Während sie einerseits klagte, dass ihr die Existenzgrundlage entzogen werde, drehten Fischer und seine Vorstandskollegen ein großes Rad: Fischer und sein Aufsichtsratschef Rolf Gerlach äußerten sich öffentlich zur Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft. Und nahmen den Mund im Spätsommer 2004 recht voll: Im Jahr 2009 werde die deutsche Geldbranche eindeutig
vom Sparkassensektor beherrscht, den privaten Großbanken drohe der Abstieg in die zweite Reihe.
Nach den Vorstellungen des WestLB-Aufsichtsratschefs bilden sich die beiden künftigen Marktführer aus dem Zusammenschluss der verschiedenen Spitzeninstitute der regionalen Sparkassenverbände heraus. Künftiger Branchenprimus sei – so meinte Gerlach – eine Nordwest AG, der Zusammenschluss von WestLB, NordLB, Bremer Landesbank, Bankgesellschaft Berlin und HSH Nordbank. Die Nummer zwei, von Gerlach Südost AG getauft, entstehe durch die Fusion der BayernLB, der Landesbank Baden- Württemberg (LBBW), der SaarLB, der Hessischen Landesbank (Helaba), der SachsenLB und der Landesbank Rheinland Pfalz (LRP).
Von den privaten Geschäftsbanken habe wohl nur die Deutsche Bank eine Chance, nach einer Fusion mit der Credit Suisse im Jahr 2007. Die Konzernzentrale bliebe aber in Frankfurt. Aber selbst mit dieser Megafusion könne die Deutsche Bank ihre Spitzenposition nicht verteidigen und werde auf einen hinteren Platz abrutschen.
Für die WestLB hatte sich Fischer noch eine Sonderrolle reserviert: Sie soll die internationale Topbank der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute werden. Fischer sagte: Wenn die Sparkassen-Finanzgruppe ihren Prinzipien treu bleibt, kann sie durch Bündelung der Kräfte im Verbund durchaus die Rolle eines internationalen Champions übernehmen. Dabei würde die WestLB als starker Kapitalmarkt-Spezialist ihre klaren internationalen Vorteile in den Bereichen Verbriefungen, Wertpapiere und Projektfinanzierungen einbringen. Ungeachtet der großen Pläne brachte Fischer die WestLB wieder auf Kurs in Richtung Universalbank und versuchte, einen Zugang zur Vermögensverwaltung, dem Private Banking, zu finden.
Diesen eigentlich lukrativen Bereich hatte der frühere Vorstandschef Sengera im April 2002 an die Münchner Privatbank Merck Finck & Co. verkauft und die Bank verpflichtet, bis 2005 kein Private Banking zu betreiben. Die Lösung war der Zukauf der Berliner Weberbank.
Anfang 2007 wurde Fischer wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt: Mitarbeiter des Aktienhandels hatten jahrelang auf Rechnung der Bank mit Aktien von Metro und VW spekuliert und einen Verlust von 249 Millionen Euro eingefahren. Um ihre Machenschaften zu verschleiern, hatten sie die Schlusskurse dieser Papiere bei der Abrechnung manipuliert. Sie wurden fristlos gefeuert, und die Bank stellte Strafanzeige. Doch das reichte nicht. Fischer geriet in die Schusslinie. Landespolitiker der CDU und FDP hatte der scharfzüngige und selbstbewusste WestLB-Chef schon lange geärgert. Den einen gefielen seine Pläne zur Neuordnung des Bankgewerbes nicht, weil die WestLb sich damit völlig ihres Einflusses entzogen hätte. Die anderen wollten die Anteile des Landes am liebsten verkaufen und mit der Skandalbank nichts mehr zu tun haben.
Außerdem hatte sich Fischer mit einem spektakulären Aktienhandel die letzten Sympathien verscherzt. Anfang April 2007 hatte die WestLB überraschend gemeldet, dass sie 14 Prozent der DaimlerChrysler-Aktien halte. Damit waren die Düsseldorfer plötzlich größter Einzelaktionär des Konzerns. Die Bank erklärte zudem, dass sie die Aktien nur für eine kurze Zeit übernommen habe. Mit anderen Worten: Die WestLB hatte kurz vor der Hauptversammlung des Autokonzerns das große Aktienpaket von einem Dritten gekauft und gleich nach der sich daran anschließenden Dividendenausschüttung das Paket wieder verkauft. Solcher Vorgang wird Dividendenstripping genannt und dient dazu, dass Steuern aus der Gewinnausschüttung gespart werden können.
Dass die WestLB mit ihrer öffentlich-rechtlichen Eigentümerschaft bei einem zwar legalen, aber moralisch zweifelhaften Geschäft geholfen hatte, dürfte nicht unerheblich dazu beigetragen haben, dass auch Fischer mit einigen seiner Vorstandskollegen die WestLB verlassen musste. Auch in der Branche wird von Bauernopfern gesprochen. Eines, das die Bank allerdings teuer zu stehen kommen könnte. Die Abfindung, so berichten Insider, soll sich auf rund 5 Millionen Euro belaufen.
