geschäft mit einigen Mitarbeitern. Wir haben ein sehr reichhaltiges Angebot, aber nach Schließung der Postfiliale kamen immer mehr Anfragen nach Fotokopien. So haben wir uns entschlossen, einen Fotokopierer aufzustellen und somit unseren Kunden zu helfen. Wir hatten auch bald ein passendes Angebot gefunden und wollten das Gerät leasen. Laut Inhaber des Büroservices sollte das kein Problem sein. Wir bekamen die Unterlagen, haben diese direkt zur Leasinggesellschaft gefaxt. Zu unserer Überraschung erhielten wir eine Absage mit der Begründung, es läge kein Schufa-Eintrag vor. Konnte ja auch nicht, weil unser Geschäft und unsere Familie nie einen Kredit in Anspruch genommen hatte. Wir könnten uns aber eine Bankbürgschaft besorgen über den Betrag von 3600 Euro. Das hätte aber wieder Geld gekostet, und so haben wir darauf verzichtet.

Der Inhaber des Büroservices hatte eine weitere Leasinggesellschaft in seinen Unterlagen, so haben wir unsere Unterlagen dorthin gefaxt. Zehn Minuten später rief er an und musste absagen, da diese Leasinggesellschaft den Vertrag aufgrund des Alters meiner Mutter abgelehnt hatte. Wortwörtlich hat ihm der Sachbearbeiter der Leasinggesellschaft gesagt: Mit 71 Jahren ist Ihre Kundin zu alt. Da kommt natürlich Freude auf, aber es gibt noch nette Menschen. Wir haben den Fotokopierer trotzdem bekommen und zahlen ihn jetzt monatlich ab, ohne Bankbürgschaft und ohne Schufa.

Am 7. Dezember 2005 konnte man in der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen unter der Überschrift Über 70 – nein danke!
Als Rentner kann man mit Teilzahlungsangeboten Überraschungen erleben folgenden Artikel von Axel Schwarz lesen:
Beiseförth/Baunatal. Tagelang kein Strom wie kürzlich im Münsterland – kann das wohl auch hier passieren? Als Georg Richter die Nachrichten verfolgte und sich seine Gedanken machte, blieb sein Blick auf einem Werbeprospekt hängen: Einen Stromerzeuger für 299 Euro hatte die Baumarktkette Bahr im Angebot. So ein Gerät müsste man daheim stehen haben, dachte sich der Beiseförther: Das ist wie eine kleine Versicherung. Besonders lockten ihn die günstigen Bedingungen: Die
Handelskette bot im Rahmen ihrer Null-Komma-nix-Wochen an, man könne den Generator in zwölf niedrigen Monatsraten bezahlen – ohne einen Cent Finanzierungskosten extra. Kurz darauf stand Richter bei der Bahr-Filiale in Baunatal-Hertingshausen vor dem Tresen. Die waren sehr, sehr nett, sagt er. Zwar sei kein Stromerzeuger vorrätig gewesen, doch man habe sich erfolgreich Mühe gemacht, ein Gerät aus einer anderen Filiale herbeizuordern. Es sollte in wenigen Tagen eintreffen. Dann ging es ans Bezahlen. Null-Komma-nix- Wochen? Sei auch kein Problem, erfuhr der Ruheständler. Ich hätte das Gerät ja auch bar bezahlt, meinte Richter. Aber das Angebot klang so günstig. Er wurde in ein Büro gebeten, wo eine Mitarbeiterin am Computer, einen Teilzahlungsantrag ausfüllte. Ich musste meinen Personalausweis zeigen und meine Bankkarte, erzählte Richter. Dann die üblichen Fragen: Immobilienbesitz? Finanzielle Verhältnisse? Angehörige zu versorgen? Die nette Baumarkt-Angestellte tippte alles ein. Dann hieß es warten auf das Okay aus der Computerleitung. Eine ganze Weile wartete Georg Richter geduldig. Und noch eine Weile. So lange, dass es selbst der netten Dame allmählich unangenehm wurde. Doch nichts geschah. Die Mitarbeiterin machte einen Telefonanruf, um die Sache zu beschleunigen. Doch vorerst hieß es weiter warten. Über eineinhalb Stunden hab ich da gesessen, sagte Georg Richter später. Den Mitarbeitern des Baumarkts in Hertingshausen macht er dafür nicht den geringsten Vorwurf. Die hätten sich in jeder Hinsicht bemüht. Die Finanzierung laufe über eine Partnerbank, erfuhr Richter. Bei solchen Computer-Anfragen werden routinemäßig auch Einträge bei der Schufa überprüft. Das war dem Beiseförther zwar neu, aber auch nicht weiter wichtig: Ich hab doch keine Schulden, sagt er im Brustton der Überzeugung. Dann – über zwei Stunden, nachdem Richter den Baumarkt
betreten hatte – machte der Computer endlich Meldung: Finanzierung abgelehnt! Nichts zu machen. Eine Null-Kommanix-Entscheidung war das gerade nicht. Die Angestellte schaute näher hin und fragte offenbar verblüfft: Wollen Sie wissen, warum Sie keine Finanzierung kriegen? Weil Sie über 70 sind. Die war ebenso überascht wie ich, sagte der rüstige und vielseitig aktive 74-Jährige. Den Stromgenerator hätte Richter locker bar bezahlen können. Aber die Lust darauf ist ihm gründlich vergangen. Was ist denn mit den vielen Politikern, die um die 70 sind? fragt er. Die kann man ja überhaupt nicht mehr wählen, wenn das so ist.
Und nicht nur deutsche Geldinstitute machen ihren Kunden im Seniorenalter das Leben schwer. Beispiele lassen sich in ganz Europa finden.

Auf der Suche nach einem Kreditgeber im Rahmen einer Umschuldung bin ich trotz verhältnismäßig gutem Einkommen bei der Finansbank, Holland N.V, Niederlassung Deutschland, auf folgenden Hinweis bei dem Online-Kreditantrag gestoßen. Das Höchstalter für den 1. Kreditnehmer beträgt 64 Jahre, ich bin bereits 65. In der vorangegangenen Kreditberechnung wird mir jedoch aufgrund des Einkommens und der sonstigen Vermögensverhältnisse ein mögliches Kreditvolumen von 50000 Euro angeboten. Unseriös, und diskriminierend (…)
Am 1. November 2005 war in der Tageszeitung Die Welt folgende Meldung der Nachrichtenagentur AFP zu lesen:

Eine 80 Jahre alte Frau hat am Montag in Genua versucht, mit
einem Küchenmesser eine Bank auszurauben. Zuvor hatte das
Finanzinstitut den Wunsch nach einem Kredit von 2000 oder 3000 Euro abgelehnt, weil die Frau zu alt sei, so die Nachrichtenagentur Ansa. Sie wollen mir nichts geben?, fragte die Frau den Bankangestellten. Dann geben Sie mir alles, rief sie und zog das Messer. Sie wurde festgenommen.

