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Inventur der Finanzen — Was habe ich zu tun

Es mag natürlich sein, dass Sie gerade erst anfangen, sich mit dem Vermögensaufbau zu beschäftigen. In den meisten Fällen dürften jedoch schon einige Bausteine vorhanden sein. Für die individuelle Planung heißt das, diese Bestände zu berücksichtigen und für eine vernünftige Verteilung des Vermögens auf unterschiedliche Komponenten zu sorgen. Wer beispielsweise schon gut über gesetzliche und private Rentenversicherungen abgesichert ist, kann höhere Risiken und damit Kurschancen eingehen als jemand, der am Anfang des Berufslebens steht und noch gar keine Grundlage geschaffen hat.

Bei Angestellten und manchen Selbstständigen sind die Ansprüche aus der gesetzlichen Altersversorgung der Dreh- und Angelpunkt. Realistischerweise muss man leider sagen, dass eine eindeutige Einschätzung der Rentenhöhe heutzutage nicht mehr möglich ist. Was sicher ist: Sie wird geringer ausfallen als angenommen. Die unterschiedlichsten Aspekte, die hier eine Rolle spielen, können in dieser Webseite für Finanzen schon aus Platzgründen nicht erörtert werden. Vor allem Arbeitnehmer, die noch Jahrzehnte einzahlen müssen, können sich allenfalls auf so etwas wie das Sozialhilfeniveau verlassen, allerdings auch davon abhängig, wie lange eingezahlt werden darf.

Welche Rendite die Einzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse bringen, ist umstritten. Es gibt nämlich unterschiedliche Methoden, sie zu berechnen. Je nachdem, welches Verfahren man ansetzt, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen – natürlich immer im Sinne der eigenen Interessen, so man sie in diesem Bereich hat. Das Handelsblatt stellte in seiner Ausgabe vom 28.7.2006 drei Rechnungen gegenüber (vgl. Doemens 2006): Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) als gesetzlicher Träger kommt zu anderen Ergebnissen als das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG), das von Finanzdienstleistern unterstützt wird, oder die Stiftung Warentest.

Dabei unterstellen alle Institutionen, dass nur 80 Prozent der Beiträge für die Rente verwendet wird, der Rest wird für Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenenschutz aufgewendet. Unterschiede ergeben sich bei der Behandlung des Staatszuschusses. Die DRV bezieht ihn nicht ein, was die Rendite der Beiträge erhöht. Zudem weichen die Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung ab. Alle Werte sind nominal, das heißt die Inflation muss noch abgezogen werden. Insgesamt wird aus verfassungsrechtlichen Gründen damit gerechnet, dass immer mindestens die gezahlten Beiträge ausgezahlt werden, die reale Rendite bewegt sich aber für die Jüngeren gegen Null. Das IWG prognostiziert für die jüngeren Männer real noch 0,3 Prozent Rendite.

Prognostizierte Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung

Angaben in % pro Jahr       DRV         Stiftung          Warentest      IWG

Geburtsjahr 1940

Männer                                  3,5                  3,5                  3,5

Frauen                                   4,1                 4,0                 4,4

Geburtsjahr 1955 (IWG 1960)

Männer                                  2,8                  2,0                  2,1

Frauen                                  3,4                  2,6                 2,9

Geburtsjahr 1965 (IWG 1970)

Männer                                  2,8                  1,7                  1,8

Frauen                                   3,4                 2,2                 2,6

Für Ihre private Finanzplanung spielen daher nur solche Ansprüche eine Rolle, die einigermaßen realistisch planbar sind. Auch hier gilt die Beobachtung, dass nur wenige Haushalte einen umfassenden Überblick über ihre (möglichen) Ansprüche gegenüber Versicherungen, den Bestand an Spareinlagen und Depotstände haben. Manchen ist das alles zu kompliziert, andere wollen vor Kursverlusten die Augen verschließen. Beides sollte nicht (mehr) als Argument herhalten, nicht regelmäßig ein Auge darauf zu haben.

Viele Anleger haben im Zuge der Kurseinbrüche an den Börsen 2000-2003 viel Geld verloren und versucht, dieser Erkenntnis durch Nichtbeachtung des Depotauszugs zu entgehen. Damit haben sie aber oft die Chance verpasst, an den Kurssteigerungen seit 2003 zu partizipieren. So wurden die alten Aktien im Depot gelassen, obwohl der Markt ganz andere Branchen favorisierte. Durch Umschichtung, vor allem weg aus Technologie und Telekommunikation, hätte sich das Ergebnis wesentlich verbessern lassen können.

