In den Fängen der Kredithaie der Banken und Sparkassen

Umworben werden die Kunden mit allen Mitteln – mit verführerischen Worten: Erfüllen Sie sich Ihre Träume jetzt – mit einem persönlichen Kredit bei uns – Lebe jetzt, zahle später. Oder auch mit der Binsenweisheit: Geld gibt es bei allen Banken und Sparkassen.

Wer die Angebote der Geldwirtschaft allzu wörtlich nimmt, findet sich nicht selten in einem Alptraum wieder. Da wird mit günstigen Zinsen gelockt, mit Verfügbarkeit für alle geworben und schnell ein Kreditvertrag aus der Schublade gezogen, der den ahnungslosen Kunden auf Jahre knebelt. Die Kundenberatung der Kreditabteilungen lässt sehr zu wünschen übrig, zu diesem Ergebnis kam die Stiftung Warentest bei der Überprüfung von 13 Banken. Nach 91 Testgesprächen schnitt mehr als die Hälfte der Banken gerade mal ausreichend ab, manche sogar noch schlechter.
Die Tricks der Banken beginnen meist schon bei der ersten Beratung, wenn sich der Kunde nach den Konditionen eines Ratenkredits erkundigt. Gerne wird mit der Auskunft auch eine Anfrage an die Schufa herausgegeben.

Die Schutzgemeinschaft für Allgemeine Kreditsicherung gibt Auskunft über die Bonität der Deutschen. Alle Zahlungsverzögerungen, Mahnverfahren und Pfändungen der Bürger werden dort in einem Register erfasst. Banken nutzen das privatwirtschaftlich organisierte Institut, um Daten über die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden zu erhalten. Oft werden aber bereits bloße Anfragen eines Kunden nach den Kreditkonditionen zur Prüfung der Kreditwürdigkeit an die Schufa weitergereicht und dort gespeichert. Das schadet dem Kunden. Kommt der Vertrag nämlich nicht zustande – aus welchen Gründen auch immer -, bleibt die Anfrage in den Schufa-Akten und mahnt bei der nächsten Anfrage zur Vorsicht.

Offiziell müssen zwar Bankmitarbeiter vor einer Schufa- Auskunft das Einverständnis des Betroffenen einholen. Doch viele halten sich nicht daran, obwohl dies einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz darstellt. In der Regel kommen sie damit ungeschoren davon, denn die Kunden wissen ja nichts von dieser Anfrage. Die Redakteure der Zeitschrift Finanztest stellten fest, dass sich die Mitarbeiter von sieben der untersuchten dreizehn Institute nicht um die Datenschutzbestimmungen scherten.

Dabei ginge es auch anders: Statt der Prüfung auf Kreditwürdigkeit kann seit 2006 nur eine Anfrage nach den Kreditkonditionen gestellt werden, die nicht eingetragen wird. Diese Möglichkeit wurde jedoch bei den Testgesprächen nicht genutzt.
Doch das ist noch lange nicht alles. Nur zu gerne werden den Kreditnehmern teure Versicherungen verkauft. Restschuldversicherung heißt dieses Folterinstrument, dass die Banken selbst bei niedrigen Krediten in Höhe von 5000 oder 10000 Euro Kunden mit mittleren und kleineren Einkommen aufdrängen. Dann muss der Kreditnehmer nicht nur die Raten für den Kredit bezahlen, sondern auch die Prämien für eine teure Versicherung. Er wird allerdings oft über die wahren Kosten seiner Verpflichtung beim Vertragsabschluss im Unklaren gelassen, stellte sich bei den Beratungsgesprächen heraus, die die Tester von Finanztest führten. Mancher Antragsteller erhielt nicht einmal ein schriftliches Angebot oder Auskunft über den Effektivzins.

Wie solche Verträge aussehen und wie sie sich auswirken, demonstrierten die Verbraucherzentralen auf einer Pressekonferenz am 29. Januar 2007. Dabei legten sie eine Dokumentation vor, in der 200 Bankkunden eidesstattlich versicherten, dass und wie sie abgezockt worden waren.

Mehr als die Hälfte aller Fälle betraf Kreditverträge, die nur zustande gekommen waren, nachdem der Kreditnehmer ausdrücklich dem Abschluss einer Restschuldversicherung zugestimmt hatte. Mit anderen Worten: Ohne diese Absicherung für die Bank hätte es keinen Kredit gegeben.
Zwei Drittel dieser Knebelungsverträge waren von Mitarbeitern der Citibank abgeschlossen worden. Aber auch bei der HypoVereinsbank, der früheren Norisbank und der Santander Consumer Bank schien diese Praxis Usus zu sein, wie die Verbraucherschützer festgestellt hatten.

Lukratives Spiel mit der Angst bei den Immobiliengeschäften

Dubiose Immobiliengeschäfte zur Kapitalvernichtung haben hierzulande trotz aller Pleiten und Bankenkrisen immer noch oder schon wieder Konjunktur. Eigentumswohnungen werden den Kunden als Anlageobjekte zur Altersvorsorge angepriesen. Unter dem Etikett Erwerbermodell werden jedoch nicht gerade die Filetstücke des Immobilienmarkts an den Mann oder die Frau gebracht. Die cleveren Verkäufer nehmen die potenziellen Opfer, meist Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen, in die Zange, schüren deren Angst vor Altersarmut, locken mit niedrigen monatlichen Raten und großzügigen Steuervorteilen.

Und obwohl schon in der Vergangenheit viele Anleger mit solchen Erwerbermodellen bereits ihr Erspartes verloren haben, feiert die Branche gerade ein beachtliches Comeback, hat Verbraucheranwalt Jochen Resch kürzlich festgestellt. Er warnt: Man steigt seit einiger Zeit wieder neu ins Geschäft ein. Der Markt erlebt einen enormen Aufschwung in den letzten Monaten.

Den jüngsten Fall schilderte das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus am 26. Juni 2007: Familie Gauss staunt nicht schlecht. Eine Immobilie für schlappe 25 Euro im Monat. Dank Mieteinnahmen und Steuervorteil lasse sich die 100 000-Euro-Wohnung zum Spottpreis finanzieren. Und das ohne Eigenkapital und ohne Risiko. Achim Gauss erinnert, sich an das Verkaufsgespräch: Wir haben zwei, drei Mal nachgefragt, aber es hieß immer: Nein, es bleibt bei 25 Euro. Sollten wir arbeitslos werden, sollten wir Mietausfall haben, unsere maximale Belastung belaufe sich auf 25 Euro. Mit solchen Rechnungen ziehen Immobilienvermittler durch ganz Deutschland.

Auftrieb bekamen die Banken und ihre Immobilienvermittler, die meistens mit den Kundenberatern durch hohe Provisionsvereinbarungen innig verbunden sind, durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 20.03.2007 (AZ XI ZR 414/04). Es ging um den Fall der Bausparkasse Badenia, die mit Hilfe der Vermittlerfirma Heinen & Biege in den 1990er Jahren Tausenden von Kunden überteuerte Wohnungen verkauft hatte. Nach Schätzungen des Heidelberger Rechtsanwalts Hans Witt, der rund 100 Bausparkassen-Opfer vertritt, gibt es etwa 10000 Kunden der Badenia, die in den 1990er Jahren sogenannte Schrottimmobilien erworben haben. Nach Branchenschätzungen handelte es sich dabei um rund 7000 Eigentumswohnungen, die durch die Kooperation zwischen der mittlerweile insolventen Firma Heinen & Biege und der Badenia vermittelt und finanziert wurden. Bundesweit geht es nach Schätzungen um 300000 Fälle mit einem Gesamtschaden von bis zu 40 Milliarden Euro.

Zu den Opfern von Heinen & Biege zählte auch eine junge Frau. Sie erwarb 1997 eine Eigentumswohnung, die sie mit Hilfe der Bausparkasse Badenia finanziert. Als sie die Wohnung kaufte, war die Polizistin erst 21 Jahre alt, ihr Jahreseinkommen betrug damals 33000 €, ihre Ersparnisse 1000 €. Sie wurde von Vermittlern der Heinen-&-Biege-Gruppe in einem Beratungsgespräch mit Hilfe einer Beispielrechnung dazu gebracht, eine knapp 90000 € teure Eigentumswohnung zu kaufen. Hierfür unterschrieb sie einen Darlehensantrag über 100000 € und eine Vollmacht zum Abschluss von zwei Bausparverträgen über jeweils 50000 €.