Ein Blick zurück in der Geschichte des Bankkontos

Die Abhängigkeit vom lebensnotwendigen Bankkonto und vom wohlwollenden Verhalten der Banken hat sich in Deutschland in den letzten vierzig Jahren entwickelt. Noch zu Beginn der 1960er Jahre war der bargeldlose Zahlungsverkehr per Scheck oder die Überweisung vom Bankkonto ausschließlich ein Service für Firmen, Geschäftsinhaber und reiche Leute. Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller erhielten ihren Lohn oder ihr Gehalt bar in der Tüte oder an der Firmenkasse auf die Hand. Monatliche Abgaben wie Miete, Versicherungsprämien, Rundfunk- und Telefongebühren wurden per Postanweisung beglichen, wenn Barzahlung nicht möglich war. Das Haushaltsgeld bunkerte die Hausfrau im Küchenschrank, und was an Geld übrig blieb, kam am Monatsende entweder unter die Matratze, in den Sparstrumpf oder auf das Sparbuch, das meistens ebenfalls bei der Post geführt wurde.

Doch im Laufe der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts entdeckten die Banken Normalverdiener, Rentner und Studenten als Kunden, die ein ungeheures Reservoir für die Zukunft versprachen. Allein die Millionen, die wochenlang unter Matratzen und in Zuckerdosen schlummerten, bis sie schließlich beim täglichen Einkauf ausgegeben wurden, stellten für das Bankgewerbe einen ungehobenen Schatz dar, von dem sie gerne profitieren wollten. Denn mit diesem Geld würde sich trefflich wirtschaften lassen – zum Vorteil der Banken, versteht sich.
Und tatsächlich: Die Einführung von Lohn- und Gehaltskonten für alle Arbeitnehmer wurde ein lohnendes Geschäft für die Geldbranche. Die Banken konnten ihr Anlagevolumen so erheblich steigern.

Und das war noch nicht alles. Die Jahrhundertidee des Gewerbes hatte der Deutsche-Bank-Vorstand Eckhardt van Hooven. Auf seine Initiative wurde in den 1960er Jahren der Eurocheque eingeführt. Eine geniale Erfindung des Bankiers, um die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu beschleunigen. In Kombination mit der Eurochequekarte garantierte die Bank, die das neue Zahlungsmittel ausgab, dem Empfänger des Eurocheques die Einlösung bis zu einem Betrag von zunächst 300 €, ab den 1990er Jahren von bis zu 400 €. Durch Abkommen mit europäischen Banken in den wichtigsten Ferienländern der Deutschen (Italien, Spanien, Österreich und der Schweiz) verschafften die deutschen Banken ihrer Kundschaft ein fast europaweit akzeptiertes Zahlungsmittel.
Diesen grenzüberschreitenden Service bot bis zur Einführung des Eurocheques nur die Post ihren Sparern. Die Inhaber von Postsparbüchern konnten schon vorher in vielen Ländern über die lokalen Postämter an ihr Geld kommen. Diese Monopolstellung der damals noch staatlichen Behörde hatte van Hooven mit seiner Erfindung gebrochen – zum Wohle des Bankgewerbes: Natürlich ließen sich die Geldinstitute die Ausgabe der Scheckkarte mit zeitlich begrenzter Gültigkeit bezahlen. Mit 5€ war der Kunde dabei.

Für das Einlösen der deutschen Schecks im Ausland und oft auch im inländischen Handel – an Tankstellen beispielsweise – wurden ebenfalls Gebühren erhoben. Offensichtlich bereitete das Abrechnen der Schecks mehr Mühe, vor allem aber dauerte es länger, bis der Händler oder Tankstellenbesitzer endlich über seine Einnahme verfügen konnte.

Dennoch war der Siegeszug des Eurocheques nicht aufzuhalten, bis Ende des vergangenen Jahrhunderts nutzten die meisten Kontoinhaber dieses Zahlungsmittel, das erst im Januar 2002 seine Gültigkeit verlor.

Feine Adresse, fragwürdiges Geschäftsgebaren bei den Privatbanken

Doch trotz aller Exklusivität, sieht man genau hin, hegt gerade bei den Privatbanken einiges im Argen, was den Umgang mit dem Kunden betrifft. Einst waren die gediegenen kleinen Privatbanken mit persönlich haftenden Gesellschaftern und höflichem, sachkundigem Personal die erste Adresse für wohlhabende Kaufleute, reiche Witwen und vermögende Müßiggänger. Also für Leute, die, wie man in Köln gerne sagt, etwas an den Füßen haben.
Die Bankiers haben ihre Geschäfte finanziert und ihre Vermögen solide verwaltet. Dass der Bankier auch mit seinem eigenen Vermögen für die Fehler seiner Bankangestellten haftete, war vielen eine besondere Beruhigung und Ausweis besonderer Solidität und Vertrauenswürdigkeit. Bankhäuser mit klangvollen Namen waren einst in diesem elitären Zirkel vertreten: Sal. Oppenheim, Finck, Lampe, Münchmeyer, Herstatt, Marcard, Warburg und wie sie alle geheißen haben. Nur wenige sind übrig geblieben. Münchmeyer wurde nach der Fusion mit den Privatbankiers Schroeder und Hengst durch die leichtfertige Kreditvergabe des Mitgesellschafters Ferdinand Graf Galen in den Sog der Pleite des früheren Baumaschinenhändlers Wolfgang Esch gezogen und später von der britischen Midland Bank übernommen. Herstatt verlor durch Devisenspekulationen eines leichtfertigen Angestellten sein Vermögen und seine Bank. Andere wie die Weberbank wurden von der WestLB übernommen und firmieren nun als Luxustochter im Kreis des öffentlich-rechtlichen Instituts.

Ein ähnliches Schicksal erlitt auch die Marcard-Bank in Hamburg. Baron Enno von Marcard fusionierte das bereits im 18. Jahrhundert gegründete Bankhaus 1987 mit der Kölner Privatbank Stein und 1998 mit dem ebenfalls in Hamburg ansässigen größeren Privatbankhaus M.Warburg & Co. Marcard sollte sich in dem neuen Bankenverbund vor allem um die vermögende Privatklientel kümmern. Bestandteil der Fusion war die Bereinigung der Kundenkartei. Nur wer in der Hansestadt wirklich vermögend war, sollte sein Geld bei Marcard verwalten lassen dürfen. In
einem Family Office mit persönlicher Beratung, wie es die Hank im Internet präsentiert:

Exklusivität ist nicht nur ein Versprechen: Unsere Family-Office-Bank ermöglicht Ihnen den persönlichen Kontakt und die direkte Begegnung mit Entscheidungsträgern und Experten unseres Hauses. Wir ermöglichen Ihnen den individuellen Zugang zu exklusiven Investmentopportunitäten unter quasi institutionellen Bedingungen. Sie genießen durch die Größenvorteile des Family Office alle Vorteile der direkten Investments, die in der Regel institutionellen Anlegern Vorbehalten bleiben.

