Mit dem Best-Price-Prinzip waren die Stuttgarter die Ersten, die den Anlegern einen Aktienpreis garantierten, der mindestens so günstig ist wie der Xetra-Preis. Inzwischen haben das alle nachgemacht – zum Vorteil der Anleger und um den Umsatz zu fördern. Stuttgart hat in der Vergangenheit unter anderem dafür den Titel -beste Börse Deutschlands- erhalten und möchte diese Auszeichnung auch in Zukunft behalten. Deshalb wurden Ende 2000 neue Dienstleistungen für Privatanleger angeboten. Im Zentrum der neuen Offensive steht das Intelligent Quote System. Es soll dem Anleger die exklusive, bestmögliche Ausführung seiner Wertpapieraufträge ermöglichen.
Wesentliche Bausteine sind vollautomatische Limitkontrollsysteme und die Erweiterung des Best-Price-Prinzips auch auf ausländische Börsen, und zwar zunächst für die Eurostoxx-50-Werte, das sind die 50 führenden europäischen Aktien. Wenn zum Beispiel ein Anleger Nokia- oder Unilever-Aktien kaufen will, erhält er sie an der Stuttgarter Börse mindestens zu dem Preis, den er an den so genannten Heimatmärkten, hier in Helsinki oder Amsterdam, hätte zahlen müssen. In der Regel sind nämlich die Aktien am Heimatmarkt billiger als an anderen Börsen, ganz einfach weil dort mehr davon vorhanden sind. Das bedeutet, die Anleger müssen sich nicht mehr um unterschiedliche Handels- und Abwicklungsmodalitäten sowie Abwicklungskosten auf verschiedenen, auch ausländischen, Märkten kümmern. In Stuttgart suchen so genannte Personal Order Guides auf den wichtigen Märkten für das jeweilige Wertpapier den jeweils günstigsten Preis und führen die Order zu diesem Preis aus. Die Personal Order Guides werden mit Eintreffen einer Order aktiv. Jeder Auftrag wird sofort unter Mithilfe vollelektronischer Limitkontrollsysteme auf seine Ausführbarkeit untersucht. Besteht bei Auftragseingang keine Möglichkeit zum An- und Verkauf, wird die Order während der gesamten Handelszeit permanent elektronisch auf Ausführung überprüft.
Alle im Zuge einer Auftragsausführung angesammelten Daten stehen der Handelsüberwachung beziehungsweise der Börsenaufsicht zur Verfügung. Darüber hinaus können die Anleger selbst die Arbeit der Personal Order Guides überprüfen. Die entsprechenden Daten sind im Internet abrufbar. Ende 2000 hat die Börse Stuttgart ihr Internetangebot boerse-stuttgart*de weiter verbessert. Als erste Börse in Deutschland bietet sie über ihre Website eigene Echtzeitkurse an. Anleger können kostenlos in Realtime darauf zugreifen. Sie müssen sich lediglich registrieren lassen. Die Kursentwicklungen anderer Börsen werden allerdings noch zeitverzögert dargestellt – ein technisches Problem oder Absicht? Kursgrafiken und Nachrichten zu den jeweiligen Aktienkursen gibt es ebenfalls in ausreichender Zahl.
Darüber hinaus können die Anleger ihr persönliches Portfolio zusammenstellen und über eine Watch-Liste permanent im Auge behalten. Aktuelle Nachrichten über das Geschehen an den Märkten sowie ein Kurslaufband runden das Angebot ab. Für Börsenvorstand Dr. Peter Ladwig ist dieses nur ein erster Schritt. Da das Bedürfnis des Privatanlegers nach umfassender und neutraler Information ständig zunimmt, will er sein Internetangebot noch wesentlich verbessern und erweitern.
Frankfurter Börse: die Macht am Main
Wer hätte das gedacht: Auch der Marktführer am Main, lange mit großen Plänen für internationale Allianzen und sogar Fusionen beschäftigt, hat den Kleinanleger entdeckt. Als Kunden und sogar als Aktionär, denn die Frankfurter Börse ist jetzt selbst an der Börse und kann ge- und verkauft werden. Das war noch vor einigen Jahren undenkbar. Aber: Immer noch 80 Prozent aller Transaktionen im traditionellen Parketthandel (außer Xetra) entfallen auf Privatleute, und die will man halten und nicht an die Regionalbörsen abwandern lassen. Seit Februar 2001 bietet deshalb auch die Frankfurter Börse wie die Regionalbörsen in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart ein spezielles Internetportal für den Privatanleger, und zwar unter neuermarkt*com. Abzurufen sind in Echtzeit die Kurse der deutschen Börsen und zumindest zeitnahe Kurse von den wichtigsten internationalen Märkten sowie aktuelle Nachrichten, daneben gibt es Links zu ausgewählten Onlinebrokern. Bisher gehören dazu Comdirect, Entrium Direct Bankers, Eqonline und die 1822direkt. Diese Dienstleistungen sind kostenlos. Demnächst soll der Kleinanleger auch die Möglichkeit erhalten, Analystenreports herunterzuladen, was aber kostenpflichtig sein wird.
Ein Blick ins Orderbuch gefällig?
Über Xetra Life kann nun der Kleinanleger in das Xetra-Orderbuch schauen, muss dafür allerdings eine Anmeldegebühr von 25 Euro und außerdem 46,50 Euro monatlich für die Nutzung zahlen. Hier kann man verfolgen, mit welchen Stückzahlen und zu welchen Preisen ein Wertpapier aktuell nachgefragt oder zum Verkauf angeboten wird. Damit ist man fast dem Profi gleichgestellt – aber nur fast. Denn für den Privatmann oder die Privatfrau gibt es für jede Aktie nur jeweils die fünf besten Verkaufs- und Kaufangebote, der Profi kann alle vorhandenen Orders sehen. Aber der Kleinanleger kann ja zusätzlich noch die Zahl der gehandelten Aktien eines Unternehmens abrufen, den aktuellen Kurs sowie Tageshöchst- und -tiefststände.
