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Die Schieflage der Metallgesellschaft richtig verstehen – detailliertere Information

Erstklassige Ausbildung, Promotion, Lehr- und Wanderjahre bei den ersten Adressen in den USA, von Kindesbeinen an vertraut mit dem Geschäftsleben, auf jedem Parkett zu Hause, rhetorisch gewandt, analytisch begabt, kommunikativ, jung, dynamisch, mit langjähriger Führungserfahrung … Solche Kräfte braucht die Wirtschaft. Sie sind rar wie weiße Raben. Ihre Karrieren und Einkommen kennen nur eine Richtung: aufwärts – in immer mächtigeren Schritten. Sie bewerben sich nicht. Sie werden umworben. Kopfjäger kassieren für ihre Vermittlung Höchstprämien. Diesen Stars traut man alles zu. Sie kennen die Welt, die Märkte, die Restaurants, die wichtigen Clubs und ihresgleichen. Die Rede ist von Männern wie Ronaldo Schmitz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und Aufsichtsrat der Metallgesellschaft, Henning Schulte-Noelle, Chef von Europas größter Versicherung, der Allianz AG, und ebenfalls Aufseher bei MG, sowie von Heinz Schimmelbusch, Aufsichtsrat bei Schulte-Noelles Allianz AG und Chef der Metallgesellschaft. So war es noch im Frühjahr 1993.

Damals war Heinz Schimmelbusch noch ein gefragter Mann. Der eitle wie ehrgeizige Mann beriet die rassische Regierung und den österreichischen Bundeskanzler. Mit dem deutschen Regierungschef fuhr er im Frühjahr 1993 noch nach Fernost. Nur zu gern nahm er für seine Leistungen Preise, Ehrungen und Ämter entgegen. 1991 wurde er zum Manager des Jahres gekürt. In der Jury des Münchner Magazins Top-Business – früher Industriemagazin – saßen die Chefredakteure und Ressortleiter von renommierten Blättern wie Capital, Der Spiegel, Stern und Die Zeit. Die Meinungsmacher ehrten den unkonventionellen Schimmelbusch für die grüne Neuausrichtung der Metallgesellschaft. Seine herausragende unternehmerische Leistung besteht darin, den einstigen Rohstoffhändler konsequent zu einem hervorragenden Umweltspezialisten herauszuputzen, schrieb das Magazin in der Laudatio.

Vorstandschef im Kaufrausch
Ein dickes Extralob gab es sogar für einen Deal, der Schimmelbusch ausgerechnet von dem Institut angetragen wurde, dessen Repräsentanten ihn drei Jahre später mit Schimpf und Schande vom Hof jagten: den Kauf der Rest-Feldmühle-Nobel-AG, zu der die Heizkesselfirma Buderus, der Sprengstoffhersteller Dynamit Nobel und die Feldmühle-Keramiksparte gehörten. Diesen Coup, der den Umsatz der Metallgesellschaft auf einen Schlag von 20 auf 25 Milliarden € puschte, fädelte Deutsche-Bank-Chef Hilmar Köpper höchstpersönlich ein. Deutsche-Bank-Vorstand und MG-Aufsichtsrat Ronaldo Schmitz leitete die Verhandlungen.

Ein Superdeal – einmalig in der deutschen Geschichte von Firmenübernahmen, feierten die Beteiligten die Akquisition, allen voran die Deutsche Bank, die an der Übernahme gut verdient hatte. Schimmelbusch kaufte, was ihm in den Weg kam, steckte ungeheure Summen in den Umweltschutz bestehender Werke.Einen Mischkonzern von 258 teils lose verknüpften, teils miteinander verschachtelten Firmen hatte er zusammengekauft, rund 60.000 Arbeitsplätze und etwa neun Milliarden € Schulden angehäuft. Doch gleichzeitig steuerte er die Metallgesellschaft immer tiefer in die Miesen: Mit einem Minus von 1,8 Milliarden €, die – wie sich später zeigte – allein 1993 aufgelaufen waren, stand die Metallgesellschaft in einer schweren Liquiditätskrise. Die Erfolge von Schimmelbuschs Einkaufspolitik, die viel beschworenen Synergieeffekte, hatten sich nicht eingestellt. Der Superstar war gezwungen, bereits im März 1993 für das Vorjahr einen herben Umsatzeinbruch und deutlich geschrumpfte Gewinne zu verkünden.

