Den größten Aderlass an Arbeitsplätzen in der jüngsten Vergangenheit verursachten die Banken jedoch selbst durch ihren Hang zu Größenwahn, Allmacht und Omnipräsenz in allen Märkten und Sparten des Geldgeschäfts. Zigtausende von Jobs sind seit Mitte der 1990er Jahre, bereits abgebaut worden, weil Banken zusammengelegt und dadurch entstandene Doppelbesetzungen abgeschafft wurden. Nicht zum Wohl der Kunden und Mitarbeiter oder gar der Aktionäre – wie das Beispiel der HypoVereinsbank zeigt.
So einfach wollten sich die Kleinaktionäre nicht abspeisen lassen. Die einhundertdreißigste und zugleich letzte Hauptversammlung der HypoVereinsbank sollte allen Beteiligten- vor allem aber dem Chef des Hauptaktionärs Unicredito Italiano, Alessandro Profümo, in Erinnerung bleiben. Deshalb heben es Kleinanleger und die Sprecher der Aktionärsschützerverbände ordentlich krachen. Jahrelang haben wir Krisen und Verluste ertragen, sind durch knietiefen Sumpf mitgewatet und werden jetzt vom Großaktionär Unicredit einfach rausgeschmissen, klagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Auch Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) stimmte in das Klagelied mit ein: Was für ein jämmerliches Ende mit unserer HVB heute! Ich bin von der Geburt bis zur Beerdigung dabei gewesen, sagte er und fügte hinzu: Spaß gemacht hat’s wirklich nicht.
Sie nehmen die Aktionäre aus, schimpfte lautstark SdK-Sprecher Petersen. DSW-Frau Bergdolt legte unter dem tosenden Beifall der 800 Aktionäre nach: Unicredit hat die HVB ausgeschlachtet. Die Italiener handelten unredlich und unfair. Zwei Tage dauerte diese letzte Hauptversammlung, die gleichzeitig das Schicksal der einst zweitgrößten deutschen Privatbank besiegelte. Die protestierenden Aktionäre konnten die komplette Übernahme der HypoVereinsbank nicht aufhalten. Im Herbst 2007 wird die Bank vom Kurszettel gestrichen und ein unrühmliches Kapitel in der deutschen Bankengeschichte geschlossen werden.
Kampf der Giganten
Im Sommer 1997 fand in München eine denkwürdige Verlobung statt. Die beiden Lokalmatadore – besser passen würde vermutlich: Erzrivalen – die Bayerische Vereinsbank und die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank wollten zu einem Bankkonzern verschmelzen.
Kupplerdienste bei dieser überraschenden Verbindung verrichtete damals, wenn auch unfreiwillig und auf Umwegen, der damalige Deutsche-Bank-Chef Hilmar Köpper. Im letzten Jahr seiner Amtszeit als Vorstandssprecher von Deutschlands größtem Geldkonzern machte Köpper einen entscheidenden Zug, der das gesamte deutsche Banken- und Versicherungswesen für die nächsten Jahre beschäftigten würde: Die Deutsche Bank hatte sich heimlich, still und leise einen Anteil von 5,2 Prozent an der Bayerischen Vereinsbank zusammengekauft.
Als er diesen Coup dem Chef der bayerischen Regionalbank offenbarte, reagierte Albrecht Schmidt abweisend: Wir wollen eine eigenständige, große deutsche Bank mit Sitz in München bleiben, sagte er dem Chef des größten deutschen Kreditinstituts. Auch andere fanden den Vorstoß des Bankmanagers nicht erbaulich. Allianz-Konzernherr Henning Schulte-Noelle gefiel der Einbruch der Frankfurter in sein Territorium überhaupt nicht.