In diesem Schritt gilt es nun, Inventur zu machen, den Versicherungsordner zu durchforsten, die Depotauszüge zusammenzusuchen und über den Wert vorhandener Immobilien zu sinnieren. Dabei gilt aber auch, keine Hoffnungswerte zusammenzutragen, sondern den realistischen aktuellen Wert zu ermitteln und gegebenenfalls eine konservative Schätzung zum Beispiel für den Renteneintritt vorzunehmen. Die so erfassten Werte können als Bestandswert bei der Finanzplanung eingetragen werden. Einige Menschen machen dies allerdings nicht, weil sie sagen, Immobilien, Rente blieben außen vor, weil sie nicht angetastet werden sollen. Das ist einerseits verständlich, kann aber auch zu einer völligen Fehlplanung des Vermögens führen, weil zu viele risikoarme Komponenten enthalten sind und damit die Wertentwicklung unnötig behindert wird.

Beispiel:
Ein Anleger verfügt über ein abbezahltes Haus, eine gesetzliche Rentenversicherung und zusätzlich eine betriebliche Altersversorgung. Er ist Ende Fünfzig und macht sich Gedanken über die Struktur seines Anlagevermögens. Aufgrund des Alters könnte man nach der klassischen Lehre nicht zu 100 Prozent Aktienanteil raten, eher zu 50 Prozent oder weniger. Andererseits gibt es aber kaum noch existenzielle Risiken, ein möglicher Hausumbau könnte über eine Hypothek finanziert werden. Der Anleger könnte also recht risikofreudig investieren, übliche Durststrecken stellen kein ernsthaftes Problem dar. Er hätte damit die Chance auf deutlich höhere Erträge als bei einer reinen Rentenanlage.

Folgende Positionen sind für die Bestandsaufnahme des Vermögens zu berücksichtigen:

Regelmäßige Leistungen
Diese können nicht direkt mit einem Depotwert oder einer Auszahlungssumme verglichen werden, weil ihr Wert letztlich von der Lebensdauer abhängt. Sie verringern aber die Notwendigkeit, aus dem Vermögen Zahlungen für den Lebensunterhalt zu entnehmen:

•Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung – Grundlage: Garantiewerte bzw. aktuell erreichte Leistung pro Monat (der letzten Wertmitteilung zu entnehmen). Wenn die Daten nicht verfügbar sind, alternativ die gezahlten Beiträge ansetzen, und zwar ohne Verzinsung (aus den alten Gehaltsabrechnungen ersichtlich). Ebenso unter Berücksichtigung von Renteneintrittszeitpunkt und Höhe der gesetzlichen Rente steuerliche Effekte beachten! Informationen zur Besteuerung der Alterseinkünfte in Deutschland bekommen Sie zum Beispiel über die Website des Finanzministeriums (Bundesfmanzministerium – am besten in der Suchfunktion Alterseinkünftegesetz eingeben).
•Ansprüche aus Zusatzrenten (Riester/Rürup).
•Ansprüche aus gesetzlicher Rentenversicherung – Grundlage ist die letzte Renteninformation: verwenden Sie nur den aktuellen Anspruch, keinen hochgerechneten.
•Ansprüche aus privater Rentenversicherung – Nur die garantierten Zahlungen ansetzen, die bisher erreicht wurden, weil immer weniger Überschüsse erwirtschaftet werden. Wenn Angehörige existieren, auch auf die Mindestzahlungsdauer achten. Im Todesfall ergibt sich mitunter noch eine Teilabsicherung für Ehepartner und Kinder, meist jedoch im Umfang sehr beschränkt. Auch hier spielt die Frage der Besteuerung eine Rolle.

Werte
Das sind liquidierbare Bestände an Wertpapieren, Sachgütern,

Immobilien:
•Immobilien – Anzusetzen ist ein realistischer Verkaufspreis, der die Marktsituation berücksichtigt. Bei Schätzurigen über längere Zeiträume sind Wertveränderungen durch das regionale Umfeld, Wohlstandsentwicklung und den baulichen Zustand des Hauses zu beachten.
•Kapitallebensversicherungen – Auch hier sind nur Rückkaufsbeziehungsweise Garantiewerte anzusetzen, nicht die prognostizierten Ablaufleistungen. Diese werden heute immer seltener erreicht. Je nach Laufzeit und Abschlusszeitpunkt kann es zur Steuerpflicht für den Auszahlungsbetrag kommen, so dass netto geringere Leistungen anfallen.
•Sparguthaben – Je nach Vertragsmodell sind die eingezahlten Beiträge beziehungseise der aktuelle Auszahlungsanspruch anzusetzen.
•Wertpapiere – Relevant ist zunächst der aktuelle Depotwert. Bei der Hochrechnung auf spätere Zeitpunkte können bei sicheren Renten (zum Beispiel deutsche Staatsanleihen) die Nennwerte zum Fälligkeitsdatum zuzüglich der Zinsen angesetzt werden. Eventuelle Kursverluste seit dem Kauf dürfen nicht vergessen werden.
•Erbschaften – Ein Thema, das zu Lebzeiten des Erblassers ungern angesprochen wird. Gerade wenn es um Immobilien geht, sollte das Thema nicht vernachlässigt werden.

