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Die Pleite der KHD richtig verstehen – detailliertere Information

Kaum hatte Deutsche-Bank-Chef Hilmar Köpper in der letzten Maiwoche des Jahres 1996 seinen Aktionären die glänzenden Ergebnisse des Geschäftsjahrs 1995 präsentiert, verfinsterte auch schon wieder ein langer Schatten das strahlende Bild von Deutschlands größtem Kreditinstitut: Der Kölner Anlagenbauer KHD, eine Industriebeteiligung des Frankfurter Geldkonzerns, stand vor der Pleite. Die Ursache: Verluste in Höhe von 650 Millionen € bei der KHD-Tochter Humboldt-Wedag. Entstanden war diese Schieflage, die mehr als das Doppelte des Grundkapitals der Dachgesellschaft KHD ausmachte, durch Bilanzmanipulationen und unter Preis verkaufte Zementanlagen für Saudi Arabien.

Die Aufsichtsräte unter dem Vorsitz von Deutsche-Bank-Vor- stand Michael Endres wollen von den Machenschaften erst im Mai 1996 durch die Beichte eines Wedag-Managers erfahren haben. Der Schock für Belegschaft, Politiker und Öffentlichkeit: Weder die Repräsentanten des größten Einzelaktionärs noch die Wirtschaftsprüfer der CL Deutsche Revision, eine Tochterfirma der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Coopers ft Lybrand, die die Jahresabschlüsse testierten, haben etwas von den Bilanzmanipulationen mitbekommen.

Während die Staatsanwaltschaft noch ermittelte, stand bei der Deutschen Bank und der Deutschen Revision bereits fest, dass beide Institute Opfer krimineller Vorgänge geworden sind. Per Telefax ließen die Wirtschaftsprüfer verbreiten: Wir sind uns mit dem Vorstand von KHD darüber einig, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Betrugsmanöver durch Vorstand und Mitarbeiter der Tochtergesellschaft Humboldt-Wedag sowie außenstehende Dritte handelt, für das es im Rahmen der gesetzlichen Abschlussprüfung beim KHD-Konzern keine Hinweise gab. Auch der damalige Deutsche-Bank-Presse-Sprecher Hellmut Hartmann berief sich auf kriminelle Vorgänge, die Aufsichtsräte nicht erkennen könnten.

Warnungen in den Wind geschlagen
Wirklich nicht? So mancher Bankkunde, der für einen kleinen Betriebsmittelkredit oder ein Hypothekendarlehen seine Einkommens- und Finanzlage bis ins kleinste Detail offen legen muss, wundert sich, dass die Deutsche Bank – mit einer 47,6-Prozent- Beteiligung zugleich größte Einzelaktionärin und Kreditgeberin – die Bücher und Auftragslage der KHD-Tochtergesellschaften nicht genauer prüfte. Zumal es sich bei der Wedag um eine der wichtigsten Säulen für die Restrukturierung des Motoren- und Anlagenbauers handelte. An Hinweisen auf eine drohende Schieflage hatte es nicht gemangelt. Nicht nur die Vorstände von Konkurrenzunternehmen wie der Krupp-Tochter Polysius, sondern auch renommierte Unternehmensberater hatten die Aufsichtsräte, allen voran den Vorsitzenden des Kontrollgremiums, Deutsche-Bank- Vorstand Michael Endres, immer wieder vor den mit Verlusten akquirierten Aufträgen der Wedag gewarnt. Wie ein Berater erklärte, seien seine Warnungen bei dem Banker jedoch auf taube Ohren gestoßen. Die Ignoranz der Räte war umso verwunderlicher, als es sich bei KHD um ein mehrfach krisengeschütteltes Unternehmen handelte.