Für alte Kunden, die nicht den neuen Anforderungen entsprachen, hatten die neuen Marcard-Herren wenig Verständnis, sie sollten gehen. Notfalls wurde nachgeholfen
Zu denen, die abgeschoben werden sollten, gehörte auch eine Politikwissenschaftlerin, die sich als Beraterin selbständig gemacht hatte. Seit Jahrzehnten war sie Kundin der Bank. In guten und schlechteren Zeiten. Sie erhielt goldgeränderte Einladungen zu Empfängen und dem Jahresdinner der Bank. Auch ihr Bankberater gab ihr keinen Anlass, an der Geschäftsbeziehung zu dem Institut zu zweifeln. Im Gegenteil: Wie anderen Stammkunden des Instituts hatte er auch ihr 1999 eine besondere Chance zur Vermehrung ihres Vermögens angeboten: Anteile am Princess- Fonds (princess-privateequity*net).

Das ist sicher kein Investment für Anfänger oder Laien. Bei den Fondsanteilen handelte es sich um Wandelanleihen der Princess Private Equity Holding Limited. (Bei Wandelanleihen handelt es sich um ein Wertpapier mit festem Zins, das dem Inhaber das Recht einräumt, es während einer Wandlungsfrist in einem vorher festgelegten Verhältnis in Aktien des ausgebenden Unternehmens einzutauschen.) Durch den Verkauf dieser Fondsanteile wollte sich die Gesellschaft Kapital beschaffen, um sich an nicht börsennotierten Unternehmen zu beteiligen und Firmenkredite zu übernehmen mit dem Ziel, durch den Weiterverkauf der Unternehmen bzw. das Eintreiben der hochverzinsten Kredite eine ansehnliche Rendite zu erzielen. Mit anderen Worten: Es ging um die Finanzierung einer neuen Heuschrecke.

Gegründet wurde die Firma von einer anderen Heuschrecke, der Schweizer Private-Equity-Gesellschaft Partners Group Holding und der Schweizerischen Rückversicherungsgesellschaft Swiss-Re. Die Wandelanleihen, die 1999 ausgegeben wurden, sollten 700000 US-Dollar einbringen. Das Kapital wurde in Heuschreckenfonds investiert, die Unternehmen kaufen, umstrukturieren, filetieren und wieder verkaufen oder Schuldtitel übernehmen sollten, die höhere Zinsen versprachen, allerdings auch ein höheres Risiko bargen. Die Manager dieser Fonds, die nicht gerade zu den risikoarmen Anlagen gerechnet werden können, hatten sich steuergünstig auf der britischen Kanalinsel Guernsey niedergelassen.
Um die Risiken für die Anleger überschaubar zu halten, wurde eine Versicherung über den Minderheitspartner Swiss-Re abgeschlossen. Diese sollte garantieren, dass die Anleger im schlimmsten Fall ihren Kapitaleinsatz zurückerhalten. Diese Absicherung sollte der Wandelanleihe die Seriosität eines Rentenpapiers verleihen und damit auch für Versicherungsgesellschaften als solider Wert attraktiv sein.
Wegen der Mischung des Portfolios und des damit – trotz der Versicherung – verbundenen Risikos sollten die Anleihen mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2010 ursprünglich nur institutionellen Investoren, Versicherungen, Pensionskassen, professionellen Kapitalanlagegesellschaften und Privatpersonen angeboten werden, die über ein Vermögen von mindestens zwei Millionen Schweizer
Franken verfugten – so zumindest lauteten die Bestimmungen der eidgenössischen Wertpapieraufsicht.

Mit Hilfe des Privatbankhauses Sal. Oppenheim wurde die Prinzessin auch in Deutschland angeboten. Allerdings machte das Hundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen den Initiatoren einen Strich durch die Rechnung, sie verbot Versicherungsgesell- M haften, den Princess-Fonds in den Deckungsstock zu nehmen, also zur Absicherung ihrer Versicherungsleistungen zu verwenden.
Daraufhin wurde die Prinzessin auch Privatanlegern angeboten. Und wie der Fall der Marcard-Kundin zeigt, auch solchen Anlegern, die das Papier nicht als Nebeninvestment kauften, sondern einen Kredit aufnahmen, um das geborgte Geld in die Prinzessin zu investieren.

Die Anlegerin war sich des Risikos, das sie mit dem Kauf der Princess-Anteile einging, wohl bewusst. Rund 80 000 Dollar hatte sie in den Fond investiert – das Geld hatte sie sich als Kredit von der Bank geliehen. Der Berater bot ihr den in Dollar notierten Princess-Fonds als sichere Anlage an. Im günstigsten Fall würde sie von dem Wertzuwachs, den das Fondsmanagement durch eine geschickte Anlagestrategie erzielen wollte, profitieren – und von möglichen Kursgewinnen, falls der Dollar gegenüber dem Euro steigen würde. Vor einem Totalverlust ihres Einsatzes sei sie ja durch die Versicherung geschützt. Allerdings warnte der Berater, dass ihr Investment unter allen Umständen in der US-Währung bleiben müsste, weil auch die Versicherung auf Dollarbasis abgeschlossen sei.

Ende 2004, fünf Jahre nach Abschluss der Transaktion, verließ der Anlageberater die Marcard-Bank und wechselte zu einer anderen Privatbank. Sein Nachfolger meldete sich im Januar 2005 bei der Kundin. Er empfahl nachdrücklich, das Princess-Investment auf Euro umzustellen, denn so könnte durch die Kursentwicklung ein schneller Gewinn eingefahren werden. Die Politikwissenschaftlerin versuchte zwar noch, ihren alten Berater, der sie vor genau dieser Transaktion gewarnt hatte, zu erreichen, leider erfolglos. Schließlich gab sie dem Drängen des neuen Marcard- Beraters nach.

Eine Entscheidung, die sie noch am Abend des Tages bereute, nach einem endlich zustande gekommenen Gespräch mit dem alten Fachmann. Als sie am nächsten Morgen den Auftrag rückgängig machen wollte, war es zu spät. Die Order sei bereits ausgeführt worden, wurde ihr gesagt. Nur zögerlich nahm der Banker den Auftrag entgegen, das Princess-Investment wieder auf Dollar umzustellen. Sie bestand auf schneller Umsetzung des Auftrags, doch der Berater wiegelte ab.
Ihre Dollars waren auf Termin verschachert worden, erst nach drei Monaten wurde der Umtausch schließlich vollzogen.

Für den Berater ein glänzendes Geschäft, er konnte die Provision aus dem Währungsgeschäft einstreichen. Und viele andere Princess-Investoren bei Marcard hatte er ebenfalls zum Umtausch überredet. Mit den drastisch steigenden Provisionen durch die Währungsgeschäfte und die Bewegung in den Wertpapierportfolios der Marcard-Kunden verschaffte sich der Berater einen glänzenden Einstand bei der Bank. Seinen Kunden bescherte sein Aktivismus allerdings ziemlich großen Verdruss.

So auch der Politikwissenschaftlerin und Stammkundin. Als sie immer wieder an ihren Rücktauschauftrag erinnerte, wurde sie mit dem Hinweis auf den weiter fallenden, ungünstigen Dollar abgewimmelt: Leider habe sich der Wechselkurs weiter verschlechtert, und nun müsse man abwarten, bis er sich wieder erhole, sonst würden der Kundin ja hohe Verluste entstehen.
Dabei blieb es für die nächsten Monate. Als sich der Dollar für ein paar Tage fast bis auf das Umtauschniveau erholt hatte, verpasste der Marcard-Berater den richtigen Zeitpunkt für den Umtausch.