Die Vermittler besuchten die spätere Käuferin zu Hause und vermittelten ihr sowohl den Kauf der Eigentumswohnung als auch die Finanzierung. Kaufpreis und Nebenkosten wurden dann durch ein Darlehen einer Bank finanziert, zur späteren Tilgung des Kredits wurden zwei Bausparverträge mit unterschiedlichen Zuteilungszeitpunkten bei der Badenia abgeschlossen. Bei der Immobilie handelte es sich wie in vielen anderen Fällen um ein Objekt des sozialen Wohnungsbaus, gebaut zwischen 1950 und 1970.

Durch einen sogenannten Mietpool wurde der Käuferin vorgetäuscht, dass die Mieteinnahmen abgesichert seien. Sie musste diesem Pool beitreten, dessen Zweck es war, das Einzelrisiko des Wohnungskäufers auf Ausfall der Mieteinnahmen gleichmäßig auf alle an diesem Pool beteiligten Eigentümer zu verteilen. Oft waren Ausschüttung aus dem Mietpool und tatsächliche Miete verdächtigerweise absolut identisch.

Am Ende gab es weder die zugesicherte Steuerersparnis noch die versprochenen Mieteinnahmen, und viele Käufer gerieten an den Rand der Privatinsolvenz. Kunden, die ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, wurden von der Badenia gnadenlos mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verfolgt. Vier von ihnen haben Selbstmord begangen, als sie keinen Ausweg mehr sahen. Sie hatten keine Möglichkeit, jemals von ihrem Schuldenberg herunterzukommen, und empfanden die Pfändungen als Schande.

Der Fall der Polizeibeamtin beschäftigte jedenfalls die Gerichte – zunächst mit Aussicht auf Erfolg für die Klägerin. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 15 U 4/01) sprach ihr 2004 Schadenersatz aus dem Immobilienkauf zu. In ihrem Urteil bezogen sich die Richter auf die Schäden, die der Käuferin aus den Finanzierungsverträgen, dem Mietpool-Vertrag sowie dem Wohnungskaufvertrag entstanden sind. In der 63 Seiten umfassenden Begründung konzentrierte sich das OLG Karlsruhe im November 2004 vor allem auf die unterbliebene Aufklärung der Käuferin durch die Bausparkasse und auf die Haftung des Institutes wegen Beihilfe zum Betrug. Die Richter verurteilten die Badenia zum Schadenersatz, der Immobilienkauf sollte rückabgewickelt und die Klägerin von der Darlehensschuld freigestellt werden.

Für die Bausparkasse war das eine unangenehme Überraschung. Nur in etwa 300 Fällen sei Badenia verklagt worden, ließ das Management der Bausparkasse verbreiten. In 81 von 82 Zivilprozessen habe sie sich gegen geschädigte Kunden durchgesetzt. Bei den rund 300 Fällen, die unter anderem durch die Entwicklung des Immobilienmarktes zu Problemen geführt hätten, werde derzeit intensiv an für alle Seiten tragfähigen Lösungen gearbeitet. Die Badenia bewege sich absolut im branchenüblichen Rahmen und habe nur etwa drei Prozent der in dem Interview genannten 300 000 Immobilen finanziert.

Badenia-Chef Dietrich Schröder erklärte in der ZDF-Sendung Mona Lisa am 30. Oktober 2004, was er von den Beschwerden und Klagen seiner Kunden hielt: Der Vermittler damals hat gesagt, brauchst dich darum nicht zu kümmern, brauchst auch kein Geld zu haben. Das regelt sich alles von selber. Und lass 20 Jahre rumgehen, dann gehört dir die Hütte und du hast ’ne prima Altersversorgung. Und dann frag ich mich immer: Wer ist denn so blauäugig? Denn – wenn das zuträfe – dann kann er sich die ganze Bundesrepublik kaufen.

Böse Überraschung für die Banken in Deutschland in den 90er Jahren

Wenige Wochen nach dem glanzvollen Start entdeckte der Chef der neuen Bank, Albrecht Schmidt, dass Eberhard Martini, sein neuer Partner, Kreditrisiken bei Immobiliengeschäften in Höhe von 3,5 Milliarden € nicht angegeben hatte. Diese Wertberichtigungen hätten im Jahresabschluss 1997 berücksichtigt werden müssen.
Schmidt war persönlich tief erschüttert und machte aus seiner Verärgerung keinen Hehl: Ich habe eine bittere Enttäuschung erlitten und eine gehörige Wut im Bauch, erklärte der Bankchef. Er war vor allem bemüht, den Verdacht, er habe von der Schieflage im Immobiliengeschäft schon während der Fusionsverhandlungen erfahren, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Ein Versagen dieses Ausmaßes habe er sich nicht vorstellen können, tobte Schmidt und forderte personelle Konsequenzen.

Allerdings waren die Risiken, die im aus dem Ruder gelaufenen Immobiliengeschäft der Hypobank lauerten, offenbar auch der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft WEDIT nicht aufgefallen. Der Vorstand habe die entsprechenden Unterlagen nicht herausgegeben, versuchten sich die Prüfer später der Verantwortung zu entziehen.
Am 30. Oktober verkündete Martini forsch: Der 1997er Abschluss war in Ordnung. Einen Rücktritt von seinem Aufsichtsratsmandat lehnte er ab. Im November wurde der verbale Schlagabtausch zwischen den beiden Topbankern heftiger, die Angriffe peinlicher. Martini i nahm sich den neuen Großbankchef zur Brust: Schmidts Charakter ist vom Ehrgeiz zerfressen, so ein Mann kann keine Bank führen.

Die weitere Eskalation wäre vielleicht noch vermeidbar gewesen, wenn der Aufsichtsrat konsequente Aufklärungsarbeit geleistet hätte, schrieb das Manager Magazin im Mai 1999. Doch dazu konnte sich das Kontrollgremium nicht durchringen, obwohl – wie das Hamburger Wirtschaftsmagazin berichtete – einer der Räte, DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp, dringend empfahl, die Angelegenheit transparent aufzuarbeiten. Schließlich wisse er aus eigener Erfahrung, was es bedeute, mit unangenehmen Wahrheiten an die Öffentlichkeit zu gehen.
Doch den Mitgliedern des Aufsichtsgremiums ging es offenbar j weniger um das Image der Bank als vielmehr um das Ansehen der | Banker, genauer um das der Hyponesen, wie die Mitarbeiter der J ehemaligen Hypobank von den Vereinsbankern intern genannt j wurden. Aufsichtsratschef Klaus Götte suchte einen Kompromiss, der den Hypobankern half, das Gesicht zu wahren, und dem die verärgerten Vereinsbanker im Vorstand gerade noch zustimmen konnten.

So einigten sich die Räte schließlich darauf, die 3,5 Milliarden-€-Schieflage als außerordentliche Wertberichtigung des Jahres 1998 auszuweisen, die sich durch einen Methodenwechsel bei der Risikobewertung ergeben habe, zitierte das Manager Magazin. Danach sprach der Aufsichtsrat, wie es im gehobenen Wirtschaftskreisen üblich ist, dem gesamten Vorstand sein Vertrauen aus.

Im Januar 1999 versuchte Ex-Hypobanker Martini, seinen Widersacher Schmidt auszuhebeln. Als über die Verlängerung von Schmidts Vertrag beraten werden sollte, war Martini dagegen und versuchte auch seine Ratskollegen davon zu überzeugen, dass Schmidt nicht der richtige Mann für die neue Bank sei. Mit dieser Meinung stand Martini allerdings allein – Schmidts Vertrag wurde mit überwältigender Mehrheit von 19:1 Stimmen verlängert.