Riskante Ölgeschäfte
Wenigstens den MG-Anteilseignern und Hausbanken hätte zu diesem Zeitpunkt auffallen müssen, dass viele, viel zu viele Zukäufe mit Verkäufen von Aktienpaketen finanziert worden waren ,die Konzernstruktur windig, das ganze Gebäude ziemlich brüchig war. Gewinne hatte bis Mitte 1993 allein die Tochtergesellschaft MG Corporation in New York erzielt.

Die US-Firma war in kurzer Zeit zu einem der bedeutendsten Ölgroßhändler aufgestiegen. Von Oktober 1992 bis Ende 1993 wurde der Umfang der Ölkontrakte von 19 Millionen auf 160 Millionen Barrel katapultiert. Der Preis für das rasante Wachstum waren ungewöhnlich riskante Verträge, die das amerikanische Unternehmen abgeschlossen hatte. MG Corporation hatte fünf- bis zehnjährige Liefervereinbarungen zu festen Preisen abgeschlossen und dabei sogar einigen Abnehmern gestattet neu zu verhandeln, falls der aktuelle Preis unter den vereinbarten Betrag von 17 Dollar pro Barrel sinken würde. Diese Klausel würde zwar den Gewinn für die MG Corporation schmälern, doch gemessen am Profit, den die Gesellschaft einstreichen könnte, wenn der aktuelle Marktpreis für kurzfristige Kontrakte stifg, schien das ein vertretbares Risiko zu sein. Wegen der ungewöhnlich langen Vertragsdauer musste die MG Corporation ihre Geschäfte an der Warenterminbörse durch kurzfristige Kontrakte absichern. Diese Positionen wurden kurz vor Fälligkeit auf Kontrakte mit späteren Terminen überschrieben. Solange der Preis für kurzfristige Verträge stieg, verdiente die MG Corporation gut. Doch im Herbst 1993 fiel der Ölpreis auf 14 Dollar pro Barrel und damit begann der Absturz. Der Wert der revolvierenden Terminkontrakte sank und deckte nicht mehr die langfristigen Positionen. Die Aufsicht der Warenterminbörse Nymex verlangte zusätzliche Sicherheiten. Schimmelbusch brauchte Geld.

Die größten Einzelaktionäre der Metallgesellschaft, Deutsche Bank und Dresdner Bank, eröffneten eine zusätzliche Kreditlinie von 1,5 Milliarden €. Als Sicherheit ließen sich die beiden Banken für diesen Dienst die Firmen Dynamit Nobel und Buderus übereignen – die besten Unternehmen der Metallgesellschaft, von deren Verkauf die Deutsche Bank schon einmal profitiert hatte. Dennoch machten in New York und Frankfurt Gerüchte die Runde, die Metallgesellschaft habe Liquiditätsprobleme. Am 7. Dezember versuchten Deutsche-Bank-Chef Hilmar Köpper und sein Vorstandskollege Ronaldo Schmitz, der den Aufsichtsrat bei der Metallgesellschaft leitete, die Finanzspritze zu rechtfertigen und das Vertrauen in die Metallgesellschaft zu stärken. Köpper erklärte den Eingriff mit einem plötzlich aufgetretenen, technisch bedingten Liquiditätsproblem, Schmitz versicherte, dass man die Probleme im Griff habe und dass sein Vertrauen in MG-Chef Schimmelbusch ungebrochen sei.

Milliardenverluste realisiert
Auf der außerordentlichen Aufsichtsratsversammlung am 17. Dezember 1993 war davon keine Rede mehr. Dem Kontrollgremium führte Schmitz seinen Duzfreund Schimmelbusch als Sündenbock vor. Der MG-Chef und sein Finanzchef Meinhard Förster wurden, so erklärte es Schmitz den Räten, fristlos gefeuert. Schimmelbusch war der Versager, der Blender. Seine früheren Kollegen ließen kein gutes Haar an ihm. Hatte er nicht seine Dienstvilla auf Firmenkosten zum Luxusdomizil ausbauen, sogar mehrfach die Badezimmer umgestalten lassen? Hatte der Zögling von Ex-Metallgesellschaftschef Karl-Gustaf Ratjen, der von vielen ebenfalls zu den Missmanagern gerechnet wird, nicht nur aus Selbstsucht das viel zu große Rad gedreht?