Im Herbst 2005 wurde dann der Kundin nahegelegt, zur Muttergesellschaft Warburg zu wechseln, dort würden ihre Konten besser betreut. Doch als sie sich mit einem Berater der Warburg- Bank traf, sah alles wieder ganz anders aus. Ihr Princess-Investment und der dafür laufende Kredit könne nur von Marcard-Beratern betreut werden. Das war den Warburg-Fachkräften offenbar zu heikel.
Im Januar 2006 wandte sich der Berater wieder an seine Kundin mit dem Hinweis, dass durch die Kursentwicklung des Dollars bedauerlicherweise bei ihrem Princess-Investment eine Unterdeckung von einigen tausend Euro entstanden sei, die nicht länger durch ihr Depot und die in Dollar notierte Risikoversicherung abgedeckt sei. Das war keine Überraschung, denn der Dollar war ja weiter gefallen, und das Problem war nur entstanden, weil der Berater das Investment von Dollar in Euro umgestellt hatte, also nach Ansicht der Kundin auch die Schuld an dem Schlamassel trug.

Doch das berührte die Marcard-Bank nicht weiter. Die Aufforderungen nach Ausgleich wurden unmissverständlicher. Als sie nicht zahlen konnte, wurde ihr restliches Depot eingefroren. Während einer vierwöchigen Geschäftsreise nach Asien, die sie ihrem Berater mitgeteilt hatte, sperrte die Bank ihr alle Konten. Zurückgekehrt von der Reise hat sie Protest eingelegt – auch beim Marcard-Mutterhaus Warburg. Vergeblich, ihr wurde mitgeteilt, dass sie bei Marcard als Kundin nicht länger erwünscht sei und dass sie sich nach einer anderen Bank umsehen sollte. Gleichzeitig wurden sämtliche Kredite fähig gesteht – auch der Dispo für ihr privates Konto und natürlich alle Kreditlinien für die Geschäftskonten ihrer Agentur. Die Aktion der Bank kam für die Kundin zu einem ungünstigen Zeitpunkt, als die Auftragslage flau war und neue Projekte noch in der Vorbereitung steckten.
Zudem hatte die Bank für die Kündigung der Kreditlinien einen Termin gewählt, der für die Kundin nicht unpassender hätte sein können: Wenige Tage nach dem Versand der monatlichen Kontoauszüge wurden die Kredite auf ihr Girokonto umgebucht und mit einem Dispo-Zins von 14,5 Prozent belastet. Ein Schreiben, das die Kreditkündigung ankündigte, ist bei der Kundin nie angekommen. Ebenso wenig erhielt sie eine Abrechnung über die genaue Summe der Unterdeckung. Es war ziemlich klar, die Bank wollte sie loswerden, um jeden Preis.

Wer die vollmundigen Versprechungen in der Selbstdarstellung der Marcard-Bank auf der Homepage best, mag gar nicht glauben, wie die Kunden im Ernstfall von den Bankberatern behandelt werden:
Unsere Auffassung von Partnerschaft ist mehr als eine professionelle Beziehung zu unseren Mandanten. Durch eine regelmäßige persönliche Begegnung mit Ihnen wollen wir auch eine emotionale Bindung entstehen lassen, die Ihr geschätztes Vertrauen zu uns erlebbar macht und immer wieder neu rechtfertigt.
Eine solche Partnerschaft bewahrheitet sich nur dann, wenn sie Nachhaltigkeit vermittelt und Stabilität in guten und schlechten Zeiten ermöglicht. Deshalb verstehen wir Partnerschaft als langfristige Verbindung, die wächst und einer ständigen Intensivierung bedarf und sich auf den Unternehmer und seine gesamte Familie gleichermaßen erstreckt.

Die Politikwissenschaftlerin empfand diese hehren Sätze als blanken Hohn. Sie transferierte ihre Konten zu einer anderen Bank und glich mit einem neuen Kredit die Marcard-Konten aus – in letzter Minute, um einen Insolvenzantrag zu vermeiden. Für die Kundin war es das teure Ende einer jahrzehntelangen Bankverbindung, die zum Alptraum geworden war.

Indiskretionen und ein Eklat – der Fall mit Dresdner Bank

Doch dann kam alles anders. Ein Eklat und eine Indiskretion führten zum Abbruch der Verhandlungen. Kleinwort Benson, die Investmenttochter der Dresdner Bank, die mit rund 7500 Mitarbeitern die Hälfte der Gewinne der Muttergesellschaft erwirtschaftete, wurde zum Knackpunkt. Gerüchten zufolge sollte sie dichtgemacht werden. In der Dresdner Bank schürte diese Aussicht den Widerstand gegen den ganzen Deal.
Breuer versprach jedoch öffentlich: Wir sind froh, dass wir durch unsere Transaktion ein solches Juwel zu dem vorhandenen Investment Banking hinzuaddieren können. Es wird weder geschlossen noch verkauft.

Diese Zusage löste bei den Investmentbankern der Deutschen Bank blankes Entsetzen aus. Edson Mitchell, der Chef der Abteilung Global Markets in London, aber auch die Truppe um den Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann in Frankfurt hatten längst ihr Urteil über den Konkurrenten gefällt: Kleinwort Benson passe nicht zur Deutschen Bank, an eine Integration des Investmenthauses sei nicht zu denken. Von den rund 7500 Mitarbeitern könnten bestenfalls ein paar hundert – die eigentlichen Topbanker mit ihren engsten Mitarbeitern – übernommen werden, der Rest sei überflüssig, lautete das Urteil.

Um ihren Worten die angemessene Bedeutung zu verschaffen, sorgten die Investmentbanker beider Seiten auf verschlungenen Wegen dafür, dass ihre Meinungen in Zeitungen und Branchendiensten publiziert wurden und die Gegenseite erreichten.

Die Deutsche Bank wurde von vielen Mitarbeitern der Dresdner Bank immer mehr als arroganter Angreifer gesehen, der den ungeliebten Rivalen niedermachen will.
Breuer war in eine Sackgasse geraten. Im Vorstand der Dresdner Bank wuchs der Widerstand gegen die Fusion, die sich im Laufe der Verhandlungen als brutale Übernahme entpuppte.

Der Kampf um Kleinwort Benson fand vor einer zunehmend feindlicheren Kulisse statt. Auch Wirtschaftsjournalisten, Analysten und Investmentbanker fanden keinen Gefallen am Zusammenschluss. Allen war klar, wer wirklich von der Fusion profitieren würde: die Allianz. Die Versicherung sollte den Zugriff auf wesentliche Teile des Privatkundengeschäfts beider Banken erhalten und das Anlagekapital der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS als Zugabe obendrauf.
Diese Erkenntnis bestimmte bald die Aktienkurse der Beteiligten. Der Kurs der Allianz-Aktien stieg, die der Aktien der beiden Banken fielen innerhalb weniger Tage um 25 Prozent. Bei den Mitarbeitern in den Investmentabteilungen heizte der Kursverfall die Stimmung gegen die Fusion an: Die Topleute werden nach Leistung bezahlt, und der Kurs der Aktie ist ein wichtiges Kriterium dafür.

