Home » Buffett » Finanzanalyse für Geico – Warren Buffett

Finanzanalyse für Geico – Warren Buffett

Wer bei der Geldanlage erfolgreich auf eine Wende setzen wollte, musste nicht nur die Branche kennen, sondern auch Vertrauen ins Management haben und Belege dafür, dass die zu Grunde liegenden betriebswirtschaftlichen Daten positiv waren. Selbst dann gehörte noch eine ordentliche Portion Mut dazu. Die Finanzanalyse der jüngsten Performance war nicht gerade ermutigend. Nun konnte man sich eine ungefähre Vorstellung davon verschaffen, was GEICO aus den verbleibenden Aktiva und Passiva machen konnte, wenn genügend Kapital bereitgestellt und ordentlich gewirtschaftet wurde.
Die Bilanzdaten für 1975-76 waren schwer zu durchschauen. Zum einen waren da eine Reihe von einmaligen Posten, die laufenden Maßnahmen zur Kostensenkung und die aktuellen und vergangenen Fehler bei der Berechnung der Rückstellungen. In der Bilanz von 1976 wurden Aktiva in Höhe von $900 Millionen ausgewiesen, davon rund $600 Millionen Beteiligungen. Das Prämienaufkommen von $575 Millionen im selben Jahr führte zu einem Verlust von $26 Millionen.

Buffett hält sich hier gern an den kostengünstigsten Anbieter. Er verwendete in diesem Zusammenhang häufig das Bild von einem Graben rund ums Geschäft. GEICO hatte einen Graben angelegt und ihn durch zunehmende Größe noch vertieft.

Bilanz 1976

Bilanz 1976
1976 $ Millionen
Prämeineinnahmen 575,4
Netto-Kapitalerträge 38,1
Gesamtumsatz 613,5
Gesamtleistungen und -aufwendungen 639,9
Betriebsergebnis (26,4)
Kapitalgewinn1 0,1
Reingewinn2 (26,3)

Anmerkungen
1.Kapitalgewinn bezeichnet die Kapitelgewinne aus dem Beteiligungsportfolio – wie bei Berkshire regelmäßig wiederkehrend und größenmäßig schwer zu prognostizieren. GEICO hatte nur wenige Aktien oder Wertpapiere ohne feste Fälligkeit, so dass dieser Anteil am Gewinn aller Wahrscheinlichkeit gering bleiben würde.
2.Durch den Verlust fielen keine Steuern an.

Kapitalquellen
Wie viele Berkshire-Investitionen verfügte auch GEICO über eine ungewöhnliche Quelle billigen Kapitals – den Float-Profit. Seit der Beteiligung an National Indemnity im Jahr 1967, als Berkshire zum ersten Mal die Vorteile eines billigen bzw. kostenlosen Float-Profits zu spüren bekommen hatte, war Buffett hier in seinem Element. Wenn es GEICO gelang, die kombinierte Kennzahl wieder auf gewohnte Werte unter 100 zu drücken, stand der komplette Float-Profit praktisch kostenfrei zur Verfügung. Jeder technische Gewinn wäre dann eine willkommene Zugabe.

Eigenkapitalrentabilität
Was konnte ein saniertes GEICO einbringen, wenn technischer Gewinn erwirtschaftet würde? Buffett musste davon ausgehen, dass es zunächst zu weiteren Ausfällen bei den Versicherungsnehmern kommen würde. Andererseits wusste er, dass die von Byrne bereits durchgesetzten Beitragserhöhungen den Umsatzzuwachs je Police hinlänglich steigern würden.
Das ungefähre Prämienaufkommen für 1976 kannte er bereits. Wie tief die Prämien fallen würden, konnte er jedoch nur schätzen. Wenn man von einem Einbruch um ein Drittel des verbleibenden Bestandes ausging, so war das sicher konservativ geschätzt. Damit würde sich die Zahl der Versicherungsnehmer von 2 Millionen auf 1,33 Millionen reduzieren, das Prämienaufkommen läge dann bei $383 Millionen – $420 Millionen nach der Beitragserhöhung. Durch sinkende Abschlusszahlen würde letztendlich auch der Float-Profit von $600 Millionen auf, sagen wir, $438 Millionen sinken (reduziert proportional zum Prämienaufkommen).