Überhaupt, wurde der Jesuitenschüler nicht schon früher wegen seiner rabiaten, arroganten Auftritte der Rasputin vom Reuterweg, wo das Hauptquartier der Metallgesellschaft lag, genannt? Schimmelbusch setzte sich nach seinem Rausschmiss mit Frau und Kindern nach New York ab und begann an seiner Rechtfertigung zu arbeiten. In Frankfurt rief die Deutsche Bank derweil den Mann, den sie immer holt, wenn es in ihrem unmittelbaren Einflussbereich brennt: Kajo Neukirchen, der bei Hoesch und KHD bewährte Ausputzer der deutschen Industrie, übernahm das Kommando bei der Metallgesellschaft. Zusammen mit dem Oberkontrolleur Ronaldo Schmitz sollte Kajo Neukirchen retten, was noch zu retten ist.

Für das schwer durchschaubare, hoch komplizierte Ölgeschäft wurde die Ölhändlerin Nancy Kropp angeheuert, die der Deutschen Bank bereits früher, bei der Schieflage des Handelshauses Klöckner ft Co, aus der Patsche geholfen hatte. Kropp löste zügig die Absicherungspositionen auf. Diese Strategie hatte sie zuvor mit dem Aufsichtsrat der Metallgesellschaft abgesprochen. Die Folgen waren fatal: Durch die Liquidierung wurde der Buchverlust von 770 Millionen € realisiert, der kurze Zeit später auf 1,5 Milliarden € hochschnellte. Neukirchen deckte noch weitere faule Geschäfte auf: Rund eine Milliarde € hatte der Konzernchef Schimmelbusch im Industriegeschäft in den Sand gesetzt.

Ein scheinbar geniales Geschäft
Am 5. Januar 1994 kam es zum Aufstand der Gläubigerbanken. Im Hauptquartier der Metallgesellschaft fand das entscheidende Treffen der 120 Kreditinstitute statt, die dem Konzern Geld geliehen hatten. Neukirchen präsentierte die Horrorbilanz und das Sanierungskonzept. Die Großaktionäre Deutsche Bank und Dresdner Bank legten das Finanzierungskonzept vor. Danach sollte die dringend benötigte Finanzspritze von 3,4 Milliarden € durch eine Kapitalerhöhung von nominal 280 Millionen € aufgebracht werden. Die neuen Aktien im Nennwert von 50 € sollten für 250 € emittiert werden.

Als Zeichnungsberechtigte sollten die Großaktionäre Deutsche Bank, Dresdner Bank, die Allianz, Daimler-Benz sowie das Scheichtum Kuwait gelten – entsprechend der Höhe ihrer Anteile. Die übrigen Gläubigerbanken sollten neue MG-Papiere in Höhe ihrer Forderungen übernehmen und alle Großkreditgeber ihre Forderungen in Genussscheinkapital umwandeln, das ab 1996 in Aktien der Metallgesellschaft umgewandelt werden sollte. Zudem sollten weitere 700 Millionen € in Form neuer Kredite von den Gläubigerbanken zur Verfügung gestellt werden, dabei würden die Aktionäre außen vor bleiben. Ein geniales Geschäft für Deutsche Bank und Dresdner Bank – sie hatten zwar als Großaktionäre und Aufsichtsratsmitglieder die Schieflage mitverantwortet, doch an der Sanierung wollten sie mit möglichst geringem Risiko davon kommen. Eine Woche Bedenkzeit wollten die MG-Großaktionäre den Gläubigern gewähren, wenn dann keine Einigung erzielt worden sei, würden sie die MG in den Konkurs fallen lassen.

Als dann auch noch bekannt wurde, dass sich die beiden Großbanken schon für ihre Finanzspritze im Dezember von 1,5 Milliarden € unter den Firmen der MG bedient hatten und sich zwei der profitablen Töchter als Sicherheit übereignen ließen, brach ein Sturm der Empörung los.

Ein banküblicher Sanierungsvorschlag
Als Erster protestierte Manfred Bodin, Chef der Norddeutschen Landesbank Nord/LB, gegen das Diktat der Frankfurter Geldindustrie. Er sei nicht derjenige, der die Metallgesellschaft in den Konkurs treiben wolle, erklärte der Landesbanker aus Hannover, wir wollen einen Beitrag leisten, nicht aber in diktierter Form. Bodin schlug stattdessen vor, der Gesellschaft durch einen Kapitalschnitt und gleichzeitige Kapitalerhöhung neues Geld zukommen zu lassen. Die Abschreibung des Aktienkapitals auf zehn Prozent, und die Heraufsetzung auf den alten Wert durch eine Zahlung von 250 € pro Aktie würde der Metallgesellschaft sogar rund zwei Milliarden € einbringen und die Beteiligung der großen Kreditbanken erheblich verringern. Doch genau diese in Sanierungsfällen durchaus übliche Finanzoperation wollten die Großaktionäre verhindern, weil dann nur sie belastet worden wären und die Gläubigerbanken ihre Darlehen hätten zurückbekommen können.