Trotz dieser Widerstände liefen die Verhandlungen weiter. Die Aufsichtsräte beider Banken wurden informiert, und die Mehrheit – die Kapitalseite – entschied sich für die Fusion. Nur die Arbeitnehmervertreter mochten nicht für den drastischen Verlust von 16 300 Jobs stimmen. Denn darauf würde es bei einer Fusion hinauslaufen.
Dann passierte ein Patzer, der den Verhandlungen ein jähes Ende bereitete. Der Dresdner-Bank-Vorstand Joachim von Harbou, der das Privatkundengeschäft betreute, plauderte öffentlich über den künftigen Umgang mit den Privatkunden nach der Fusion: Wer weniger als 200 000 € mitbringe, könne dann nicht mehr mit individueller Beratung rechnen, sagte der Banker.

Ein Sturm der Entrüstung fegte durch die beiden Institute. Medien und Kunden hielten sich an den beiden Banken schadlos. Die Bank 24, zu der nach der Fusion auch die Kleinkunden der Dresdner Bank abgeschoben werden sollten, war zum Billiganbieter herabgestuft worden. Die Glaubwürdigkeit der Banker, die immer beteuert hatten, der Kundenservice würde besser, nicht schlechter werden, wurde schwer erschüttert.
Damit stand fest: Der größte Deal im deutschen Bankgewerbe, mit dem Deutsche-Bank-Chef Breuer auch international punkten und aller Welt zeigen wollte, wie gekonnt in Deutschland Megafusionen durchgezogen werden, war gescheitert – an nachlässiger Vorbereitung und schwacher Führung. In der internationalen Finanzwelt hatte sich die Deutsche Bank gründlich blamiert. Bei der Deutschen Bank blieb dennoch alles beim Alten. In einem Brief an die Mitarbeiter dankte der Vorstand der Belegschaft der Bank für das große Engagement, das Sie alle während der vergangenen schwierigen Wochen gezeigt haben. (…) Wir werden unsere erfolgreiche Geschäftspolitik in allen Geschäftsfeldern konsequent weiter umsetzen und damit unsere Position im globalen Wettbewerb gezielt stärken. Der Vorstand mit Herrn Breuer als seinem Sprecher will die Dynamik dieses Erfolgs gemeinsam mit Ihnen bewahren und die Deutsche Bank zum führenden Finanzdienstleister der Welt weiterentwickeln. Dabei hat er die uneingeschränkte Unterstützung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben von allen Vorstandsmitgliedern und dem Chef des Aufsichtsrats, Hilmar Köpper.

Konzernchef Breuer war zwar angeschlagen, wurde aber nicht verstoßen. Er blieb bis Mai 2002 in seinem Amt, danach übernahm er den Vorsitz im Aufsichtsrat.

Können wir die heutzutage Bankberater trauen

Doch nicht nur bei den feinen Privatbanken können die Kunden den Beratern nicht trauen. Auch bei den normalen Geldinstituten herrscht mitunter ein merkwürdiges Gebaren, wie folgendes Beispiel zeigt.

Vor allem jüngeren Kunden mit guten Jobs und Karrierechancen rollen die Banken und Sparkassen gerne den roten Teppich aus. Wer monatlich feste Einkünfte hat, kann mit kleinen Zugaben rechnen: Da wird das Girokonto kostenlos geführt, und manches Institut zahlt auch eine kleine Anerkennung in Form eines Guthabenzinses auf dem Girokonto. Die Rechnung für die Banken geht aber erst auf, wenn der Kontoinhaber oder die Bankkundin auch die anderen Dienstleistungen des Instituts in Anspruch nimmt: also kräftig an der Börse spekuliert und alsbald ein stattliches Eigenheim oder eine luxuriöse Wohnung begehrt. Das lohnt sich für die Bank.
Für die Transaktionen im Wertpapierdepot des Kunden fällt immer ein gewisser Prozentsatz oder eine Gebühr für die Bank ab. Je mehr sich da bewegt, desto besser fürs Geschäft. Die Rendite des Kunden, ob sich die Schiebereien in seinem Portfolio wirklich lohnen, ist weniger interessant.

Da auch bei festangestellten Bankberatern im Private Banking ein Teil ihres Gehaltes vom Umsatz abhängig ist, den sie für die Bank erzielen, sind Kunden, die gerne an den Börse zocken, besser fürs Geschäft und fürs eigene Ein- und Fortkommen als konservative Anleger, die lieber an den Werten festhalten, die sie einmal gekauft haben.

Notfalls wird auch nachgeholfen. So wie im Fall einer Hamburgerin, die ihr Vermögen von der Dresdner Bank verwalten ließ. Eines Montagmorgens erhielt sie einen Anruf ihres Anlageberaters. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten kam der junge Mann zügig zur Sache. Er habe da zwei fabelhafte Investments, die er seinen besten Kunden vorschlagen wolle. Es gäbe in nächster Zeit zwei Börsendebüts von jungen Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien und Internetdienstleistungen. Das wäre doch gerade für sie eine gute Gelegenheit, eine stattliche Rendite zu erzielen und ihr Depot aufzufrischen.

Eigentlich wollte die Kundin keines ihrer Papiere veräußern. Doch sie ließ sich von dem Fachmann überreden, die Aktien eines Sportmodeherstellers zu verkaufen. Die hätten, wie der Mann der Dresdner erzählte, ohnehin den Höhepunkt erreicht und wenig Potenzial für weitere Kursgewinne. Also gut, die Frau nahm den Vorschlag ihres Beraters an, gab die Verkaufsorder für die Sportmodeaktien und zeichnete die neuen Aktien der Unternehmen, die in den nächsten Tagen auf den Markt gebracht werden sollten.

Eine Woche später rief sie bei ihrem Bankberater an, um sich nach dem Stand der Transaktionen zu erkundigen. Das Ergebnis war blamabel: Von den Aktien des Energieunternehmens hatte sie keine einzige bekommen, die Emission sei leider überzeichnet gewesen, wie ihr der Fachberater ohne ein Wort des Bedauerns mitteilte. Dafür saß sie nun auf den Papieren der Internetfirma, die nach der Börseneinführung sofort auf Talfahrt gegangen und auf einen Wert gefallen waren, der deutlich unter dem Ausgabekurs lag.
Als sie ihren Berater auf seine Fehlleistung ansprach, fand sie kein Entgegenkommen, nicht einmal den Hauch einer Entschuldigung, obwohl er sich grob verschätzt hatte. Dieser machte sie vielmehr darauf aufmerksam, dass ihr bekannt sein müsse, dass Aktiengeschäften immer auch ein gewisses Risiko anhinge. Besonders ärgerlich war, dass der Berater auch mit seiner dritten Prognose, zum Kurspotenzial der Sportmodeaktien, deutlich danebenlag. Die waren nämlich munter weiter geklettert.