Häuser und Wohnungen zählen zwar zu den sichereren Anlagen, unterliegen aber auch Preisrisiken!
Das Resultat kann in einem Vermögensinventar übersichtlich dargestellt werden.

Sehen wir uns nun das Beispiel der Familie Müller an. Herr Müller hat Ansprüche aus einer betrieblichen Rentenversicherung, Frau Müller zahlt seit einigen Jahren in eine private Rentenversicherung ein. Die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung können aufgrund der unzuverlässigen Mitteilungen nur sehr grob geschätzt werden. Immobilien sind nicht vorhanden. Auf die Tochter ist (aus Renditegründen) eine Lebensversicherung abgeschlossen worden. Dazu kommen ein kleiner Sparplan bei einer Bank sowie ein Depot, in dem einige Rentenfondsanteile ihr Leben fristen. Insgesamt kommen die in Tabelle gezeigten Positionen zustande.

Beispiel eines Vermögensinventars

Vermögensinventar               Bezugsjahr               Zahlung                heutiger Wert

regelmäßige Einnahmen

Rente Betrieb                       2023                           350 EUR mtl.            4 000 EUR

Rente gesetzlich                  2023                           1200 EUR mtl.

Rente privat                          2020                          280 EUR mtl.            6 000 EUR

Rente privat

sonstige

einmalige Einnahmen

Immobilienbesitz

Lebensversicherung           2018                        50000 EUR               26000 EUR

Lebensversicherung

Guthaben Konto                                                                               2 000 EUR

Guthaben Sparplan                                                                           2 400 EUR

Depotwert                                                                                    10 600 EUR

Depotwert

Erbschaft

Sonstige

Wenn diese Aufstellung erst einmal gemacht ist, dann stellt sich vielleicht heraus, dass schon etwas zu viel oder auch zu wenig Vorsorge betrieben wurde. Dies ist für die weitere Planung zu berücksichtigen. Es ist aber auch ein schöner Zeitpunkt, um etwas zu verändern. Vor allem bei Versicherungsverträgen ist zu prüfen, ob der Bestand noch zur Lebensplanung passt und noch angemessene Renditen erzielt werden.

Beispiel:
Eine Anlegerin in den Vierzigern stellt fest, dass sie bereits mehr als ausreichend versichert ist. Neben der betrieblichen Altersvorsorge hatte sie in den neunziger Jahren verschiedene Lebensversicherungsverträge abgeschlossen, bei denen die Rendite inzwischen deutlich gesunken ist. Dafür hat sie aber auf einen Riester- Vertrag verzichtet. In Wertpapiere hat sie mangels verfügbaren Einkommens nicht investiert. Eine spontane Kündigung von Lebensversicherungen ist meist nicht sinnvoll, weil die Wertentwicklung anfangs schlechter ist und mitunter eine Versteuerung erfolgt. Für diese Anlegerin bietet es sich an, mindestens eine Lebensversicherung beitragsfrei zu stellen und das Geld statt- dessen in einen Riester-Vertrag sowie am Kapitalmarkt zu investieren. Die Versicherung läuft dann sozusagen mit den alten Beiträgen weiter, der Verlust ist wesentlich geringer als bei einer Kündigung.

Wenn der Finanzplan wie im hier gezeigten Fall bis zur Rentenzeit reicht, dann stellt sich die Frage, wie viel Kapital denn am Ende vorhanden sein muss. Sind ioo 000 Euro ausreichend oder braucht man eine Million? Wie üblich kommt es darauf an, und zwar auf die bis dahin erreichten Ansprüche an die Rentenversicherungsträger. Letztlich muss auch jeder selbst entscheiden, welchen Lebensstandard er erreichen will. Für manche ist das Vermögen reiner Luxus, andere benötigen es, um überhaupt ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.

Stehen 100 000 Euro zur Verfügung, dann können bei 6 Prozent Zinsen – das entspricht einer Rendite von 6000 Euro im Jahr – 500 Euro pro Monat entnommen werden, ohne dass Kapital verzehrt wird. Geht man konservativ von nur 4 Prozent Zinsen aus, dann bleiben monatlich 333 Euro übrig.

Um 2 000 Euro monatlich zu erhalten, benötigt man schon ein Kapital von 600 000 Euro bei 4 Prozent Zinsen. Wenn nun noch Steuern berücksichtigt werden, sind zum Beispiel 750 000 Euro erforderlich. Dann könnte sich der Rentner 20 Prozent Steuerabzug leisten und käme noch auf 2 000 Euro.