Deutsche-Bank-Vorstand Carl von Boehm-Bezing, der die Gläubigerbanken koordinieren sollte, reagierte auf den Widerstand der Nord/LB, dem sich auch die WestLB anschloss, mit äußerstem Befremden. Doch es sollte noch schlimmer kommen: Auch die Repräsentanten der sechs französischen Banken unter der Führung der Credit Lyonnais forderten eine finanzielle Schadensbegrenzung für ihre Institute. Die beiden größten privaten Geldhäuser der Republik, die Deutsche Bank und die Dresdner Bank, sollten sich, wie alle anderen Gläubigerinstitute, an der 3,4 Milliarden € schweren Kapitalspritze für die ruinierte MG beteiligen. Als Anteilseigner, Kreditgeber und oberste Kontrolleure hätten sie das Desaster mit zu verantworten, zumal sie sich obendrein – so der Vorwurf der Franzosen – zusätzliche Sicherheiten zugeschanzt hätten. Besonders verärgert waren die Franzosen über die Germanrules, die in anderen Industriestaaten – vor allem in den USA – als unerträglicher Interessenkonflikt sogar strafbar wären, hierzulande aber legaler Bestandteil eines Systems sind, das dem Geld- und Kreditgewerbe auf vielfältige Weise Erträge, Einsicht und Einfluss sichert. Deshalb sollten sie nicht auch noch anderen Instituten, die ohne Vertretung im Aufsichtsrat mit in die Misere gezogen worden sind, rücksichtslos und rüde die Bedingungen diktieren.

Zehn Stunden tobte der Kampf der Banker. Der sonst eher distinguierte Banker von Boehm-Bezing verlor immer wieder die Contenance. Schließlich war klar, dass der Versuch der Deutschen Bank, andere für die eigenen Fehlleistungen zahlen zu lassen, gescheitert war. Mit rund 350 Millionen € mussten sich Dresdner Bank und Deutsche Bank an den Neukrediten beteiligen und auch einen höheren Anteil bei der Kapitalerhöhung übernehmen.

Schwere Managementfehler
Doch damit war der Fall nicht erledigt. Die Schieflage der Metallgesellschaft beschäftigte noch lange Rechtsanwälte und Gerichte. Die geschassten Manager Schimmelbusch, sein Finanzmann Förster, aber auch der Chef der MG Corporation, Arthur Benson, der die spekulativen Ölgeschäfte eingefädelt hatte, klagten gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber und dessen Aufsichtsratschef Schmitz. Die wiederum verklagten die Missmanager auf Schadensersatz.

Doch Schimmelbusch und seine ehemaligen Kollegen im Ölgeschäft bekamen Schützenhilfe von prominenten Experten. Amerikanische Wirtschaftswissenschaftler hatten die Ölgeschäfte der amerikanischen MG-Tochter untersucht. Ihr Fazit: Das Frankfurter Traditionsunternehmen sei im Februar nicht, wie die Aufsichtsräte immer behaupteten, durch spekulative Ölgeschäfte und kriminelle Machenschaften an den Rand des Konkurses manövriert worden. Für die Schieflage von 2,3 Milliarden € seien vielmehr Panikreaktionen, Dilettantismus und Fehlentscheidungen der Deutsche-Bank-Aufsichtsräte verantwortlich.

Statt im entscheidenden Augenblick durchzustarten und neues Geld nachzuschießen, hätten sie befohlen, ein im Prinzip profitables Geschäft vorzeitig abzubrechen. Sie hatten wohl den Überblick verloren, meinte in diesem Zusammenhang Merton Miller, emeritierter Professor der renommierten Chikagoer Universität und Nobelpreisträger. Auch wenn Millers Kritik in erster Linie den Aufsichtsratschef der MG und Deutsche-Bank-Vorstand Schmitz traf, es stand längst viel mehr auf dem Spiel als das Ansehen des ehemaligen Finanzchefs der BASF.