Im Februar 1999 stellte die HypoVereinsbank die Ergebnisse des Fusionsjahres 1998 vor. Bankchef Schmidt kündigte einen radikalen Sparkurs an, vor allem die Immobiliensparte und das Kreditgeschäft wurden drastisch zurückgenommen. Der Kampf der beiden Topbanker Schmidt und Martini zog sich hin. Im März beschloss der Aufsichtsrat, eine Sonderprüfung des Immobilienbereichs zu veranlassen.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Götte trat schließlich am 20. März 1999 zurück. Als seinen Nachfolger holte der Großaktionär Allianz im April 1999 den Ex-Vize-Präsidenten der US- Investmentbank J.P. Morgan, Klaus Viermetz, ins Boot. Viermetz, einer der wenigen Deutschen, die an der Wallstreet Karriere gemacht haben, kannte Schmidt und die Bank. Er hatte den Hypo- Vereinsbank-Chef 1997 bei der Abwehrstrategie gegen die Deutsche Bank und bei der Übernahme der Hypobank beraten.

Der neue Aufsichtsratsvorsitzende hatte viel zu tun.
Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre forderte eine Ausgleichszahlung für die früheren Vereinsbank-Anteilseigner. Der Wert der Hypobank sei schließlich geringer gewesen, als bei der Berechnung des Aktientauschverhältnisses angenommen worden war. Auf der Hauptversammlung am 6. Mai 1999 machten die 1 privaten Anteilseigner der HypoVereinsbank ihrem Ärger Luft. 1 Seit dem Immobilienskandal im Herbst 1998 hatten ihre Aktien i ein Drittel ihres Werts verloren. Gemessen an der Börsenkapitalisierung der Bank waren 17 Milliarden € vernichtet worden.
Zehn Stunden wurde debattiert. Nur dank der geschickten Moderation von Aufsichtsratschef Viermetz konnte der Eklat verhindert und ein Kompromiss erzielt werden: Über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sollte erst entschieden werden, wenn das Ergebnis der Sonderprüfung vorlag, für die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO engagiert wurde.

Als BDO drei Tage vor der Aufsichtsratssitzung am 26. Oktober 1999 das Gutachten präsentierte, bestätigte sich der Verdacht. Die Risiken aus den Immobiliengeschäften waren noch höher ausgefallen als ursprünglich angenommen: Der Fehlbetrag lag 3 nach Bewertung durch die Prüfer bei 3,6 Milliarden €. Bankchef Schmidt sah sich rehabilitiert und begann eine schonungslose Abrechnung mit den Hypobankern im neuen Bankvorstand.

Ex-Hypobank-Chef Eberhard Martini musste sein Aufsichtsratsmandat zurückgeben. Sein früherer Finanzchef Werner Ministermann, der für die Bilanz verantwortlich war, wurde ebenfalls I seines Amtes, der Leitung der Hamburger HypoVereinsbank-Tochter Vereins- und Westbank, enthoben. Vier weitere ehemalige Hypobank-Vorstände, Peter Hoch, Martin Kölsch, Martin Schütte und Josef Wertschulte, die an den riskanten Immobiliengeschäften nicht direkt beteiligt waren, baten ebenfalls um ihre Entlassung.

Vor denen muss man den Hut ziehen, denn die haben sich, ohne dass ein eigenes Verschulden vorlag, der Gesamtverantwortung des Vorstands gestellt, bewerteten ehemalige Hypobank Mitarbeiter den Abgang des Quartetts. In Kreisen der Aktionäre wurde der spektakuläre Abgang für unabwendbar gehalten:
Reinen Tisch zu machen war die einzige Möglichkeit, um die Bank in die Lage zu versetzen, in Zukunft unbelastet nach vorne blicken zu können.
Vor allem den Großaktionären Allianz, Viag und dem Freistaat Bayern lag daran, die Altlasten aus dem Immobiliendebakel loszuwerden.

Erhebliche Nachwirkungen hatte der Skandal auch auf die Mitarbeiter der Bank. Durch den Machtkampf an der Spitze wurde die Belegschaft gespalten.
Das war nicht alles. Als der Börsenboom 2001 jähr abriss und die Aktienkurse auf Talfahrt gingen, zerplatzten auch die Träume von einer schnellen Sanierung der Schieflage bei der Hypobank. Schmidt versuchte durch die Übernahme der Bank Austria Kreditanstalt, die ein ertragreiches Osteuropa-Geschäft betrieb, ein Gegengewicht zum Ausgleich der Verluste zu schaffen.
Doch das reichte nicht, um die desaströse Lage im Privatkundengeschäft und im Immobilienbereich der HypoVereinsbank aufzufangen. Der Berg an riskanten Krediten betrug 23 Milliarden Euro.

Anfang 2003 übernahm Dieter Rampl, ein ehemaliger Vereinsbanker, das Ruder. Er verordnete der Bank den ersten scharfen Sparkurs. 11000 von 70000 Arbeitsplätzen sollten eingespart werden. Filialen wurden geschlossen. Natürlich war für die Schieflage nur die schlechte Konjunktur verantwortlich. Dass sich die Bank – und da vor allem die Hypo-Seite – durch leichtsinnige und oft auch betrügerische Immobiliengeschäfte in die katastrophale Situation manövriert hatte, wurde nicht erwähnt.

Im Jahr 2003 wurden die ersten riskanten gewerblichen Kredite in die neu gegründete Tochter Hypo Real abgeschoben und an die Private-Equity-Gesellschaft Lone Star verscherbelt. Auch in den folgenden Jahren versuchte Schmidt-Nachfolger Rampl weiteren Ballast abzuwerfen. Beteiligungen wie die Norisbank wurden verkauft, die österreichische Tochter Bank Austria brachte er gegen den Widerstand seines Vorgängers Schmidts wieder an die Börse und verschaffte sich so Kapital.
Im Jahr 2005 gab es kaum noch Hoffnung, dass die HypoVereinsbank aus eigener Kraft die Talsohle überwinden könnte. Rampl suchte nach einem Partner für die zweitgrößte deutsche Geschäftsbank. Spekulationen zufolge hatte er ein Auge auf die Commerzbank geworfen. Doch die wollte mit dem angeschlagenen Münchner Bankkonzern und seiner Schieflage nichts zu tun haben.

Geprellte Anleger bei den Banken und Sparkassen

Nach dem Kurssturz standen die Schlauen von einst dumm da – und waren aufgebracht. Der Diplombetriebswirt Jürgen Kramer, Mitglied eines privaten Investmentclubs, der ebenfalls vom Crash gebeutelt wurde, beschrieb die Situation:
Man könnte weinen, wenn man die Kurse anschaut. Wir hatten in unserem Aktienclub überall Verluste, bei Technologiewerten, aber auch DaimlerChrysler, LVMH oder Biotech. Und man versteht es alles nicht, diese ganzen Sprünge in den Kursen sind überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, und dass die Unternehmen am Neuen Markt nun nur noch Pennys wert sein sollen, begreift man auch nicht.
Der Verlagsmanager Frank Bokämper aus Essen, der ebenfalls zu den Opfern des Börsendebakels zählte, ist nach den erheblichen Vermögensschäden klüger geworden:

Mit dem Neuen Markt ist eine ganz gute Sache ins Leben gerufen worden, aber die haben das nicht zu Ende gedacht. Denn es gibt keine richtige Haftung für Falschinformationen. Da werden von Banken und Unternehmen Umsatzprognosen und Gewinnmöglichkeiten genannt, und das auf reine Geschäftsmodelle. Die Geschäfte laufen ja noch gar nicht. Und einen Monat, nachdem so eine Firma an der Börse ist, wird alles wieder zurückgenommen. Wo bleibt da die Seriosität? Es gibt keine Rechtssicherheit für Kleinanleger.