Die Kundin hatte jedenfalls genug von der Vermögensberatung der Dresdner Bank und suchte sich ein anderes Institut.

Der Fall von DaimlerChrysler richtig verstehen

Der Weg des Daimler-Konzerns ins Chaos begann Mitte der 1980er Jahre. Damals leitete Edzard Reuter den Autohersteller und Alfred Herrhausen den Geldkonzern. Beide waren in ihren Organisationen Ausnahmeerscheinungen: eher Intellektuelle als Pragmatiker, eher Strategen als Taktiker, und beide äußerst eloquent, wenn es ihren Interessen diente. Auch nach der politischen Farbenlehre bildeten sie ein interessantes Gespann. Reuter, der Sohn eines ehemaligen Berliner Bürgermeisters, stand der SPD nahe, und Herrhausen, der Quereinsteiger ins Bankgewerbe, war einer der wenigen Wirtschaftsmänner, deren Rat der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl suchte und gelegentlich befolgte.

Im Jahr 1987 hatten Herrhausen und Reuter eine schwierige Entscheidung zu treifen. Der damals noch staatseigene Flugzeugbauer MBB, der auch für den deutschen Anteil an der europäischen Airbus-Produktion zuständig war, sollte privatisiert werden. Und Reuter wollte ihn haben. MBB war genau das Unternehmen, das Reuters Expansionspläne für Daimler und den nachfolgenden Konzernumbau deutlich voranbringen könnte. Reuter wollte den Hersteller von Nobellimousinen, Bussen und Lastwagen in einen integrierten Technologiekonzern umformen.
Doch Herrhausen gefiel der Plan nicht, er hielt das Risiko für das Unternehmen für zu groß. MBB würde Daimler durch Rüstungsaufträge zum Spielball politischer Entscheidungen machen. Außerdem hatte Daimler durch die Übernahme des Flugzeugherstellers Dornier und der angeschlagenen AEG kaum noch Managementkapazitäten frei. Doch Reuter konnte den Banker überzeugen. Daimler übernahm MBB – wie sich bald zeigen sollte mit fatalen Folgen.
Herrhausen wurde im November 1989 von der RAF ermordet, Reuter führte den Konzern bis Mai 1995, Aufsichtsratsvorsitzender wurde Hümar Köpper, Herrhausens Nachfolger in der Führung der Deutschen Bank.

Am 22. Mai 1996 mussten dann Daimler-Chef Jürgen Schrempp und der Aufsichtsratsvorsitzenden des Schwäbischen Traditionskonzerns, Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Köpper, auf der Hauptversammlung des Daimler-Konzerns den Aktionären den schlechtesten Jahresabschluss sowie den höchsten Verlust in der Unternehmensgeschichte verkünden. Bei einem Umsatz von 103,5 Milliarden € hatte die Daimler-Benz AG 1995 den Rekordverlust von 5,7 Milliarden € eingefahren. Die Luft- und Raumfahrttochter DASA kam auf ein Minus von 4,2 Milliarden € und die AEG auf ein Defizit von 2,3 Milliarden €. Die Belegschaft war im vorangegangenen Geschäftsjahr um sechs Prozent auf 311000 Beschäftigte gesunken.

Auf diesen Jahrestreffen stimmen die Anteilseigner auch über die Entlastung des Vorstands ab. Im Fall Daimler-Benz AG war das im Mai 1996 allerdings keine Routineangelegenheit. Im Gegenteil – der Krach schien programmiert: Kleinaktionärsvertreter hatten schon vor der Versammlung gedroht, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Die drei Großbanken – Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank – hatten darauf verzichtet, den Kleinaktionären eine Empfehlung zur Stimmabgabe zu geben. Die Depotkunden sollten ihren Banken vielmehr konkrete Anweisungen geben, ob sie der Entlastung des Vorstands zustimmen wollten. Im Klartext: ob sie mit der Art und Weise, wie der Vorstand die Geschäfte im Jahr 1995 geführt hatte, einverstanden waren.

Schon dieser Verzicht der Banken auf die Ausübung des Depotstimmrechts galt als höchst ungewöhnlich. Würde dem Vorstand die Entlastung verweigert, wäre die Daimler-Führung verwundbar – enttäuschte Aktionäre könnten beispielsweise Schadensersatzforderungen gegen sie anstrengen. Grund für massiven Ärger gab es allemal. Für die Anteilseigner glich das vergangene Geschäftsjahr einer Achterbahnfahrt: Erst hatte ihnen der scheidende Vorstandsvorsitzende Edzard Reuter im Mai 1995 strahlende Gewinne von einer Milliarde € und eine glänzende Zukunft versprochen. Dann sorgte Reuters Nachfolger und Ziehsohn Schrempp wenige Wochen nach seiner Amtsübernahme dafür, dass die Hoffnungen der Aktionäre auf üppige Dividenden und steigende Aktienkurse wie Seifenblasen zerplatzten. Nur sechs Wochen nach seinem Amtsantritt revidierte er die Ergebnisprognose seines Vorgängers: Statt hoher Gewinne wurde erst ein Verlust von 300 Millionen € angekündigt, der im Laufe des Jahres immer größere Dimensionen annahm, bis schließlich ein Jahr nach Reuters froher Botschaft ein Megaverlust von 5,7 Milliarden € ausgewiesen wurde.

Spätestens da fragten sich viele: Wo waren die Aufsichtsräte, als die fatalen Beschlüsse gefasst wurden, die dem Konzern Milliardenverluste bescherten? Auf solche Fragen pflegte Schrempp schlichte, allzu einfache Antworten zu geben: Der Einstieg bei Fokker sei sicher sein Fehler gewesen, den er zwar spät erkannt, dann aber unverzüglich korrigiert habe. Doch bis zum Mai 1995 sei Reuter der Chef gewesen – da hatte er, der Nachfolger, nichts zu sagen. Erst danach habe er seinen eigenen Kurs einschlagen können.

Der Aufsichtsratschef Köpper, der auch den mit einem Anteil von 22 Prozent größten Einzelaktionär des Konzerns – die Deutsche Bank — repräsentierte, hatte es vorgezogen, zu den Vorgängen bei der Daimler-Benz AG im Sommer 1995 zu schweigen. Köppers Position wurde immer unerfreulicher, als sich im Laufe des Schreckensjahres die Hinweise verdichteten, dass die Finanzabteilung bei Daimler die aus dem Februar 1995 erstellte Prognose schon Mitte Mai 1995, also deutlich vor Reuters Auftritt auf der Hauptversammlung, bei der er noch einen Milliardengewinn prognostizierte, nach unten korrigiert hatte. In einem internen Papier wurde schon frühzeitig vor einem Verlust von 300 Millionen € gewarnt.

Dies warf unangenehme Fragen für den neuen Chef und seinen Kontrolleur auf: Wie konnte es passieren, dass keiner Reuter in den Arm gefallen war, als er die glänzenden Gewinne in Aussicht stellte?