Durch solche Informationen wird er in die Lage versetzt, seinen eigenen Auftrag besser zu limitieren, und er kann einschätzen, welche Limits überhaupt realistisch sind. Und weil er auch sieht, wie viel Stück einer bestimmten Aktie zum Verkauf angeboten werden, kann er bis zu einem gewissen Grade einen Trend erkennen. Eine große Anzahl auf der Briefseite, also der Verkaufsseite, kann auf einen Abgabedruck und fallende Kurse hinweisen. Direkt handeln kann der Privatanleger über Xetra Life aber noch nicht, der Auftrag selbst läuft weiter über einen Broker oder eine Bank. Auch eine Best-Price-Garantie, wie sie die Regionalbörsen bieten, gibt es in Frankfurt nicht.
Als weiterer Service für Privatanleger soll Mitte 2002 auch in Frankfurt die Mindestauftragsgröße für Xetra-Orders im Bereich der DAX- und MDax- Werte von derzeit in der Regel 100 Stück auf eine Aktie gesenkt werden. Für den Parketthandel soll als Erwiderung der von Berlin angekündigten Halbierung der Maklercourtage eine Servicegebühr eingeführt werden, die die Maklercourtage ersetzt, über deren Höhe aber noch nichts bekannt ist. Beim Xetra-Handel entfällt diese Gebühr ja sowieso. Wenn es schon die Deutsche Börse AG in Frankfurt nicht tut, so werden die Frankfurter Kursmakler demnächst auf eigene Faust ein System anbieten, das eine Best-Price-Garantie gibt. ICF, der Zusammenschluss aus neun amtlichen Kursmaklern in Frankfurt, baut als Erster in seiner Branche ein eigenes elektronisches außerbörsliches Handelssystem (Electronic Communications Network = ECN) auf. Ab April 2001 wollen sie über das ICF German Trading System den besten Preis für rund 500 Aktien an allen deutschen Parkettbörsen und Xetra garantieren, und zwar für Orders in Höhe von bis zu 50 000 Euro. Dabei soll keine Maklercourtage anfallen. Privatanleger können diesen Service ebenfalls nur über ihre Bank oder einen Broker in Anspruch nehmen.
Börsen an der Börse
In der Branche gab es bisher weltweit nur zwei börsennotierte Unternehmen, die schwedische Börsengesellschaft OM Gruppen und die australische Börse. Als die Deutsche Börse Ende Januar 2001 ihre Aktien an den Mann bringen wollte, bemühte sie sich auch um den Kleinaktionär, obwohl der Ausgabepreis mit 335 Euro eigentlich ziemlich hoch war. So stand zum Beispiel tagelang ein Truck vor dem Börsengebäude in Frankfurt, und man konnte nicht daran vorbeikommen, ohne aufgefordert zu werden, doch auf den DAX zu wetten. Und es waren keine seriös auftretenden Herren im dunklen Anzug, welche die Vörbeigehenden ansprachen, sondern smarte Youngsters in Sweatshirt und kurzem Blouson, wie sie sonst in Promotiontruppen für Lifestyleprodukte auftreten. Insgesamt wurden 3,2 Millionen Aktien verkauft, und das Orderbuch war 23fach überzeichnet. Nach Abzug der Aktien, die die Altaktionäre bezogen haben, und derjenigen, die für Mitarbeiter der Deutsche Börse AG reserviert waren, verblieben 2,75 Millionen Aktien, die zu 80 Prozent an institutionelle und zu 20 Prozent an private Kleinanleger gingen.
Obwohl man sich nach außen sehr demonstrativ um den Kleinanleger bemühte, war die wichtigste Zielgruppe aber nicht das breite Publikum, wie Börsenchef Seifert schließlich zugab. Er würde vor allem gern große amerikanische Brokergesellschaften, Fonds und Versicherungen als neue Anteilseigner begrüßen sowie Technologie- und Medienunternehmen, insbesondere die, welche Börseninformationen verbreiten. Also nach Möglichkeit nur solche Investoren, die selbst mit der Börse als Kunde ihr Geld verdienen. Warum? Weil die nicht an einer Dividende interessiert sind wie viele Kleinaktionäre. Seifert sagte wörtlich: Mein Ziel ist ganz klar, dass die Aktionäre keine Dividende haben wollen, sondern alles Geld in der Company lassen, weil es einfach besser angelegt ist. Apropos Dividende, früher wurde darüber noch anders gedacht. Nur zur Erinnerung, die Deutsche Börse AG wurde bereits 1992 gegründet. Da gab es aber keine Kleinaktionäre, die Anteile lagen zu 85 Prozent bei Banken, Sparkassen und anderen Finanzdienstleistungsinstituten, zu 10 Prozent bei den Regionalbörsen und zu 5 Prozent bei den Kursmaklern. Und es war üblich, die Gewinne immer ganz an die Aktionäre zu verteilen. Diese Zeiten sind vorbei, erklärte der Börsenfinanzchef Mathias Hlubek. Man werde sich bei künftigen Dividenden an Unternehmen orientieren, die bei Größe, Entwicklung, Wachstums- und Gewinnperspektiven mit der Frankfurter Börse vergleichbar sind. Nachtigall, ick hör dir trapsen!