Eine besonders dreiste Geschichte erlebte der Hamburger Pensionär Jürgen Harnack mit dem Bankhaus Delbrück. Der Diplomvolkswirt wollte mit den Renditen aus seinen Aktienanlagen sein Alterseinkommen aufbessern. Doch statt Vermehrung seines Vermögens fand eher Vernichtung statt. Harnack wurde von seiner Bank nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen. Der frühere EU-Beamte ist wütend:
Ich habe von der Börse die Nase voll. Im Dezember 1998 habe ich 735000 € angelegt – mit äußerst mangelhaftem Erfolg: Allein im Jahr 2000 habe ich 26 Prozent meines Investments verloren. Zu den größten Flops gehörten die Aktien eines kanadischen Softwareunternehmens, dessen Namen ich nie vorher gehört hatte, dessen Aktien mir aber von meinem Berater bei der Credit Suisse wärmstens empfohlen wurden. Ich stieg mit knapp 42000 € im Dezember 1999 ein und Ende 2000 mit rund 1900 € wieder aus. Drei Wochen nach dem Aktienkauf war der Kurs um 50 Prozent abgesackt, als er später für einen Tag um 50 Prozent nach oben schnellte, verpasste mein Berater den Ausstieg. Natürlich war ich auch Besitzer von Katastrophenpapieren wie Micrologica oder Freenet, die ich Ende 2000 mit Verlusten von 88 oder 98 Prozent abgestoßen habe. Da hatte mein Berater sogar wohlfeilen Rat parat: Zehn Jahre lang könnte ich die Verluste gegen Gewinne aufrechnen lassen und so Steuern sparen. Der Mann hat wirklich Humor! Ich bin fast 70 Jahre alt.
Als Harnack seine Erfahrungen mit Bank und Börse in der Hamburger Wochenzeitung Die Woche veröffentlicht hatte, erhielt er Post von der Privatbank. Der Brief enthielt nicht etwa eine Entschuldigung der Banker für die schlechten Leistungen des Kundenberaters, sondern die Kündigung.

Das Bankhaus Delbrück eröffnete seinem geschröpften Kunden, er möge sich nach einer neuen Bankverbindung umsehen. Begründet wurde der Rausschmiss mit dem Vertrauensbruch, den Harnack begangen habe, als er seine Erlebnisse als Bankkunde in einer Zeitung veröffentlicht habe. So viel Chuzpe ist sogar im Bankgewerbe selten.

Erschreckend ist aber auch, dass die Banken aus dem Debakel nichts gelernt haben. Die Phantasie, die Gier und Skrupellosigkeit der Investmentbanker im Erfinden neuer unseriöser, noch spekulativerer Anlageinstrumente ist schier unerschöpflich. Immer wieder werden neue todsichere Investments geschaffen, an denen vor allem eines sicher ist: Sie sind tödlich für kleine Privatvermögen.

Forderung der Politik für Schrottimmobilien

Mit dem Persilschein hatte das Oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland den Banken die Sorge genommen, dass sie im Falle eines Widerrufs die faulen Kreditverträge rückführen und die Schrottimmobilien wieder zurücknehmen müssen. Wieder erreichte die deutsche Kreditwirtschaft eine Sonderstellung – zu Lasten unbedarfter Anleger.

Deshalb fordert Prof. Udo Reifner, Leiter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen, einen gesetzlichen Schutz der Verbraucher vor der Abzockerbranche.

Dass ein Eingreifen der Politik unumgänglich ist, zeigt bereits die große Gruppe der Betroffenen: Rund 300 000 Verbrauchern wurden praktisch wertlose fremdvermietete Immobilien als private Altersvorsorge verkauft:

Der meist blinde Kauf war nur möglich, weil die Kapitalanlage als bankgeprüft dargestellt (der Kunde bezahlte das Gutachten selbst) und von der Bank voll finanziert war und den Anlegern mit ausgefallenen Methoden vorgespiegelt wurde, dass sie sich auf Dauer so rentieren würde, dass nicht nur Kredit-, Vertriebs- und Erstehungskosten sowie Zinsen gedeckt, sondern auch noch ein Zusatzerlös nach Steuer erzielt werden könnte. Die versteckten weit überhöhten Innenprovisionen konnten die Käufer nicht ahnen. Die Käufer hätten den beteiligten Banken vertraut, dass der Verzicht auf Eigenkapital ihnen nicht zum Nachteil geraten würde:

Sie konnten zu finanzierten Kapitalanlagen in der Altersvorsorge an der Haustür überredet werden, weil auch der Staat bisher durch verschiedene Subventionssysteme, Steuererleichterungen und Prämien etwa bei finanzierten Kapitallebensversicherungen, bei Bausparsofortfinanzierungen und Beteiligungsmodellen solche Konstruktionen für förderungswürdig erachtet hat.
Und weiter fordert Reifner:

Die inzwischen überschuldeten Verbraucher brauchen dringend Hilfe, weil die Rechtsprechung des Bankrechtsenates bisher jede Hilfe verweigert hat und die Gesetze Lücken aufweisen, die dazu benutzt wurden, Verbraucher um Milliardenbeträge zugunsten unseriöser Vermittler und leichtfertig handelnder Banken zu schädigen. Greift der Gesetzgeber nicht ein, so dürfte das Vertrauen in den deutschen Markt der immobiliengestützten Altersvorsorge nachhaltig beschädigt bleiben. Das Anreizsystem für Betrug würde zudem aufrechterhalten. Weil sowohl Rechtsprechung als auch Finanzaufsicht versagt haben, muss die Politik handeln und die unfreiwillige Überschuldung vieler Bundesbürger, die eingetreten sei, weil unsere Schutzmechanismen versagt haben, eindämmen.

Vor allem müssen nach Ansicht des Professors die nachträglich eingefügten Sonderprivilegien für Immobilienkredite ersatzlos gestrichen werden.
Die Schadensersatzmöglichkeit für Fälle der schuldhaften Zusammenarbeit zwischen Bank und Vermittler ist durch die Rechtsprechung des BGH von den Voraussetzungen so eng, dass sie nur kosmetische Bedeutung hat und den Opfern nicht abschätzbare Prozessrisiken aufbürdet.

Reifner schlägt vor, bei Unterlassen der Widerrufsbelehrung den Käufer von Schrottimmobilien die Zinsen auf die Restschuld bis zur Fälligkeit zu erlassen. Außerdem sollten Gruppenklagen zugelassen und ein Entschädigungsfonds eingerichtet werden, in den die Geldwirtschaft einzahlen müsste. Um dies zu erreichen, müsste allerdings erst einmal die Gesprächsbereitschaft der Banken geweckt werden. Nach Meinung Reifners geht das nur durch Druck:
Uber kollektive Schadensersatzansprüche, wie sie bisher im UWG ansatzweise erkennbar sind, oder über gebündelte Klagen der Verbraucherverbände, die dann auf der Grundlage einer verbraucherfreundlicheren Rechtsprechung verhandeln könnten.
Ein Mann greift nach den Sternen – bisher wagte noch niemand, die Macht der Banken zu brechen. Nicht einmal die Krise nach der Jahrhundert-Hausse, der Zusammenbruch des Neuen Marktes, an dem die deutschen Banken ein hohes Maß an Schuld trugen, konnte die Manager der Geldwirtschaft zu einer verbraucherfreundlicheren Haltung zwingen. Im Gegenteil: Die Daumenschrauben wurden nur fester angezogen.

Notausstieg für Steuersparer
Es gibt aber spezielle Umstände, unter denen die Richter am Bundesgerichtshof dem Erwerber einer Steuersparimmobilie die Rückabwicklung des Darlehensvertrags und des Immobilienerwerbs gestatten. Wenn der Darlehensvertrag nicht vom Erwerber und Darlehensnehmer unterschrieben wird oder einem von ihm beauftragten Juristen, sondern einem anderen Berater wie beispielsweise einem Steuerberater. Am 14. Mai 2002 hatte der XI. Senat dieses Urteil (XI ZR 148/01) gefällt. Nach Auffassung des Gerichts dürfen Verträge mit so weitreichenden, rechtsbesorgenden Verpflichtungen nur von Rechtsanwälten abgeschlossen werden.
Falls ein Steuerberater den Kredit zur Finanzierung einer Schrottimmobilie unterschrieben hat, kann der Erwerber, dem ja die Wohnung oder das Haus gehört und der die Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises bedienen muss, den Kreditvertrag für nichtig erklären lassen.

