Home » Aktien » Börse für Anfänger – braucht man ein Analysten-Gütezeichen

Börse für Anfänger – braucht man ein Analysten-Gütezeichen

Brauchen wir ein neutrales Gütezeichen für die Zunft, eine Art TÜV- Siegel? Deutsche-Bank-Chef Breuer hat zwar davor gewarnt: Bitte keine Überregulierung des Finanzmarktes. Aber die Erfahrungen des Jahres 2000 schreien förmlich danach.

Auch für das Bundesaufsichtsamt ist nicht immer Verlass auf die Analysen. Aber BAWe-Präsident Wittich hält eine staatliche Regulierung des Berufsbilds der Analysten in Deutschland für überflüssig. Das muss der Markt zum großen Teil selbst regeln, hat er gesagt. Der Markt sollte wissen, ob ein Analyst unabhängig ist oder einer Bank angehört und ob diese Bank etwa am Börsengang des Unternehmens beteiligt war/ist.

Margarete Wolf, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, marschierte vor, will verbindliche Kriterien für die Unabhängigkeit von Analysten festlegen. Man plant einen Ethik-Katalog, der aber nicht gesetzlich festgelegt werden soll. Dieses neue Gütesiegel war von der Standesvertretung DVFA zunächst heftig angegriffen worden. Mittlerweile begrüßt man es. Bereits jetzt existiert ein Ehrenkodex auf freiwilliger Basis, der jedoch nicht ausreicht.

Der Wirtschaftsclub Rhein-Main hatte 100 Banker und große Unternehmensführer gefragt: Glauben Sie, dass ein Finanzanalyst in seiner Beurteilung abhängig von seiner Bank ist? 75 der Probanden, darunter auch Banker, bejahten die Frage.

Es gibt bisher weltweit keine einheitlich gesetzlich oder aufsichtsrechtlich geregelten Anforderungen an die persönliche Berufsqualifikation von Analysten am globalen Kapitalmarkt, bemängelt die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. Deshalb habe man eine effektive Selbstkontrolle organisiert, so die Geschäftsführerin Ulrike Diehl. Sie hält aber nichts von nationalen Alleingängen und bemüht sich seit Jahren um eine international geltende Regelung.

Bereits 1995 wurden die DVFA-Standesrichtlinien festgeschrieben, in denen die Mindestanforderungen an die fachliche und berufsethische Kompetenz der Bemfsangehörigen niedergelegt sind. Als selbst regulierende Institution will der Berufsverband damit die Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit von professioneller Qualifikation und beruflichem Wöhlver- halten sicherstellen. Die DVFA sorgt für eine solide Berufsausbildung und eine Berufsausübung nach geltendem Recht und international anerkannten Prinzipien. Sie bietet eine Ausbildung zum Investmentanalysten/DVFA, die den Absolventen vor allem auch für die recht schwierige Bewertung von Wachstumsunternehmen qualifiziert.

Außerdem sind die DVFA-Mitglieder zur strikten Beachtung und Einhaltung der festgelegten Grundsätze ordnungsgemäßer Analyse und Anlageberatung verpflichtet. Verstöße werden vom Ehren- und Schiedsgericht des Verbands sanktioniert. Die beiden Gerichte sind ähnlich wie Handelsgerichte besetzt, die Vorsitzenden sind Berufsrichter, die Beisitzer Praktiker aus dem Berufsstand. Die Schiedsstelle kann allerdings nur von der DVFA selbst oder ihrer Mitgliederversammlung angerufen werden.

Über 90 Prozent der DVFA-Mitglieder verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium, in der Regel kombiniert mit einem – zumeist kaufmännischen – Lehrabschluss und/oder weiteren Abschlüssen in- und ausländischer Universitäten. Nach einer mindestens zweijährigen einschlägigen Berufserfahrung kann dann das europäische Berufsdiplom CEFA-Investmentanalyst DVFA erworben werden. Dieses setzt die Teilnahme an einer zehnmonatigen Postgraduierten-Ausbildung voraus, erfolgreich abgeschlossen mit einem viertägigen schriftlichen Examen über 23 1/3 Stunden zu den Themen Analyse und Bewertung von festverzinslichen Wertpapieren, Aktienanalyse und -bewertung, Futures, Optionen und Riskmanagement, Portfoliomanagement, Analyse von Jahresabschluss und Rechnungslegung, Unternehmensfinanzierung sowie Compliance, Berufsethik und Standesrichtlinien. In Deutschland haben bereits rund 1000 Analysten dieses CEFA- Diplom erworben.