Was wusste der Aufsichtsratschef?
Schlimmer war, dass der Fall für Deutschlands größtes Geldhaus zu einem peinlichen Debakel zu werden drohte. Es passte – wie Hans Martin Buiy und Thomas Schmidt in ihrem Buch Bankenkartell beschrieben haben – vieles in der Geschichte der Metallgesellschaft nicht zusammen. Zweifel bestehen beispielsweise an der Unwissenheit des Aufsichtsratschefs und Deutsche-Bank- Vorstands Ronaldo Schmitz. Die Frage, was Schmitz wusste, trieb auch das Autorenteam um. Ihre Recherchen warfen neue Fragen auf. So habe das Vorstandsmitglied Schmitz nicht gewusst, dass die Deutsche Bank Research seit geraumer Zeit vor Bekanntwerden der Schieflage vom Kauf der Metallgesellschaftsaktie abgeraten habe, weil das Papier fundamental überteuert sei. Auch die dramatische Expansion der Öltermingeschäfte der New Yorker MG-Tochter sei den Bankern im MG-Aufsichtsrat nicht aufgefallen. Dabei sei sogar im Geschäftsbericht der MG von 1991/92 angekündigt worden, dass das Energiegeschäft in New York stark ausgebaut werden sollte. Anfang 1993 ließ die Deutsche Bank per Pressemitteilung erklären, dass sie beabsichtige, gemeinsam mit der Metallgesellschaft spezielle Dienstleistungen im Risikomanagement für Ölprodukte anzubieten.

Schwere Vorwürfe gegen den Aufsichtsratschef Schmutz und die Deutsche Bank habe auch der gefeuerte MG-Corporation-Chef Benson erhoben. Danach soll Schmitz durch seine hektischen Aktivitäten die Verluste im Ölgeschäft verursacht haben. Darüber hinaus hätten die Bank und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG auch Druck auf die Prüfer von Arthur Andersen, die die Bücher der US-Tochter kontrollierten, ausgeübt, damit zum 30. September 1993 statt eines Gewinns bereits ein Verlust von 291 Millionen Dollar ausgewiesen wurde. Dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt nach Ansicht von Bury und Schmidt auch die Ölpreisentwicklung im Jahr 1994. Im April 1994 stieg der Preis für ein Barrel Rohöl wieder über 16 Dollar, im Frühjahr 1995 lag er über 20 Dollar und im Sommer 1996 betrug er sogar 23 Dollar. Bensons Spekulationsgeschäfte hätten der MG ab 1995 satte Gewinne beschert.

Ein einträglicher Vergleich
Interessant ist, dass die Deutsche-Bank-Repräsentanz in New York offensichtlich mit dem Ex-Metallgesellschaftschef Schimmelbusch ins Gespräch und ins Geschäft kommen wollte, falls er bereit sei, ein Vertraulichkeitsabkommen zu schließen. Die Autoren Bury/Schmidt: Besonders pikant an der dubiosen Angelegenheit: Verantwortlich für das gesamte Nordamerika-Geschäft ist niemand anderes als Ronaldo Schmitz. Die Klage gegen den früheren Finanzchef Förster wurde fallen gelassen, weil er sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt hatte, verkündete Schmitz der Hauptversammlung der Metallgesellschaft 1996.

Auch mit Schimmelbusch wollte Schmitz Frieden schließen. Der Bankier versuchte den Aufsichtsräten die Zustimmung abzuringen, Schimmelbusch eine Abfindung und eine Pension zu zahlen sowie durch eine Ehrenerklärung seinen Ruf wiederherzustellen. Schmitz erweckte dadurch den Anschein, auf jeden Fall ein Gerichtsverfahren verhindern zu wollen. Um Druck auf die Deutsche Bank und Schmitz auszuüben, hatte Schimmelbusch auf mehr als 845 Seiten zu der Klage, die die Deutsche Bank und die Metallgesellschaft gegen ihn erhoben hatten, Stellung genommen und detailliert die Vorgänge in der Metallgesellschaft und die Einbindung des Aufsichtsratsvorsitzenden in den Entscheidungsprozess dargelegt. Die Bank wies alle Behauptungen als unwahr zurück.