Allein auf Grundlage dieser Information hätte Buffett schon eine Rentabilitätsprognose erstellen können. Mit einer traditionellen kombinierten Kennzahl von 97 hätte ein Prämienaufkommen von $420 Millionen rund $13 Millionen technischen Gewinn generiert. Die Rendite für langfristige Staatspapiere zum Jahresende lag bei 8 Prozent, so dass ein Float-Profit von $438 Millionen mindestens $35 Millionen Ertrag gebracht hätte – vor Steuern $48 Millionen Gewinn. Zwar verbuchte GEICO steuerliche Verluste, doch Buffett war an der dauerhaften Eigenkapitalrendite Interessiert. Die Besteuerung von Versicherungen unterliegt komplexen Regeln mit vielen Ausnahmen, doch ein typischer Versicherer vom Kaliber GEICOs hätte vermutlich 25 Prozent Einkommensteuer abgeführt, so dass ein Reingewinn von $36 Millionen verblieben wäre.
Ende 1975 waren 18 Millionen Stammaktien in Umlauf, deren Buchwert bei etwa $54 Millionen lag. Die langfristigen Verbindlichkeiten betrugen $48 Millionen. GEICO versuchte zur Stützung der Bilanz $76 Millionen aufzubringen und war bereits von mehreren Investmentbanken abgewiesen worden, die das Unternehmen für nicht sanierungsfähig hielten.

Was war GEICO wert?
Banken, Investoren und Aufsichtsbehörden waren sich weitgehend einig, dass GEICO gar nichts mehr wert war. Mit ein paar mutigen Schätzungen können wir den laufenden Wert des Konzerns ermitteln. Angenommen, GEICO schaffte es, die $76 Millionen aufzutreiben, die Verluste einzudämmen, die Lizenzen zu verlängern und seinen guten Ruf wiederherzustellen, könnte es unseren Schätzungen nach $36 Millionen Gewinn nach Abzug aller Steuern verbuchen. Durch die Kapitalspritze würden die Kosten der bestehenden Verbindlichkeiten mehr oder weniger gedeckt. Der neue Buchwert läge damit bei $130 Millionen ($54 Millionen vorhandenes plus $76 Millionen neues Kapital).
Die EKR betrüge unter diesen Voraussetzungen:

(Reingewinn / Eigenkapital) / (36 / 130) = 28%

Wie viele Berkshire-Investitionen verfügte auch GEICO über eine ungewöhnliche Quelle billigen Kapitals – den Float-Profit.

Dies ist eine fragwürdige Zahl angesichts der bunten Vorgeschichte des Eigenkapitals – große Verluste treiben die EKR für ein Jahr künstlich in die Höhe. Das IP können wir aus Mangel an Daten nicht ermitteln. Es eignet sich für diese Branche ohnehin nur sehr bedingt. Nehmen wir einmal an, das Prämienaufkommen stiege im Jahr um 5 Prozent, also im Jahr 1 um $21 Millionen. Bei der zu erwartenden kombinierten Kennzahl betrüge der Zuwachs beim technischen Gewinn $630 000. Stiege der Float-Profit proportional, würden $21,9 Millionen mehr generiert, die bei der angenommenen Rendite von 8 Prozent $1,75 Millionen zusätzlichen Kapitalertrag einbrächten. Nach Steuern verbliebe ein Mehrgewinn von $1,79 Millionen. Von diesem Gewinn würde nichts einbehalten werden müssen, da der zusätzliche Float-Profit den Kapitalbedarf ausreichend deckte. Ganz allgemein lässt sich daraus folgern, dass ein Versicherungsunternehmen, das dauerhaft eine kombinierte Kennzahl von unter 100 aufweist, Gewinn generiert und – abgesehen von gesetzlichen Erfordernissen – kein zusätzliches Kapital benötigt. Wie wir bereits in dieser Geldanlage-Webseite festgestellt haben, Ist das der Grund für das besondere Interesse von Berkshire Hathaway an dieser Branche.
Obwohl keine geeigneten EKR- oder IP-Werte vorliegen, ist eine vernünftige Schätzung des inneren Wertes einer sanierten GEICO möglich. Da wir davon ausgehen dürfen, dass im Regelfall technischer Gewinn anfallen wird, ist der Float-Profit quasi frei verfügbar. Abzüglich der anfallenden Kapitalertragssteuer von 25% im Jahr hat ein Float-Profit von $438 Millionen für die Aktionäre einen effektiven Wert von $329 Millionen. Die $13 Millionen technischer Gewinn ergeben nach Steuern $10 Millionen. Bei einem niedrig angesetzten Multiplikator von 10 kommen noch einmal $100 Millionen hinzu. Der gesamte Wert liegt also bei $429 Millionen. Bei herkömmlichen KGV-Bedingungen ergibt das knapp das 12fache des geschätzten laufenden Gewinns, ein Satz, zu dem viele Versicherer in privaten wie öffentlichen Transaktionen zum damaligen Zeitpunkt gehandelt wurden. Doch ohne Ermittlung von IP oder EKR lässt sich ein höherer Wert hier nicht rechtfertigen. Die branchentypische Tradition, Kapital zu generieren, sowie die dem zu Grunde liegenden Vorteile lassen aber annehmen, dass es sich hier um konservative Zahlen handelt.