Im obigen Fall traf dies auf einen Darlehensvertrag zu, den die Sparkasse Mannheim zur Finanzierung einer Steuersparimmobilie geschlossen hatte. Die beglaubigte Abschrift einer Vollmacht, die der Käufer seinem Steuerberater erteilt hatte, erkannten die Richter am höchsten Gericht nicht an. Damit war der Erwerber beim Abschluss des Darlehensvertrages nicht wirksam vertreten. Da das Darlehen aufgrund der ebenfalls unwirksamen Anweisung des Geschäftsbesorgers nicht an den Kreditnehmer, sondern an den Verkäufer der Immobilie ausgezahlt wurde, ist dieser und nicht der Verbraucher zur Rückzahlung verpflichtet. Der Erwerber kann unter Übertragung der Wohnung auf die Bank Rückzahlung seiner an die Bank geleisteten Beträge zuzüglich Zinsen verlangen.

Bedrohliche Schieflage im Fall mit WestLB

Die Bank hatte 2003 eine bedrohliche Schieflage erreicht. Aus dubiosen Finanzgeschäften mussten allein 2002 Verluste von 1,7 Milliarden Euro verkraftet werden. Die Zeche zahlten auch die Mitarbeiter: 3000 Arbeitsplätze sollten gestrichen werden. Auf Sengera folgte zunächst Johannes Ringel als Interimschef.
Am 1. Januar 2004 übernahm dann Dr. Thomas Fischer das Ruder. Ein Mann mit einer eigenwilligen Karriere. Zweimal bereits hatte der Amateurboxer, der auch edle Sportwagen schätzt, die Deutsche Bank verlassen – jeweils im Krach. 2002 schmiss er sogar seinen Vorstandsjob hin, weil nicht er, sondern Josef Ackermann den Zuschlag für den Vorstandsvorsitz bekommen hatte. Fischer war bei der Deutschen Bank auch für das Risikomanagement und die Risikokontrolle zuständig. Schon deshalb schien er eine Idealbesetzung für die neu gegründete WestLB AG.
Fischer räumte auf. Alle faulen Geschäfte wurden zusammengekehrt und die Risikovorsorgen erhöht. Die Verluste des Jahres 2003 stiegen auf ungeheure 2,32 Milliarden Euro. Die Bank brauchte zusätzliches Kapital von 1,5 Milliarden Euro, um die Talfahrt überleben zu können.

Neben seinen Sanierungsarbeiten, zu denen in erster Linie gehörte, die Verlustquellen zu stopfen und die Bank wieder zur Rentabilität zu steuern, musste Fischer mit der EU-Kommission in den Clinch gehen.
Die WestLB drohte der Europäischen Kommission wegen neuer Differenzen über das Beihilfeverfahren gegen die Bank mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGEI). Die Kommission hatte den fünf Landesbanken WestLB, NordLB, BayernLB, HSH Nordbank, Berliner Landesbank und Helaba harte Auflagen für die Rückzahlung der unerlaubten Beihilfen an die Bundesländer und für die Wiederaufstockung des Kapitals gemacht. Rund 4 Milliarden Euro sollten die Banken, die WestLB allein rund 1,4 Milliarden Euro, zurückzahlen. Die Pläne der Banken sahen vor, die Beihilfen zwar zurückzuzahlen, sich aber das Geld von ihren Eigentümern als Kapitalerhöhung wieder zurückgeben zu lassen.

Die Kommission verlangte jedoch einen deutlichen zeitlichen Abstand zwischen Rückzahlung der Beihilfen und der Aufstockung des Kapitals, außerdem müsste die Reinvestition deutlich kleiner ausfallen als die Rückzahlung, und an der Kapitalerhöhung sollten auch private Investoren beteiligt werden.
Gegen dieses Konditionendiktat, das zu einer deutlichen Benachteiligung der ehemaligen Landesbanken gegenüber den privaten Geschäftsbanken geführt hätte, zog die WestLB vor Gericht.

Im Würgegriff der Heuschrecken und der Fall Friedrich Grohe AG

Renditegierige Private-Equity-Gesellschaften bewahren die ausgezehrten Unternehmen zwar vor dem Kollaps, doch in den seltensten Fällen vor Zerschlagung und Verkauf. Nach dem Rückzug der Heuschrecken ist das Unternehmen in der Regel nicht mehr wiederzuerkennen. Es wird rationalisiert, filetiert und amputiert, was das Zeug hält, um beim Wiederverkauf nach einigen Monaten oder Jahren eine möglichst hohe Rendite zu erzielen.
Wie Private-Equity-Fonds zusammen mit den Banken Tausende von Arbeitsplätzen vernichten können, zeigt der Fall der Friedrich Grohe AG. Der Armaturenhersteller wurde 1936 gegründet und zählte als Familienunternehmen zu den deutschen Traditionsfirmen mit Erfolgen im In- und Ausland. Die Armaturen verkauften sich gut. 4600 Mitarbeiter beschäftigte die Firma in ihren Niederlassungen und Werken in Hemer, Lahr und Herzberg, in Portugal, Kanada und Thailand.
Im Jahr 1999 hatte dann die Familie genug vom Unternehmerdasein in Deutschland, wollte lieber Kasse machen und sich in die Schweiz zurückziehen.

Der Fall Friedrich Grohe AG
Die Verhandlungen mit dem Finanzinvestor BC Partners beginnen im Mai 1999, und schon im Juli sind sich die Partner einig. Die Familie verkauft ihre Anteile an die kurz zuvor von BC Partners gegründete Gesellschaft Renata, die wenig später wieder in Grohe Holding umbenannt wird. Die Verkäufer kassieren 1,2 Milliarden Euro. Doch den Kaufpreis zahlt nicht etwa BC Partners allein. Der Private-Equity-Fonds mit Sitz auf der britischen Kanalinsel Guernsey, einem bekannten Steuerparadies, steuert nur etwa 390 Millionen Euro bei. Rund 800 Millionen werden gepumpt. Die Darlehen geben vor allem die Dresdner Bank und die HypoVereinsbank. Sie stückeln die Anleihen und geben sie später an 20 andere Banken weiter.

Unter BC Partners geht es zunächst weiter aufwärts mit der Firma Grohe. Forschungsausgaben werden erhöht, die Markteinführung neuer Produkte wird beschleunigt. Kleinere Werke in Deutschland werden zusammengelegt, die Niederlassung in Portugal wird ausgebaut. Eine Verschiebung von Arbeitsplätzen lässt sich zwar nicht übersehen, aber Grohe war schon vor dem Verkauf mit seinem Auslandsanteil von 72 Prozent gut gefahren. Die Auslandsmärkte kompensierten den stagnierenden Inlandsabsatz.

Im Jahr 2003 beginnt BC Partners dann Kasse zu machen: 200 Millionen Euro Firmenkapital werden abgezogen und an die Private-Equity-Gesellschaft überwiesen. Es sind Pläne im Gespräch, dass BC Partners Grohe wieder an die Börse bringen will. Doch dann kommt alles anders: Im Jahr 2004 geht das Unternehmen an
zwei neue Eigentümer. Eine Beteiligungsgesellschaft der Credit Suisse First Boston (CSFB) und die Private-Equity-Firma Texas Pacific Group übernehmen den Armaturenhersteller für 1,5 Milliarden Euro im Mai 2004.

Den größten Teil des Kaufpreises erhalten BC Partners und die Banken als Darlehensgeber. Die Schulden werden neu sortiert. Immerhin erhält das Unternehmen eine Kapitaleinlage von 800 Millionen Euro. Doch dann geht es erst richtig los. Der Vorstand wird ausgewechselt, die Berater von McKinsey durchforsten das Unternehmen auf Einsparungsmöglichkeiten. Das große Monopoly beginnt.
Werke und Produktionsstätten werden hin- und hergeschoben. Die Herstellung in Kanada soll ins kostengünstigere Mexiko verlegt werden, der Anteil der Produktion in Deutschland auf 50 Prozent heruntergefahren werden. Horrorzahlen kursieren: Ein McKinsey-Szenario sieht den Abbau von 2700 Arbeitsplätzen vor, wobei rund 1500 neue Jobs im Ausland geschaffen werden sollen – vor allem durch den Neubau eines Werkes in Polen.