Der Aufsichtsratsvorsitzende rückte immer mehr ins Schussfeld der Kritik. Immerhin hatte er Reuters Vertrag über die Pensionsgrenze hinaus verlängert, obwohl dessen Politik, den Autokonzern durch die Übernahmen von AEG, MBB, Dornier und Fokker in einen Hightechkonzern zu verwandeln, von Anfang an umstritten und seit Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands zum Scheitern verurteilt war.

Warum also hatte dann Köpper nicht früher interveniert und die horrende Wertvernichtung beendet?
Im Mai 1996 ging es Schrempp und Köpper darum, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen und das Interesse der erbosten Aktionäre auf die Zukunft zu richten. Die würde, wie Schrempp stets betonte, so glänzend sein, dass die Anteilseigner wieder mit Stolz auf ihr Unternehmen blicken könnten. Überhaupt sollte künftig der Gewinn für den Aktionär – neudeutsch als Shareholder Value bezeichnet – die oberste Handlungsmaxime im Konzern sein.

Um den zukünftigen Profit zu sichern, wurden unter Schrempps Führung bereits Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut, alte Werke im Inland geschlossen und neue Fabriken im Ausland aufgemacht. So wurde ein neues Mercedes-Werk in Brasilien gebaut, weil dort – so rechnete der Hausherr in der Möhringer Konzernzentrale vor – die Montage der Autos um 30 Prozent billiger sei.

Für Schrempp zählten damals nur die harten Fakten. Mit übergeordneten Zielen – wie der Verantwortung für Arbeitsplätze in Deutschland, dem Erhalt des sozialen Friedens oder der Zukunft des Industriestandorts Deutschland – durfte ihm keiner kommen.
Ganz cool, pragmatisch vom Scheitel bis zur Sohle – so sieht sich Jürgen Schrempp am liebsten: als standfester Wirtschaftslenker, der jeder Situation auf dem glatten Parkett des internationalen Business gewachsen ist. Ein bisweilen hemdsärmeliger Industriestratege, der auch handfeste Auseinandersetzungen nicht scheut. So gefiel er auch seinem Aufsichtsratsvorsitzenden.
Köpper hatte schon früh auf Schrempp gesetzt, dessen Aufstieg an die Spitze des Konzerns stets gefordert und verteidigt. Er kam mit dem Praktiker Schrempp besser aus als mit dem intellektuellen Visionär Reuter.

Das Führungsduo verband neben den gemeinsamen Zielen auch eine ähnliche Karriere. Beide hatten ihr Handwerk von der Pike auf gelernt, als Lehrlinge. Der eine bei der Bank, der andere bei Daimler. Theoretische Diskurse, politische Ambitionen oder auch nur eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Macht und dem Einfluss, den beide Institutionen schon aufgrund ihrer schieren Größe ausübten, waren ihnen fremd.
Köpper beendete solche Diskussionen gerne mit dem Hinweis, dass er beim Thema Macht schon die Bartwickelmaschine im Keller höre. Am Ende zählte nur, davon waren die beiden Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft überzeugt, was unter dem Strich herauskommt.
Das war an jenem Maitag im Jahr 1996 wenig genug. Wer beim Amtsantritt von Edzard Reuter eine Daimler-Aktie im Wert von 1100 € gekauft hatte, musste bis 1995 bei dessen Abschied von der Konzernspitze einen Verlust von 400 € hinnehmen. Gemessen an der Entwicklung des Deutschen Aktienindex in diesem Zeitraum betrug der Wertverlust aller Daimler-Aktionäre 36 Milliarden €.
Um die gebeutelten Aktionäre zu beruhigen und einen Aufstand der wütenden Kleinanleger zu verhindern, war Köpper sich für keinen Trick zu schade. Rund 60 Wortmeldungen lagen vor, doch Köpper verstand es, die kritischen Beiträge unabhängiger Redner und die rhetorisch geschickten, konstruktiven Appelle von Managern aus Konzerntochtergesellschaften der Deutschen Bank gut zu koordinieren.

Das Ergebnis der Abstimmung, die wegen der vielen Anträge erst gegen 23 Uhr stattfand, bescheinigte ihm den Erfolg seines Versammlungsmanagements: 98 Prozent der Anwesenden hatten Vorstand und Aufsichtsrat entlastet.
Allerdings hat Köpper auch bei diesem Ergebnis, das an frühere Wahlen zum Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der
Sowjetunion erinnerte, nachgeholfen: Die Stimmenthaltungen lagen bei 20 Prozent. Dabei handelte es sich zumeist um Vertreter der Banken, die von ihren Depotkunden keine Anweisung für die Stimmabgabe erhalten hatten. Bei der Abstimmung über die Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat wurden diese Voten jedoch nicht berücksichtigt.
Mit der Hauptversammlung war allerdings die Feuerprobe noch nicht zu Ende. Der Konzern wurde umgekrempelt. Die Holdingstruktur mit der Dachgesellschaft Daimler-Benz AG, die Reuter eingeführt hatte, um den integrierten Technologiekonzern, dessen Produktpalette vom Airbus bis zur Kaffeemaschine reichte, fuhren zu können, wurde zurückgenommen.

Schrempp wollte das Konglomerat wieder auf den Kernbereich, die Produktion von Autos und Nutzfahrzeugen, zurückführen. Der Auflösung der Mercedes-Benz AG stand allerdings Helmut Werner, Chef der Fahrzeugsparte, im Wege. Werner wollte die Selbständigkeit dieses Bereichs und seinen Posten wahren. Er versuchte, sich mit seinen Vorstandskollegen bei Mercedes der Integration der Mercedes-Benz AG zu widersetzen.

Doch er hatte Schrempp, der sein erstes Jahr als Daimler-Benz- Chef nur mit erheblichen Blessuren überstanden hatte, unterschätzt. Der Daimler-Chef erfreute sich noch immer des ungeteilten Wohlwollens seines Aufsichtsratschefs Köpper. Überdies hatten Köpper und Schrempp den Coup geschickt eingefädelt.
Die wichtigsten Männer bei Mercedes, Jürgen Hubbert und Dieter Zetsche, wurden einbezogen. Bereits im Winter 1995 hatten die beiden Spitzenkräfte eindeutige Angebote bekommen: Beide sollten in den neuen Zentralvorstand der Daimler Benz AG aufrücken, Hubbert als Verantwortlicher für das gesamte Pkw-Geschäft, Zetsche als Chef des Vertriebs. Auch den Chef der Nutzfahrzeugsparte Kurt J. Lauk, den Personalvorstand Heiner Tropitzsch und den Topentwickler Klaus-Dieter Vöhringer ereilte der Ruf in den neuen zehnköpfigen Vorstand der Daimler-Benz AG.
Aufsichtsratschef Köpper sorgte dafür, dass die Umstrukturierung, die monatelang den Flurfunk und die Gerüchteküche im Konzern belebt hatte, im obersten Kontrollgremium keinen Schiflbruch erlitt. Am 23. Januar 1997 sollte der Aufsichtsrat über den neuen Vorstand befinden. Am 17. Januar informierte Köpper die Aufsichtsräte vorab schriftlich, dass der Präsidialausschuss die fünf neuen Vorstandsmitglieder zur Zustimmung empfiehlt.
Damit hatte sich der Aufsichtsrat gegen den bisherigen Mercedes-Chef Werner entschieden.