Doch es geht um mehr: Mit Fischer ist auch eine Ara der Bank zu Ende gegangen. Die glanzvollen Zeiten der WestLB als mächtiger Gegenspieler der privatwirtschaftlichen Großbanken sind zweifellos vorbei. Auch die Rolle des Geldgebers für regionale und landespolitische Großprojekte hat die NRW-Bank übernommen.
Der Abgang des selbstbewussten Bankchefs hat die Phantasie der öffentlich-rechtlichen wie der privatwirtschaftlichen Konkurrenz beflügelt, sich die Bank wegen ihrer starken Stellung in der Wirtschaft des bevölkerungsreichsten Bundeslandes einzuverleiben. Mal ist die Commerzbank im Gespräch, mal ist es die Landesbank Bayerns und Baden-Württembergs, die LBBW oder vielleicht sogar die Konkurrenz im Norden. Diese Idee, durch Fusionen und Übernahmen zu wachsen, hatte auch Fischer schon – allerdings mit der WestLB im Cockpit eines bundesweiten Geleitzugs. Das hat sich jetzt geändert. Durch die jüngste Krise ist sie sogar vom Jäger zur Beute geworden. Die WestLb ist auf Mittelmaß zurückgestutzt worden.
Aber die Gedankenspiele, alle acht Landesbanken zu einer großen deutschen Bank zusammenzuschließen, gibt es noch immer. Eine Idee, die gewisse Vorteile hätte. Es könnte eine Bank entstehen, die durch das dichte Netz der Sparkassen Kundennähe demonstrieren und die durch ein hochprofessionelles Management ihre Stärken im Investmentbanking, in der Vermögensberatung, in der Kreditvergabe bündeln und als mächtiger Wettbewerber ausspielen könnte. Das neue Konglomerat könnte sogar gemessen an der Bilanzsumme vor der Deutschen Bank rangieren und in der Weltliga vorn mitmischen. So eine Megabank würde ihre Stammklientel, die mittelständische Wirtschaft, auf ihren Exkursionen ins Ausland begleiten, internationale Finanzierungen arrangieren, weltweite Börsen Einführungen organisieren und ausländische Investoren nach Deutschland locken.
Die großen Pläne lassen sich aber nur realisieren, wenn der potenzielle Global Player auch ein adäquates Management und – wichtiger noch – professionelle Kontrolleure erhält. Und genau daran dürfte die Vision von der deutschen Superbank wohl auch scheitern.
Bisher gelten die Landesbanken noch immer als Spielfelder der Landesregierungen. Die Regierungschefs vergeben beispielsweise die Aufsichtsmandate in den Landesbanken gern als Pfründe an verdiente Parteigenossen und wichtige Landeskinder, die ihrerseits die Politik der Landesherren etwa durch die Kreditvergabe unterstützten. Wenn Arbeitsplätze gerettet oder neue Jobs geschaffen werden sollten, konnte die Landesbank eine entscheidende Rolle spielen, wenn sie attraktive Finanzierungspläne von der Standortentscheidung des Kunden abhängig machte oder einem angeschlagenen Unternehmen eine Liquiditätsspritze verpasste. Es gilt das Motto: Bleib im Lande, und wir nähren dich redlich.
Auf diese Einflussnahme mögen die Regierungschefs nicht verzichten. Deshalb hat auch Jürgen Rüttgers, der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bisher alle Fusionspläne seiner angeschlagenen WestLB abgelehnt.
Hinzu kommt, dass die Fusion aller Landesbanken zu einem Großkonzern auch erhebliche Konsequenzen für die Mitarbeiter hätte. Ein massiver Stellenabbau im mittleren Management würde sich kaum vermeiden lassen, wenn das neue Institut professionell geführt und wettbewerbsfähig sein soll. Auch das würde kaum geräuschlos über die Bühne gehen. Die beteiligten Länder würden mit allen Mitteln um ihre Standorte kämpfen.
Und dann stellt sich natürlich die Frage, was eigentlich ganz normale Bankkunden von einer neuen Megabank haben. Ist Größe ein Allheilmittel? Die Beispiele, die in dieser Geldanlage-Webseite geschildert wurden, zeigen eher das Gegenteil. Ist sie professioneller, geht sie besser auf die Bedürfnisse der Kunden ein, hat sie Leitlinien, die verhindern, dass sie das Geld ihrer Kunden in hochspekulativen Geschäften verbrennt? Wäre sie das, was so manches Institut gern behauptet, aber nicht hält: ein echter Partner in guten wie in schlechten Zeiten? Der die Rentnerin genauso gut bedient wie den erfolgreichen Unternehmer? Aber das ist ein ganz anderes Kapitel.