Ein anderer Plan geht von einer Streichung von 1570 Stellen aus. 12000 Produkte fallen dem Rotstift zum Opfer. Wie auch immer: 150 Millionen Euro muss Grohe pro Jahr einsparen. Die Finanzinvestoren, aber auch die Banken erwarten schließlich eine angemessene Rendite für ihr Engagement. Die Kredite, die auf Grohe lasten, weil die Investoren ihren Kauf finanziert haben, müssen auch bedient werden. Und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals entspricht ebenfalls den Bedingungen der internationalen Finanzmärkte. Die Zeche zahlen die Arbeitnehmer.
Und Grohe wird kein Einzelfall bleiben. Im Mittelstand steht eine große Veränderung an. Der Generationenwechsel wird nicht glattlaufen. Vielen Erben wird Bares lieber sein als ein Unternehmen, um das man sich ständig kümmern muss. Die Banken rechnen mit Unternehmen im Wert von vielen Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren den Eigentümer wechseln könnten. Die reiche Beute lockt längst kapitale Haie aus internationalen Gewässern an.

Tricks und Fallstricke bei der Baufinanzierung

Die Hauptkriterien, die die Höhe des monatlichen Schuldendiensts bestimmen, sind zunächst einmal: Höhe des Darlehens, Eigenkapitalanteil, Laufzeit, Zinssatz, Sicherheiten. Und bei jedem Punkt gibt es Fallstricke, in denen sich kein Bauherr verfangen sollte.

Die Höhe eines Immobilienkredits muss sich am Haushaltseinkommen orientieren, so dass die Raten – Zinsen und Tilgung – ohne allzu große Einschränkung bezahlt werden können. In Zeiten niedriger Zinsen empfehlen sich eher längere Laufzeiten für das Darlehen, um die günstigen Konditionen möglichst lange
nutzen zu können. In Hochzinszeiten vor einer Zinswende können unter Umständen variable Zinsen in Erwägung gezogen werden. Der Zinssatz wird dann immer in gewissen Zeitabständen den jeweiligen Marktsätzen angepasst. Doch Vorsicht: Die Banken lassen sich mit der Anpassung zu ihren Ungunsten gerne etwas Zeit, oft warten sie sogar darauf, dass sich der Darlehensnehmer meldet und die allfällige Korrektur einfordert.

Schleppende Zinsanpassung
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat einige der Fälle notiert, in denen die Geldinstitute nur mit Mühe dazu zu bewegen waren, die Zinsen nach unten zu korrigieren.

So konnte ein Kunde aus Saarbrücken seine Bank erst durch Nachrechnen und mit Hilfe der Verbraucherzentrale zu einer Zinsanpassung bewegen. Seine Erlebnisse schilderte er in einem Schreiben an die Verbraucherzentrale:
(…) Sie hatten mir drei Berechnungen von meinem variablen Zinssatz übersandt. Bei der monatlichen Anpassung kamen Sie zu einer Kostendifferenz in Höhe von € 23700,34. In einer zweiten Berechnung hatten Sie lediglich alle drei Monate den Vergleichszins angepasst, in diesem Fall kamen Sie zu einer Differenz von 23516,95 €. In einer weiteren Berechnung wurde die Entwicklung der Spareinlagenzinsen für die Refinanzierung berücksichtigt. Auch in diesem Fall kamen Sie zu einer Kostendifferenz von 20568,23 €.

Diese Unterlagen hatte ich meiner Bank zugeschickt mit der Bitte, eine korrekte Neuberechnung vorzunehmen. Des Weiteren hatte ich dieser mitgeteilt, dass ich als Anpassung mit einer Pauschalsumme von 10000 Euro einverstanden wäre. Sollte ich innerhalb der nächsten sechs Wochen keinen Bescheid erhalten, würde ich meine berechtigten Ansprüche auf dem Rechtsweg einklagen. Sieben Wochen später hatte mir meine Bank die 10000 Euro überwiesen.

Warum sich der Kunde mit einer Erstattung von weniger als der Hälfte der errechneten Summe zufriedengibt, lässt sich nur vermuten. Vielleicht scheute er den langen Kampf um sein Recht, falls er seine Ansprüche in voller Höhe geltend gemacht hätte.

Bei einem Ehepaar, das Kunde bei der Dresdner Bank AG war, wurde von den Verbraucherberatern eine Zinsdifferenz von 9168 bzw. 29393 Euro errechnet. Die unterschiedlichen Summen ergaben sich nach dem jeweiligen Referenzzins, der der Berechnung zugrunde gelegt wird. Im niedrigeren Fall wurde ein variabler Hypothekenzins angenommen und im zweiten Fall der EURIBOR-Satz für Dreimonatsgeld. In jedem Fall war eine Zinsanpassung im Jahr 2005 unumgänglich, denn seit der letzten Korrektur im Jahr 2001 waren zwar die Marktzinsen kräftig gesunken, die Dresdner Bank hatte aber von dieser für ihren Kunden freundlichen Entwicklung nichts mitbekommen. Wieder halfen die Verbraucherschützer der Bank auf die Sprünge. Die Eheleute konfrontierten die Bank mit dem Ergebnis der Berechnungen. Und siehe da: Im Jahr 2006 erreichten die Darlehensnehmer eine Zinsneuberechnung bei der Dresdner Bank. Ein Betrag in Höhe von 14 673,62 Euro wurde erstattet.

Ziemlich dreist versuchten die Vereinigten Sparkassen in Weil- heim den Rückerstattungsanspruch einer Kundin abzuwimmeln. Nach Berechnungen der Verbraucherschützer stand der Frau eine Zinsdifferenz von 7421 Euro auf der Basis des variablen Hypothekenzinses bzw. 3311 Euro (EURIBOR-Dreimonatsgeld) zu. Als die Kundin die Sparkasse jedoch auf die versäumte Anpassung ansprach, behaupteten die Mitarbeiter, der Anspruch sei verjährt. Erst nach Einschaltung der Verbraucherzentrale bot die Sparkasse eine Ausgleichszahlung von 2049 Euro an, die die Kundin akzeptierte.

Die Hamburger Verbraucherzentrale kam zu dem Schluss, dass Kreditnehmer, die den Vertrag in Hochzinsphasen abgeschlossen hatten, im Falle einer Zinswende in der Regel erhebliche Rückerstattungen fordern könnten: Wer seine Immobilie mit einem Kredit zu einem variablen Zinssatz finanziert hat, kann im Durchschnitt rund 3600 Euro Rückerstattung pro 50 000 Euro Finanzierungsbetrag von seinem Geldinstitut zurückfordern. Denn immer noch passen Geldinstitute den anfänglich vereinbarten Vertragszins nicht zeitnah und vollständig an die Marktentwicklung nach unten an. Das hat eine Analyse von 52 von der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. überprüften und nachberechneten Vario-Zins- Krediten mit einem Volumen von rund 4,1 Millionen Euro ergeben. Das Ergebnis wurde durch eine zweite Analyse von 74 Fällen im Oktober 2003 bestätigt.

Die Spanne der Differenzen reichte von rund 25 Euro (für einen 10000-Euro-Kredit) bis zu rund 27 600 Euro (für einen 120000-Euro-Kredit). Geht man davon aus, dass eine Differenz von unter 500 Euro nicht beanstandet wird, so wären von den 52 geprüften Krediten neun in Ordnung. Etwa 83 Prozent der Variokredite werden also zu Lasten der Kunden nicht korrekt angepasst!

Noch immer schlummern nach unseren Schätzungen viele Millionen Rückforderungsbeträge in den Schubladen der Immobilienbesitzer. Legt man bei einem angenommenen Vario – Kreditvolumen von rund 23 Milliarden Euro unser Zwischenergebnis von 7,2 Prozent (3600 Euro pro 50000 Euro) der Kreditsumme zugrunde, die von Banken und Sparkassen zu viel einbehalten werden, so bereichern sich die Kreditinstitute an ihren Kunden zurzeit um 1,66 Milliarden Euro (7,2 Prozent von 23 Milliarden). Dabei muss, wer energisch protestiert, nicht einmal vor Gericht ziehen, um die zu viel gezahlten Zinsen erstattet zu erhalten! Denn in den meisten Fällen zahlen die Kreditinstitute den von uns errechnet Betrag oder wenigstens einen erheblichen Teil davon freiwillig an die Kunden zurück.
Die Verbraucherschützer rechnen die Zinsdifferenz zwischen dem konkreten Kredit und einem Kredit mit angemessener Anpassung aus. Als Vergleichsmaßstab nutzen sie die von der Bundesbank monatlich ermittelten durchschnittlichen variablen Hypothekenzinsen. Gegen eine geringe Gebühr werden die Kreditverträge überprüft.