Dennoch wurde einige Monate später ein Vergleich geschlossen – nach zweimaliger Ablehnung durch die Aufsichtsräte und einiger Nachbesserung wurde Schimmelbusch mit 1,5 Millionen € sowie einer Pensionszusage abgefunden. Auf die Ehrenerklärung musste er allerdings verzichten. Auch sonst haben einige aus dem Desaster ordentlich Profit geschlagen: Wie Der Spiegel berichtete, übernahmen die US-Investmentbank Morgan Stanley und die amerikanische Niederlassung des britischen Investmenthauses Morgan Grenfell zum Preis von Abteilung zentrale Baufinanzierung der Deutschen Bank berechnet hatte. Weil sich Banker nicht gerne von ihren Kunden über den Tisch ziehen lassen, wurde diese Abteilung aufgelöst – auch wegen dieser verheerenden Fehleinschätzung. Schneider hatte sich mit diesem Deal den Ruf erworben, einer der bedeutendsten Immobilienentwickler zu sein. Es gab keine interne Sitzung, die sich mit Projektentwicklungen auseinander setzte, die nicht in irgendeiner Form, zu irgendeinem Zeitpunkt auf den Vorzeigekunden der Bank, Dr. Jürgen Schneider, zu sprechen kam, erinnerte sich 1997 Joachim Plesser, damals noch Vorstandsmitglied bei Schneiders größtem Finanzier, der Tochtergesellschaft Deutsche Centralbodenkredit AG (DCB), als er als Zeuge im Prozess gegen Schneider aussagte.

In jenen Tagen, als alles noch gut schien, sah man schon mal über ein paar Eigenheiten wie den gemieteten Lear-Jet oder die nächtens taghell beleuchtete Königsteiner Villa hinweg, Wer, wie der damalige Commerzbank-Aufsichtsratschef Walter Seipp, Anstoß an Schneiders vergoldeten Zaunspitzen nahm, wurde von den international denkenden Geldmanagern als Kleingeist belächelt. Für solche Bedenkenträger war im globalen Geldgewerbe kein Platz mehr. Da waren schnelle Entscheidungen und Durchsetzungsfähigkeit gefragt, schließlich ging es täglich um Milliarden und der Wettbewerb unter den Banken wird immer härter, wie der damalige Deutsche-Bank-Chef Fiilmar Köpper immer wieder gern betonte.

Ein feines Managementteam
Schneider erschien als ein grundsolider Kunde, mit dem jeder gern ins Geschäft kommen wollte. Dass der Unternehmer sein Firmenimperium als Closed Shop nur um sich und seine Frau gruppiert hatte, wurde als typische Mittelständlerattitüde abgetan. Nur Claudia Schneider-Granzow war noch als Mitgesellschafterin in der alles entscheidenden Dr. Jürgen Schneider GbR, also einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, geduldet. Gemeinsam mit Schneiders Bruder Joachim und den beiden Kindern Ysabel und Nicolai gehörte ihnen die Dr. Jürgen Schneider AG für Immobilien und Grundbesitz, die mit zehn Millionen € atemberaubend unterkapitalisiert war – auch das schien das Kreditgewerbe nicht zu beunruhigen. Er ließ keinen Banker in den Aufsichtsrat und achtete bei seinem kleinen Managementteam auf feine Namen: Gabriele Eick, die ehemalige Chefin der Frankfurter Wirtschaftsförderung, gehörte ebenso dazu wie Ralf Graf Lambsdorff, ein Neffe des renommierten Wirtschaftspolitikers der FDP Otto Graf Lambsdorff. Die meisten Banker störte nicht einmal, dass Schneider eine drohende Pleite gerade noch mit einem Vergleich abgewendet hatte. Das war mindestens zehn Jahre her, wer konnte sich daran schon noch erinnern? Ein Geldhaus wusste es bestimmt, die Hessisch-Thüringische Landesbank: Sie hat sich aus allen Schneider-Engagements herausgehalten.

Nicht so die anderen, wie die Dresdner Bank, bei der Schneider immerhin mit 600 Millionen € in der Kreide stand – von der Deutschen Bank ganz zu schweigen. Wenn Schneider Geld brauchte, musste er nur mit den Auszügen seiner Festgeldkonten wedeln. Guthaben von über 500 Millionen €, wie er sie vorweisen konnte, sind bei Immobilien-Developern – wie sich die Projektentwickler heutzutage nennen – so selten wie die Chance, einen zweiten Hope-Diamant zu finden. Wenn die anderen gerade einmal eine Million auf dem Konto haben, fangen sie schon das nächste Projekt an, erklärte ein Investmentbanker. Verzückt über so viel Geld, das jedoch bei den Instituten geparkt wurde, bei denen Schneider keine Kredite laufen hatte, vergaßen die vom Wettbewerb gestressten Finanzmanager sogar die einfachsten Sicherheitsbarrieren, die im Kreditgeschäft zu beachten sind.