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Schwerbehinderte Bewerber sollen einen Vorteil haben – Bewerbung Tipps und Tricks

Vor einiger Zeit fragte eine große Zeitung einmal „Sind wir ein Volk von Behinderten?“. Hintergrund war einerseits die Tatsache, dass viele Krankheiten und Leiden heute als Behinderung anerkannt werden, und andererseits, dass die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter ständig zunimmt. Das überrascht insofern, als die Arbeitgeber nach dem Schwerbehindertengesetz verpflichtet sind, 5 % und – abhängig von der Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter – ab 1.1.2003 wieder 6 % ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen, stattdessen jedoch lieber die so genannte Ausgleichsabgabe von DM 200,- bis DM 500,- pro Monat (gem. § 11 SchwbG ab 1.1.2001, entspricht € 100,- bis € 250,-) und unbesetzten Pflichtplatz bezahlen. Der Verfasser hatte bereits 1981 durch eine wissenschaftliche Untersuchung den Beweis erbracht, dass sich Arbeitgeber lieber freikaufen statt Behinderte einzustellen (Harmsen, Arbeitgeberverpflichtungen im Schwerbehindertengesetz, 1981, Athenäum, Königstein/Ts.). Grund dafür ist der Umstand, dass viele Arbeitgeber fürchten, schwerbehinderte Arbeitnehmer wegen einer Reihe von Schutzrechten nicht wieder entlassen zu können, und auch, dass sie Minderleistungen erbringen.

Schwerbehinderte (mit einem Grad der Behinderung von 50% und mehr) haben in der Tat eine ganze Reihe von Rechten: z. B. Sonderkündigungsschutz, Zusatzurlaub, Steuererleichterungen und Anspruch auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz. Hinzu kommt, dass die Spruchpraxis der Hauptfürsorgestellen, die vor einer Kündigung regelmäßig angehört und um Zustimmung gebeten werden müssen, zum Teil recht realitätsfremd ist. Kurzum, der schwerbehinderte Bewerber findet zunächst einmal eine denkbar ungünstige Ausgangssituation vor. Dass der in vielen Stellenanzeigen formulierte Satz „Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt“ nicht selten Alibicharakter hat, verstärkt diese ungünstige Situation noch. Viele Bewerber haben auch selbst Angst, ihre Behinderung offen zu legen, besonders, wenn diese nicht sichtbar ist. Spätestens beim Ausfüllen eines Personalfragebogens muss man aber die Wahrheit sagen, will man nachteilige Folgen vermeiden.

Oft scheut sich der Bewerber auch, einem neuen Arbeitgeber gegenüber seine Behinderung in ihren möglichen beruflichen Auswirkungen darzustellen. Mehr als jeder andere muss der schwerbehinderte Bewerber sich mit seiner Situation auseinander setzen und Möglichkeiten finden, sich dennoch im Berufsleben zu behaupten. Am wenigsten schwer ist es noch für diejenigen, die sich bereits beruflich bewährt haben und wegen eigener Kündigung eine neue Tätigkeit suchen, deren Behinderung sie beruflich nie beeinträchtigte und die über sehr gute, auch im Zeugnis dokumentierte Fachkenntnisse verfügen. Wird einem Behinderten vom Arbeitgeber gekündigt (eingedenk der besonderen Regelungen, die nicht selten eine noch so begründete Kündigung unmöglich machen), dann gestaltet sich seine Lage doppelt kritisch: in fachlich-beruflicher Hinsicht als gekündigter Arbeitnehmer und als Behinderter, der obendrein noch Zweifel an seinem Leistungsvermögen zu zerstreuen hat.

Der behinderte Arbeitsuchende ist nicht verpflichtet im Bewerbungsschreiben seine Behinderung anzugeben. Auch beim Vorstellungsgespräch muss er nicht darauf hinweisen, wenn er nicht gefragt wird. Aber es ist unklug die Behinderung zu verschweigen. Denn wenn es zur Einstellung kommt, muss sowieso der Behindertenausweis vorgelegt werden und es erschwert den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, wenn nicht von vornherein gegenseitige Offenheit herrscht. Ohnehin soll sich das Bewerbungsgespräch auf die fachlichen Qualitäten des Kandidaten konzentrieren, weshalb er sich gründlicher als der nicht behinderte Bewerber vorbereiten muss; denn er hat seine Fähigkeiten gegenüber möglicherweise auftretenden Beeinträchtigungen hervorzuheben. Aber auch diese sollte er offen erörtern, um einem späteren Vorwurf vorzubeugen, er habe wesentliche Umstände verschwiegen. Zwar steht er unter dem besonderen Schutz des Schwerbehindertengesetzes; doch mancher Arbeitgeber tut sich gerade deshalb schwer, einen behinderten Mitarbeiter einzustellen.