Ausgepresst – der Fall HypoVereinsbank

Den neuen Herren ging es bei allen Personalentscheidungen um den schnellen Abschluss der Übernahme. Für die totale Inbesitznahme fehlten ihnen gerade noch fünf Prozent.

Im Januar 2007 verkündeten sie, dass sie mit den hartnäckigen Kleinaktionären kurzen Prozess machen wollten. Squeeze-out heißt diese unfeine Methode zur Abschiebung von Kleinaktionären. Ihnen wird ein Angebot gemacht, dass sie nicht ablehnen können, weil der Großaktionär mit 95 Prozent der Stimmen das Sagen hat.
Freilich, kampflos gaben die Widerspenstigen, zu denen auch Hedgefonds gehörten, nicht auf. Die letzten freien Aktionäre bescherten dem neuen Finanzgiganten eine Imagedelle und eine äußerst turbulente Hauptversammlung, die zwei Tage dauerte. Der Höhepunkt des Protestes war zweifellos der Auftritt eines Aktionärs, der das Podium stürmen wollte, auf dem der Aufsichtsrat Platz genommen hatte. Ordner drängten ihn ab. Er ließ sich auf den Boden fallen und musste schließlich im Rollstuhl abtransportiert werden.

Geholfen hat selbst diese bühnenreife Performance den Kleinaktionären nichts, sie wurden mit einem mageren Abfindungsangebot von 38,26 Euro pro Aktie abgespeist. Der Preis der Aktien bemesse sich an dem Geld, das die Unicredito der HVB gegeben hatte für die Übernahme der Perle im Konzern, der Bank Austria, beteuerte der HVB-Chef Sprißler und wies auf ein Wertgutachten hin. 13 Milliarden Euro hatte die HVB dafür erhalten. Völlig korrekt, behauptete Sprißler.

Viel zu wenig, meinten sogar die Richter am Landgericht München, die über eine Anfechtungsklage der Hedgefonds zu befinden hatten. Ein Nachschlag an die HVB in Höhe von vier bis fünf Milliarden wäre angemessen, erklärte das nicht gerade für seine Bankenfeindlichkeit bekannte Gericht. Damit wären 60 Euro pro Aktie fällig geworden.

Doch das blieb ein Wunschtraum. Profumo, der sich die Auseinandersetzungen zwei Tage lang schweigend angehört hatte, gab nicht nach, da mochten die Aktionäre noch so zetern.
Die Manager der Hedgefonds drohen mit weiteren Klagen. Doch das Ende der Hypo Vereinsbank, die so viele Anleger und Immobilienkäufer ins Unglück gestürzt hatte, ist besiegelt. Die 130. Hauptversammlung war die letzte. Im Herbst wird der Name der Bank von den Kurszetteln der Börsen verschwinden. Basta.

Das Wertpapierangebot von Aktien bis Zertifikate

Die Investitionsmöglichkeiten sind in den letzten Jahren dank neuer Finanzprodukte für den Anleger immer vielfältiger geworden. Trotzdem gehören die Deutschen insgesamt immer noch zu den eher konservativen Anlegern, die sich gern an sogenannte sichere Produkte halten, also Sparbriefe, Renten etc. Der Börsencrash und der Zusammenbruch des Neuen Marktes Anfang des neuen Jahrtausends haben dazu entscheidend beigetragen. Der Hype um den Neuen Markt hatte viele Börsenneulinge zu Spekulationen und zur Investition in junge überbewertete Unternehmen verleitet. In der Folge verloren viele davon einen großen Teil ihres Kapitals und zogen sich enttäuscht vom Aktienmarkt insgesamt zurück. Doch Aktien sind langfristig betrachtet nach wie vor eine der renditestärksten Geldanlagen. Wie sehr der Aktionär von einem Börsencrash betroffen ist, hängt zunächst einmal von seiner Anlagestrategie und im Weiteren von seinen Nerven ab.

Exkurs: Börse und Psychologie
Mit Aktien erwirbt man Anteile an einem Unternehmen. Das heißt, der Wert einer Aktie hängt eigentlich von der Stärke oder Schwäche des Unternehmens ab, das dahintersteht. Aber so einfach ist es nicht. Setzt sich an den Börsen erst einmal Hysterie durch (positive wie negative), bilden die Kurse oft nicht mehr den tatsächlichen Wert eines Unternehmens ab. Ein gutes Beispiel war im März 2000 die Aktie der Siemenstochter Infineon. Sie war beim Börsengang 33- fach überzeichnet. Jeder wollte sie haben. Ein Kursanstieg am ersten Handelstag bis auf 100 Euro wurde prognostiziert. Tatsächlich lag der Kurs dann bei 70,20 Euro. Immer noch viel zu viel, wenn man sich die tatsächliche Performance des Unternehmens anschaute. Siemens hatte in den Jahren zuvor mit Infineon ziemlich viel Geld verloren. 1998 hatte das Unternehmen noch rote Zahlen geschrieben. Als Infineon an di* Börse ging, waren die Hightech-Aktien bereits auf dem absteigenden Ast. Doch die Anleger wollten die Warnungen der Börsenexperten nicht hören.
Außerdem wird die Börse von vielen anderen Faktoren beeinflusst – von Dingen, die mit den Unternehmen eigentlich gar nichts zu tun haben; von tatsächlichen Ereignissen wie der Hypothekenkrise der US-Banken in den Jahren 2007/2008, die etliche deutsche Banken mit in ihren Strudel riss; von Ereignissen, die möglicherweise in der Zukunft eintreten könnten und vor denen die Marktteilnehmer Angst haben – wie beispielsweise eine Rezession in den USA oder hohe Tarifabschlüsse in Deutschland.
Börse funktioniert nicht logisch und rational, sondern hat viel mit Psychologie, mit Hysterie, Angst und Euphorie zu tun. Gerade Privatanleger verhalten sich zudem oft wie die Lemminge und rennen denen hinterher, die auch nicht mehr wissen.

Aktien sind eine langfristige Anlage
Das ist der Satz, den Sie sich unbedingt merken sollten, wenn Sie in Aktien investieren möchten. Den DAX gibt es seit 1988. Wenn man eine Investition in die DAX-Werte von damals bis heute betrachtet, ergibt sich eine jährliche durchschnittliche Rendite von 9,96 Prozent, was eine beachtliche Zahl ist. Geht man bis 1950 zurück und nimmt die Unternehmen, die es 1988 in den DAX schafften, sind es sogar 11,27 Prozent.

Investieren Sie antizyklisch
Das ist der zweite Glaubenssatz und gilt für alles, was Sie an der Börse kaufen können. Konkret: Kaufen Sie, wenn die Kurse niedrig sind, verkaufen Sie, wenn die Kurse hoch stehen. Und halten Sie Ihre Gier im Zaum. Manchmal ist es besser, nicht zum Höchstkurs zu verkaufen, aber dafür nicht Gefahr zu laufen, dass die Kurse plötzlich nachgeben und man weniger hat oder gar nichts.