Verfehlte Akquisitionen
Mitte der 80er Jahre hatte der frühere KHD-Chef Bodo Liebe dem 1864 gegründeten Traditionsunternehmen einen verheerenden Expansionskurs verordnet. Er wollte die Kölner Motoren- und Landmaschinenbauer durch Zukäufe von angeschlagenen Firmen, wie dem US-Konzern Allis-Chalmers, zur Nummer eins auf dem Weltmarkt machen. Sein ehrgeiziges Vorhaben kostete KHD etwa eine Milliarde € und endete 1987 in einem riesigen Schuldenberg. Liebes Nachfolger Kajo Neukirchen, heute Chef der in MG Technologies umbenannten Metallgesellschaft, gelang es durch den Verkauf der Tochter Deutz-Allis die größten Verlustquellen zu schließen. Er baute die Belegschaft von über 24.000 Mitarbeitern auf die Hälfte ab. Doch die unter seiner Führung für 600 Millionen € errichtete Motorenfabrik in Köln war zu groß ausgefallen. Die Überkapazitäten belasteten das Ergebnis von KHD. Neukirchens Nachfolger, Werner Kirchgässer, verkaufte die einst hoch angesehene Landtechnik, musste aber dennoch für das Geschäftsjahr 1994 ein Minus von 308 Millionen € melden und verließ das Unternehmen. Seit 1995 steuert der ehemalige Manager der Bremer Vulkan-Werft, Anton Schneider, den Konzern. Schon in jenem Jahr musste die Deutsche Bank KHD vor dem Untergang bewahren, mit Finanzhilfen, die deutlich über 500 Millionen € liegen, wie KHD-Aufsichtsratschef Endres erklärte.

Die Rettung schien damals Ehrensache: Schließlich hatte der Frankfurter Geldkonzern den Niedergang des rheinischen Familienkonzerns, der einst zum Imperium der Brüder Henle gehörte, sozusagen von Anfang an begleitet. Vorstandssprecher Hilmar Köpper hatte sogar sechs Jahre – bis 1994 – den Vorsitz im Aufsichtsrat innegehabt, danach hatte Endres die Führung des Gremiums übernommen.

Auch wenn die Aufsichtsräte von den Managern der Wedag besonders arglistig getäuscht wurden, bleibt ein Makel an der Bank haften. Wieder hatten die Bankvorstände die aktuellen Entwicklungen in einer Firma, für das sie als oberste Kontrolleure Verantwortung trugen, nicht rechtzeitig mitbekommen.

Das Ende der KHD
Früher konnte ein Manager damit rechnen, dass seine Fehler erst seinem Nachfolger auf den Schreibtisch fallen, heute holen sie ihn noch zu seinen Amtszeiten ein, erklärte ein ehemaliger Industriemanager, den der frühere Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen bei Industriesanierungen gern um Rat gefragt hatte. Das trifft auch auf Aufsichtsräte zu. Immer häufiger werden die obersten Kontrolleure mit den Folgen ihrer Entscheidungen noch während ihrer Amtszeit konfrontiert.

Die Deutsche Bank kostete die Rettung weitere 450 Millionen €. Für Deutschlands größtes Kreditinstitut, das 1995 einen Gewinn von 2,1 Milliarden € erwirtschaftete, war das kein Problem. Deutsche-Bank-Chef Köpper beruhigte seine Aktionäre auf der Hauptversammlung: Wir werden unseren Anteilsbesitz und unser Kreditengagement mit der gebotenen Sorgfaltspflicht bewerten. Die Mitarbeiter mussten mit Gehaltskürzungen, Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld für das Missmanagement von Konzernleitung und Aufsichtsrat büßen. Das damals mehr als 132 Jahre alte Unternehmen wurde in Deutz AG umbenannt und zerschlagen. Die bisher rechtlich selbstständigen Konzerntöchter Deutz Motor GmbH, Deutz Service International GmbH, Deutz Service Center Übersee GmbH, KHD Techno-Transfer GmbH und KHD Personaldienste Gesellschaft für Personalbetreuung mbH wurden zum 1. Januar 1997 in die Deutz AG integriert.

Die Motoren-Werke Mannheim AG (MWM) blieben als selbstständige Tochter erhalten, wurden aber in die Marktstrategie der Deutz AG einbezogen. Die Konzerntöchter im Industrieanlagenbau – die KHD Humboldt Wedag AG und die Indumont Industrie- Montage GmbH – wurden verkauft.