Mit diesem Kauf hatte die Bank eine seit Jahrzehnten etablierte Grenze überschritten, die die Bereiche Versicherungswirtschaft auf der einen und Bankwesen auf der anderen trennt. Die größte deutsche Bank und der größte deutsche Versicherer hatten damals noch ihre eigenen Einflusssphären mit gegenseitigen Beteiligungen. Die Manager beider Konzerne trafen sich in Aufsichtsräten der großen Unternehmen, aber ihre Geschäfte liefen weitgehend getrennt – der eine kümmerte sich um die Konten, Sparbücher, Kredite und Wertpapiere, der andere um die Absicherung von Personen und Unternehmen gegen alle Widrigkeiten des Lebens. Mit dieser Arbeitsteilung kamen sich die beiden Konzerne jahrzehntelang nicht ins Gehege. Die friedliche Koexistenz der beiden Branchenriesen wurde durch den Vorstoß von Köpper gefährdet, denn die Bayerische Vereinsbank gehörte eindeutig zum Satellitensystem des Allianz- Konzerns. Sie war zudem einer seiner Aktionäre. Mit dem Kauf des Bayerische -Vereinsbank-Aktienpakets hatte sich die Deutsche Bank zu weit vorgewagt.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, Vereinsbank- Chef Schmidt und der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank, Eberhard Martini, begannen über eine Fusion zu verhandeln – mit Billigung und vermutlich sogar auf Initiative von Allianz-Chef Schulte-Noelle. Der Versicherungskonzern hielt rund 20 Prozent an der Hypobank. Wie Der Spiegel berichtete, suchte der Allianz-Chef seit längerem nach einem starken Partner für das Institut, weil dessen Rentabilität zu jener Zeit durch viele riskante Kreditengagements sowie spekulative Immobiliengeschäfte in Milliardenhöhe gefährdet war.
Hypobank-Chef Martini trotzte zwar lange dem Begehren seines Großaktionärs, doch im Sommer 1997 musste er der Offerte der Vereinsbank zustimmen. Die Choreographie des bayerischen Pas de deux war schnell skizziert, die beiden Bankchefs der traditionell eher verfeindeten Regionalinstitute einigten sich auf einen merger of equals.
Allerdings gab es von Anfang an keinen Zweifel daran, dass einer gleicher als andere sein würde und die Vereinsbank die Hypobank schlucken würde. Den Hypobank-Aktionären wurde ein 6:l-Clou angeboten, für sechs Hypobank-Anteilsscheine gab es eine Allianz-Aktie aus dem Bestand der Vereinsbank. Die bayerische Landesregierung unterstützte die Fusion, die den Abbau von Arbeitsplätzen, die Schließung von Filialen nach sich ziehen und die Konzentration auf weniger Bankinstitute beschleunigen würde, mit einem großzügigen Steuerverzicht. Eigentlich hätte der Wertzuwachs der Allianz-Aktien bei ihrer Veräußerung versteuert werden müssen. Doch die Landesregierung gewährte für den Aktientausch Steuerbefreiung und verzichtete dadurch auf Steuereinnahmen von fünf Milliarden €.
Insgesamt übernahm die Vereinsbank 45 Prozent der Hypobank. Deren ehemaliger Chef und frühere Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Eberhard Martini, erhielt ein Aufsichtsratsmandat, sogar ein Teil des Namens wurde übernommen: Das neue Unternehmen hieß Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, kurz HypoVereinsbank, geführt wurde es vom Chef der alten Vereinsbank, Albrecht Schmidt.
Am 1. September 1998 wurden die beiden Institute offiziell zur zweitgrößten deutschen Privatbank verschmolzen. Der Allianz gehörten an dem neuen Koloss des deutschen Finanzmarktes 17,6 Prozent der Anteile, der Münchner Rück 6,5 Prozent, der Viag 8,2 Prozent und dem Freistaat Bayern 6,8 Prozent. 60,9 Prozent der Anteile befanden sich in Streubesitz. Die Deutsche Bank hatte ihre Beteiligung an der alten Bayerischen Vereinsbank wieder zurückgegeben.