Weil der Arbeitgeber eine Vielzahl von Bewerbern kennen lernt, bat er für seine Auswahl die besten Vergleichsmöglichkeiten, aber die Wahl ist umso schwieriger, je geringer die Qualifikationsunterschiede sind. Dafür hat er klar vorgegebene Kriterien, nach denen er seine Entscheidung trifft:
– objektive Kriterien, das heißt fachbezogene Aspekte
– subjektive Kriterien, das heißt personen- bzw. bewerberbezogene Aspekte
– unternehmensbezogene Kriterien, das heißt gemischte Aspekte, die sich aus organisatorischen und persönlichen Belangen ergeben können
Die Freiheit der Wahl des Arbeitgebers ist jedoch da eingeschränkt, wo die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates betroffen sind.
Objektive Kriterien
Bei den objektiven, das heißt fachbezogenen Kriterien ist zu prüfen, ob der Bewerber im Hinblick
auf seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und etwaige positionsbezogene Zusatzkenntnisse geeignet ist, die ausgeschriebene Position zu besetzen. Viele Personalleiter machen sich vor der Entscheidung ein exaktes Raster zum Bewerberprofil (siehe Beispieltabelle). Die Bezeichnungen
B1 und Folgende stehen für die Bewerber.
Anforderungen objektiv | B1 | B2 | B3 | B4 | B5 | B6 | B7 |
Abitur | + | + | + | + | + | – | – |
Ausbildung als Verlagskaufmann | + | + | + | + | – | + | – |
Berufserfahrungen mehr als 3 Jahre | + | + | + | 2 | + | + | 1 |
SAP-Kenntnisse | + | + | – | – | – | + | + |
Englisch sehr gut | + | + | – | + | – | + | + |
Fachgespräch | + | + | + | – | + | + | – |
Die Bewerber 1 und 2 erfüllen die vorgegebenen Anforderungen. Der dritte Bewerber hatte keine SAP-Kenntnisse und konnte nur ausreichend Englisch, ließ aber im Bewerbungsgespräch durchblicken, dass er andere EDV-Programmkenntnisse habe und sich rasch in SAP einarbeiten könne, auch sein Englisch könne er aufpolieren. Der vierte Bewerber hatte keine SAP-Kenntnisse, nur zwei Berufsjahre Erfahrung und überzeugte im Fachgespräch nicht. Bewerber 5 überzeugte zwar im Fachgespräch, hatte aber drei Minuspunkte bei den fachlichen Anforderungen, während Bewerber 6 alle Voraussetzungen erfüllte, aber kein Abitur, sondern nur einen Realschulabschluss hatte. Der siebte Bewerber zeichnete sich nur durch sehr gute Englisch- und verlagsbezogene SAP-Kenntnisse aus. Die Auswahl zum zweiten Bewerbungsgespräch fiel auf die Bewerber 1, 2 und 6, wobei sich im Ergebnis Bewerber 6 durchsetzte, der dann auch die Position bekam, weil er persönlich am besten geeignet erschien. Damit sind wir bei den persönlichen Auswahlkriterien, die neben den fachlichen einen wichtigen Beurteilungsaspekt für die Bewerbungen darstellen.
Subjektive Kriterien
Die subjektiven, das heißt personenbezogenen Kriterien kann ein Arbeitgeber im Grunde erst im Bewerbungsgespräch ermitteln. Er kann sich aber auch durch aufmerksames Lesen der Bewerberzeugnisse und der Anschreiben ein erstes Urteil bilden. Wenn z.B. Flexibilität im Hinblick auf die Arbeitszeit gefordert wurde und ein Bewerber geschrieben hat, er sei zeitlich ungebunden und auch gerne bereit, bedarfsorientiert zu arbeiten, auch am Wochenende, dann ist das ein deutliches Indiz für Flexibilität. Auch für die subjektiven Kriterien gilt, dass die Beurteilung sich immer danach richtet, was in der ausgeschriebenen Position gefordert ist. Neben Führungsfähigkeiten, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität können das sein: Durchsetzungsvermögen, Konfliktbereitschaft und Teamgeist ebenso wie Loyalität, Offenheit und Belastbarkeit.
Der Arbeitgeber wird bei der persönlichen Beurteilung einerseits im Auge haben, was der bisherige Stelleninhabcr kraft seines persönlich motivierten Einsatzes geleistet (oder auch nicht geleistet) hat (Vergleichsbeurteilung), und andererseits, was er vom neuen Mitarbeiter erwartet (Erwartungsbeurteilung). Der persönliche Beurteilungsfaktor ist neben dem fachlichen zu sehen; er kann aber sehr großes Gewicht haben, wenn jemand nicht alle fachlichen Voraussetzungen erfüllt, jedoch persönlich überzeugt und man davon ausgehen kann, dass er die gestellten Aufgaben bewältigen wird. In aller Regel aber müssen die fachlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Erst wenn man zwei oder drei gleichgewichtige Bewerber hat, gibt die persönliche Beurteilung den Ausschlag. Wenn sich z. B. jemand als Außendienstmitarbeiter bewirbt und alle fachlichen Voraussetzungen erfüllt, dann wird im Bewerbungsgespräch zu prüfen sein, ob dieser Bewerber auch persönlich für die Aufgabe geeignet ist.