Neben dieser Diplomausbildung bietet die DFVA ein- bis zweitägige so genannte Refresher-Kurse sowie zwei- und sechstägige Fortbildungsseminare an. Verschiedene Richtlinien und Maßnahmen der DVFA sollen zur Qualitätssicherung der Investmentanalyse dienen, zum Beispiel die DVFA- Standards für Researchberichte am Neuen Markt, DVFA-Reporting Standards, Scorecard for German Corporate Governance – Standard DVFA Evaluation Method for CG, Ergebnis nach DVF/SG sowie DVFA-Analysten- konferenzen und -foren. Eine Vorstudie für DVFA-Asset-Management-Standards wurde im Dezember 2000 veröffentlicht.

Die DVFA sieht durchaus ein Spannungsfeld, wenn zum Beispiel eine Bank für ein Unternehmen, das sie an die Börse bringen will, einen möglichst hohen Ausgabekurs erreichen will, der Analyst aber einen niedrigeren Kurs ermittelt. Daher gelte, dass der Analyst in diesem Zusammenhang von konkreten, sachlich nicht begründeten und meinungsbildenden Weisungen seines Arbeitgebers freigestellt ist, heißt es in den DVFA-Richtlinien.

Im laufenden Jahr sollen die Richtlinien überarbeitet werden. So ist zum Beispiel eine Black-out-Periode im Gespräch. Danach sollten Analysten, deren Banken den Börsengang eines Unternehmens organisieren, drei Monate vor und nach der Emission keine Studien zu diesem Unternehmen mehr veröffentlichen.

Einige Banken haben auch bereits Regeln für ihre Analysten festgelegt. So ist ihnen das Frontrunning verboten, der Kauf oder Verkauf einer Aktie vor der Veröffentlichung seiner Empfehlungen. Er muss der Bank eigene Aktienbestände mitteilen und darf die Aktien, die er selbst beurteilt, nicht erwerben. Darüber hinaus gibt es die viel gerühmten Chinese Walls zwischen den Handels- und Researchabteilungen.

Staatssekretärin Wölf forderte, dass Analysten nur noch über Aktien berichten, die weder sie selbst noch ihre Arbeitgeber im Depot haben. Dies wäre aber wohl kaum zu verwirklichen, weil praktisch jede Bank Anteile an Aktiengesellschaften hält. Dann bliebe als einzige Lösung eigentlich nur übrig, die Analyseabteilungen komplett aus den Banken auszugliedern.

Professor Wolfgang Gerke vom Lehrstuhl für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg begrüßt die von Wolf vorgeschlagenen Kriterien für die Unabhängigkeit vom Analysten. Ich kann nicht verstehen, warum sich Analysten darüber aufregen. Wer sich sauber verhält, kann das auch unterschreiben, zitiert ihn die FTD. Sollte sich aber dieser Ehrenkodex als nicht praktikabel heraussteilen, müsse die Regierung ein entsprechendes Gesetz erlassen. Auffällig sei, dass die DVFA-Schieds- stelle bislang nicht ein einziges Mal angerufen worden sei. In den USA seien dagegen zahlreiche Fälle bekannt, bei denen die Börsenaufsicht Analysten unter die Lupe genommen habe.

Welche Konsequenzen haben nun aber all diese Überlegungen für den Kleinanleger? Ein Tipp: Schalten Sie Ihren gesunden Menschenverstand beim Aktienkauf nie ab. Sie sind nicht nur auf die Empfehlungen der Analysten angewiesen. Heute gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich über die Unternehmen zu informieren. Orientieren sollten Sie sich an den Fundamentaldaten wie Gewinn und Börsenbewertung, Position am Markt und gegenüber Mitbewerbern.

Bei Kaufempfehlungen von Analysten sollten Sie sich vorher immer fragen, welchen Grund ein Analyst für diese Empfehlung haben könnte. Und wenn Sie unbedingt Analystenempfehlungen zurate ziehen wollen, dann dürfen Sie sich nie auf eine einzelne verlassen, sondern müssen sich mehrere Tipps unterschiedlicher Quellen ansehen. Eins ist jedenfalls sicher: Der beste Analyst ist der Anleger selbst.