Ohne Köpper im Rücken hätte Schrempp die ersten beiden Jahre seiner Amtszeit kaum überstanden: Er ist ein unglaublicher Gentleman – er regiert nicht in meine Geschichte rein und ist da, wenn ich ihn brauche, lobte der Daimler-Chef seinen obersten Kontrolleur.

Das blieb auch so, als Köpper im Mai 1997 in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank wechselte und dort den Vorsitz übernahm. Sein Nachfolger Rolf Breuer verzichtete – auch das war ein Novum in der Geschichte der Deutschen Bank – auf das Daimler- Mandat. So konnte sich Schrempp, als er im Frühjahr 1998 die Hand nach Chrysler ausstreckte, auf Köpper verlassen. Offiziell eingeweiht wurde der Aufsichtsratschef in die Mission Gamma – wie die Fusion von Daimler und Chrysler intern genannt wurde -, als das Projekt kurz vor dem Abschluss stand.

Der Entschluss, mit Chrysler über eine Partnerschaft zu sprechen, war bereits im August 1997 gefasst worden, als die US-Investmentbank Goldman Sachs ein erstes Konzept vorgelegt hatte. Monatelang verhandelte Schrempp mit Chrysler-Chef Bob Eaton. Doch erst am 19. April 1998 stattete er zusammen mit Chrysler-Chef Eaton dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Köpper in dessen Privathaus offiziell einen Besuch ab.

Dennoch spielte Köpper in den letzten drei Wochen vor der öffentlichen Bekanntmachung der Megafusion eine bedeutende Rolle, berichten die FHZ-Journalisten Holger Appel und Christoph Hein in ihrem Buch Der DaimlerChrysler-Deal: Er hat uns immer vorangetrieben und Mut gemacht, wenn alles zu scheitern drohte, zitieren die beiden Autoren ein Mitglied aus der Projekt-Gamma-Truppe.

Sein Meisterstück legte Köpper jedoch hin, als die Verhandlungen kurz vor der Unterzeichnung zu kippen drohten. Eaton verlangte eine Absicherung von der deutschen Kapitalseite. Köpper gelang es, Zusagen von den Anteilseignern der Daimler-Benz 1 AG noch vor dem 6. Mai beizubringen. Ohne Köpper wäre der Deal gescheitert, er hat sich, sensationell verhalten, sagten Gamma-Projekt-Mitarbeiter.
Köpper wurde für sein Engagement mit dem Aufsichtsratsvor- ; sitz der neuen DaimlerChrysler AG belohnt. Er sorgte aber auch dafür, dass die Deutsche Bank bei diesem Superprojekt doch zum Zuge kam, wonach es zuerst nicht aussah. Sozusagen im letzten Augenblick wurden Investmentbanker der Deutsche-Bank-Tochter Morgan Grenfell ins Team geholt. Immerhin sollen sie für ihren kurzen Einsatz 60 Millionen Dollar erhalten haben. Insgesamt dürften die Investmentbanken knapp 250 Millionen € für ihre Arbeit beim Zusammenschluss kassiert haben.

In den ersten Monaten nach dem spektakulären Deal, der am 7. Mai 1998 unterschrieben wurde, schwärmten die Akteure von ihrem Werk nur in den höchsten Tönen. Als Hochzeit im Himmel feierte Daimler-Chefjürgen Schrempp die Fusion mit Amerikas drittgrößtem Autokonzern. Durch das Zusammengehen von Daimler und Chrysler war auch der drittgrößte Automobilkonzern der Welt entstanden. Er produzierte mit 421000 Beschäftigten 4,2 Millionen Fahrzeuge pro Jahr und erzielte einen Umsatz von mehr als 132 Milliarden Dollar.

Die Partnerschaft begeisterte auch die Analysten der internationalen Bankenszene: Die beiden Konzerne würden sich gut ergänzen. Schrempp ließ gelegentlich – wenn auch eher rhetorisch – etwas Skepsis anklingen: Der Faktor Mensch könnte den erfolgreichen Bestand der Elefantenhochzeit noch gefährden. Bewähren musste sich der himmlische Bund schließlich auf der Erde, und da lauerten viele Gefahren.
In den Unternehmen begannen die unteren Führungskader gleich nach der Verkündung des Coups um Posten und Pfründe zu rangeln, statt sich, wie vom Vorstandschef gewünscht, um die Integration der Mitarbeiter in das neue deutsch-amerikanische Unternehmen zu kümmern.
Als der erste Jubel verhallt war, begannen auch Experten aus der Autobranche den Megadeal zwischen Daimler und Chrysler, mit dem sich die beiden Unternehmen für die künftigen Herausforderungen in der Automobilbranche wappnen wollten, kritischer zu sehen und als Auftakt für einen tiefgreifenden Umbruch im weltweiten Automarkt zu begreifen.

Die Fusion hat die Gesetze der Branche weltweit total verändert, sagte Daniel T. Jones, britischer Autor mehrerer Bücher über die Automobilindustrie. Weitere Fusionen und Übernahmen werden die Zahl der Konzerne in diesem Bereich reduzieren. Die Konzentration werde sich erhöhen. Das war keine leere Prophezeiung: Damals buhlten gerade BMW und VW um den britischen Autokonzern Rolls-Royce. Renault hatte die Mehrheit bei Nissan übernommen und Ford baute um die Luxusmarke Jaguar die Premier Auto Group auf.

Schrempp und Köpper bereiteten ebenfalls ihren nächsten Coup vor. Im Herbst 2000 verkündete Schrempp die Übernahme von 34 Prozent an der Mitsubishi Motor Company. Obwohl die Chrysler-Übernahme noch nicht verdaut war, schickten Köpper und Schrempp den Konzern in ein neues Abenteuer.
Mit Mitsubishi sollten nun auch die asiatischen Märkte aufgerollt werden.
Auch dieser Akquisition stimmte der Aufsichtsrat offenbar ohne Zögern zu, obwohl Daimler schon einmal – noch zu Reuters Zeiten – einen Versuch unternommen hatte, mit diesem japanischen Industriekonglomerat zu kooperieren und schließlich gescheitert war.

Warum also waren sich Vorstand und Aufsichtsrat im Herbst J 2000 so sicher, dass DaimlerChrysler mit Mitsubishi zusammen – arbeiten könnte? Schrempp hatte darauf nur eine Antwort: Er | beschwor immer wieder seine Vision von einer Welt AG, die in allen Märkten dieser Welt zu Hause ist.

Mit Vollgas startete DaimlerChrysler in die Krise. Statt wachsender Umsätze und glänzender Gewinne bescherten die neuen Töchter Schrempps Welt AG Milliardenverluste. Unausgelastete Fabriken und veraltete Modelle zehrten an den stattlichen Profiten, die der Kernbereich Mercedes-Benz erzielte.