Ein eher schüchterner und zurückhaltender Mensch wird hier weniger erfolgreich sein als jemand, der vor Dynamik und Selbstbewusstsein nur so sprüht. Für Sie als Bewerber ist Folgendes wichtig zu wissen: Die fachlichen Beurteilungskriterien können Sie nicht beeinflussen, sie stehen fest anhand Ihrer Unterlagen oder durch Ihre ergänzenden Erläuterungen im Bewerbungsgespräch. Auf die Beurteilung Ihrer Persönlichkeit können Sie jedoch Einfluss nehmen, indem Sie Ihr Interesse an der ausgeschriebenen Position dokumentieren und dadurch, dass Sie bestimmte Eigenschaften unter Beweis stellen, die für die Ausübung dieser Position unerlässlich sind. Für manchen Arbeitgeber zählt die Persönlichkeit mehr als alles andere. Was nutzt es ihm, wenn er einen fachlich versierten Mitarbeiter gewinnt, der nicht mit Menschen umgehen kann oder vielleicht selbst voller Probleme steckt? Deshalb kommt der Beurteilung subjektiver Kriterien bei der Bewerberauswahl sehr hohe Bedeutung zu.
Unternehmensbezogene Kriterien
Neben den personenbezogenen Kriterien spielen bei der Entscheidung des Arbeitgebers für einen Bewerber auch ganz spezifische, unternehmensbezogene Aspekte eine Rolle. So mancher Bewerber, der alle fachlichen Voraussetzungen erfüllt und persönlich gut abgeschnitten hat, stand vor einem Rätsel, wenn er eine Absage bekam. Der Hintergrund ist folgender: Die objektiven, einzig auf die Tätigkeit bezogenen Kriterien genügen nicht, um eine befriedigende Zusammenarbeit zu gewährleisten; der Bewerber muss auch ins Unternehmensgefüge passen. Es ist also darauf zu achten, dass der neue Mitarbeiter mit dem Abteilungsleiter X gut zusammenarbeitet, mit einem bestimmten Team oder auch nur mit einem ganz speziellen Kollegen. Zu denken ist auch daran, dass sich manchmal zwei Mitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen, sich ergänzen und kooperativ arbeiten müssen.
Es wird dann in aller Regel wenig Sinn haben, z.B. Jung und Alt zusammenzusetzen oder Raucher und Nichtraucher oder einen ausgesprochenen Arbeitsmenschen (Workaholic) mit einer Person, die – aus welchen Gründen auch immer – an feste Arbeitszeiten gebunden ist. Ein erfahrener älterer Mitarbeiter wird nicht ohne weiteres stillhalten, wenn er mit einem jüngeren Kollegen konfrontiert wird, der vor Ideen nur so sprudelt und bereits im Vorstellungsgespräch durchblicken ließ, wie er die angebotene Position mit Leben erfüllen werde. Natürlich liegt es in einem solchen Falle am Arbeitgeber selbst, Prioritäten zu setzen. Will man einen innovativ und kreativ denkenden neuen Mitarbeiter haben oder einen, der sich den betrieblichen Begebenheiten nur anpasst? Dies sind nur Beispiele, die Ihnen als Bewerber verdeutlichen sollen, dass der Arbeitgeber bei seiner Bewerbungsentscheidung ganz interne, für Sie nicht erkennbare, Gründe haben kann.
Im Bewerbungsgespräch werden Sie das kaum erfahren. Wenn Sie aber gefragt werden, ob Sie besser mit Frauen oder mit Männern Zusammenarbeiten können oder eher im Team oder lieber für sich arbeiten, dann sind dies deutliche Indizien dafür. Werden Sie auf Derartiges im Gespräch aufmerksam, dann fragen Sie an geeigneter Stelle nach, wer denn Ihre neuen Vorgesetzten und Mitarbeiter sein werden. Für Sie als Bewerber ist es wichtig zu wissen, dass es auch rein unternehmensbezogene Kriterien geben kann, die absolut nichts gegen Ihre Person oder Ihr fachliches Können aussagen. Lassen Sie sich deshalb auch bei gutem Gefühl nach einem Bewerbungsgespräch bei einer Absage nicht entmutigen.