Aktie ist nicht gleich Aktie
Aktien sind so unterschiedlich wie die Unternehmen, die dahinterstehen. Deshalb gibt es bei Aktien solche, die volatiler (also schwankungsfreudiger) sind als andere. Und hochspekulative Papiere sind natürlich ebenfalls im Angebot. Aber: Es gibt keine Aktie, die man als absolut sicher bezeichnen könnte. Eine Garantie dafür, dass sich der Wert einer Aktie positiv entwickelt, gibt es niemals, ebenso wenig wie die Garantie für eine gleichbleibende oder gar eine hohe Dividende. Selbst wenn sich eine Aktie jahrelang im Aufwind befindet, wie Beispiel die Aktie der Porsche AG, kann sich der Trend aufgrund neuer Entwicklungen ändern. Sem beispielsweise die EU ambitionierte Ziele im Klimaschutz und bittet dafür die Autobauer, zur Kasse kann es durchaus sein, dass die Gewinne – und damit aller Wahrscheinlichkeit nach der Wert der Aktie – schrumpfen Es ist dann von der Innovationsfähigkeit der Autobauer abhängig, ob sie dem etwas entgegenzusetzen haben, sei es durch technische Innovationen oder indem sie ihre Kunden davon Überzeugen, einen höheren Preis zu bezahlen – oder beides. Das heißt: Egal, wie g„, Sie die Aussichten eines Unternehmens bzw. seiner Aktie vor dem Kauf durchleuchten, so können doch immer Entwicklungen ein beten, die diese Berechnungen und Überlegungen zu Schall und Rauch wer- den lassen.
Sollte sich eine Aktie wirklich entgegen allen Erwartungen sehr schlecht entwickeln, haben Sie zwei Möglichkeiten: halten oder verkaufen. Bei dieser Entscheidung können Ihnen die Bewertungen der Analysten nur bedingt helfen, denn die letzte Entscheidung liegt bei ihnen ganz allem. Ist das Unternehmen gesund und gilt es als entwicklungsfähig, sollten Sie die Aktie halten, denn wie wir wissen: Aktien sind eine langfristige Anlage, Andererseits hat es keinen Sinn eine Aktie, die ins Trudeln gerät, ewig zu halten. Irgendwann ist de, Zeitpunkt verpasst, an dem Sie mit einem „blauen Auge“, also verschmerzbaren Verlusten, herauskommen. In diesem Fall erweisen sich die sogenannten „Stopps“ als probat, die übrigens auch gegen zu viel Gier helfen. Das heißt, Sie sollten sich einen Kurs setzen, bis zu dem Sie die Aktie halten. Wen» der Kurs unter die Marke X sink, verkaufen Sie. Das können Sie auch für den Verkauf von Aktien mi, stark steigendem Kurs machen. Sobald der Kurs, den Sie festgesetzt haben, erreicht ist, verkaufen Sie. Damit fahren Sie möglicherweise etwas weniger als den optimalen Gewinn ein, aber immerhin noch ausreichend. Keine leichte Übung, die nur gelingen kann, wenn Sie das Börsengeschehen und Ihre speziellen Werte genau und permanent beobachten.

Blue Chips, ein relativ sicheres Geschäft
Als Blue Chips bezeichnet man die Aktien der großen, global orientierten börsennotierten Unternehmen, wie sie zum Beispiel im DAX zu finden sind, also Firmen wie Daimler, Allianz, Deutsche Bank, BMW, Henkel, Lufthansa etc. Sie zeichnen sich aus durch hohe Umsätze, hohes Grundkapital, einen hohen Aktienanteil im Streubesitz und sind von überregionaler bzw. internationaler Bedeutung.
Man geht davon aus, dass die Entwicklung dieser Werte recht stabil ist. Die Kursschwankungen sind nicht so stark wie zum Beispiel bei Wachstumswerten. Das zeigt sich daran, dass der DAX im Schnitt pro Tag weniger als 2 Prozent nach oben oder unten schwankt. Blue Chips werden mitunter verächtlich als träge bezeichnet. Das stimmt insofern, als man normalerweise keine großen Kurssprünge erwarten kann. Für Spekulanten sind sie also ziemlich uninteressant. Sie sind ideal, um sie über Jahrzehnte im Portfolio zu halten. Hinter Blue Chips stehen reale Werte und Gewinne. Man kann sie ins Depot legen und abwarten – ganz im Sinne von André Kostolany. Allerdings sollte der Anleger auch bei der Auswahl von Blue Chips darauf achten, nur Aktien von Unternehmen zu kaufen, die zukunftsfähig sind, deren Produkte und Märkte das Potenzial zur Weiterentwicklung haben und auch in zehn Jahren noch benötigt werden. Schauen Sie sich an, ob das Unternehmen dazu in der Lage ist. Ist es innovativ und flexibel, in seiner Branche führend, welche zukunftsweisenden Maßnahmen wurden in den letzten Jahren getroffen und waren sie erfolgreich?
In allen Ländern gibt es solche Blue Chips und die entsprechenden Indizes. In den USA ist es der Dow Jones, in Großbritannien der FTSE 100, in Frankreich der CAC 40, in Japan der Nikkei. Der Euro Stoxx 50 umfasst Aktien aus den Staaten der Eurozone wie zum Beispiel Axa, BNP Parisbas, Fortis, Nokio, Repsol, Telecom Italia etc., für Aktien weltweit steht der MSCI (Morgan Stanley Capital Index).

Praxistipp:
Nach den Blue Chips kommen die Mid Caps (Middle Capitalized Companies), in Deutschland zusammengefasst im M-DAX mit 100 Unternehmen, die sozusagen den DAX-Werten nachfolgen. Diese Aktiengesellschaften können ebenso solide sein wie die DAX-Werte, sind aber in der Regel kleiner und haben eine geringere Kapitalisierung. Der Handel ist nicht ganz so schwungvoll und die Werte unterliegen deshalb etwas höheren Kursschwankungen. Zum M-DAX gehören zum Beispiel Arcandor, Bilfinger Berger, Boss, EADS, Fraport, Gildemeister, Hochtief, Praktiker, Salzgitter etc. Vorteil: Viele dieser Unternehmen sind durchaus innovativ. Darüber hinaus ist ihre Struktur wesentlich besser zu durchschauen als die großer Konzerne. Das macht die Bewertung einfacher, auch für die Analysten.

Nebenwerte – das Salz in der Suppe
Als Nebenwerte werden kleinere Unternehmen mit einem geringen Aktienumsatz bezeichnet. Dividenden zahlen sie nur selten, da sie sich meist noch im Wachstum befinden und Gewinne in die Weiterentwicklung ihrer Geschäftsfelder stecken müssen. Manche Leute bezeichnen sie als „Hoffnungswerte . Damit soll ausgedrückt werden, dass hinter diesen Unternehmen noch kein tatsächlicher Wert steht – mitunter schreiben sie nicht einmal schwarze Zahlen -, sondern eher die Hoffnung, dass einmal etwas richtig Gutes aus ihnen wird. Sie sind wegen ihrer stark schwankenden Kurse für Spekulanten interessant. Typische Beispiele waren früher die im NEMAX gelisteten Werte des ehemaligen Neuen Marktes – vielfach Internetfirmen, die extrem hoch bewertet wurden, aber außer roten Zahlen und der Hoffnung auf den großen Durchbruch nicht viel vorzuweisen hatten. Viele verschwanden sang- und klanglos von der Bildfläche und der Börse.
Man kann durchaus auch als Nicht-Zocker in Nebenwerte investieren, dann ist es aber umso wichtiger, sich die Firmen und ihr Geschäftsfeld genau anzuschauen. Verlässliche Informationen, Markt- und Branchenkenntnisse sind unerlässlich. Selbst wenn ein Unternehmen im Tec-DAX oder im S-DAX gelistet ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man investieren sollte. Gerade im Tec-DAX, der eigentlich als Nachfolger des NEMAX gilt, ist eine genaue Analyse der Unternehmen enorm wichtig, denn in diesem Segment sind 30 der 35 größten Technologiewerte gelistet, und zwar in Bezug auf Marktkapitalisierung und Orderbuchumsatz. Unter ihnen ADVA, BB Biotech, Carl Zeiss Meditec, freenet, Pfeiffer Vacuum, Qiagen, Solon, Versatel.
Der Name SDAX leitet sich ab von „Small Caps“. In ihm sind 100 börsennotierte Unternehmen gelistet, allerdings im Gegensatz zum Tec-DAX eher aus traditionellen Branchen. Das macht die Beurteilung vielleicht etwas einfacher. Zum SDAX gehören unter anderen Air Berlin, Comdirect Bank, Duerr, Fielmann, Gerry Weber, Sixt und Wacker.
Die Zusammensetzung beider Indizes wird regelmäßig überprüft.