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George Soros — der Undurchschaubare

George Soros wurde 1930 als Dzjehdzhe Shorash in der ungarischen Hauptstadt Budapest geboren. Nach seiner Flucht vor den Kommunisten studierte der Ungar in London Karl Poppers. Als Broker und Analyst verschiedener Effektenhäuser wurde er 1956 in den USA sesshaft.

1967 sorgte er dafür, dass bei seinem Arbeitgeber Arnhold & Bleichroeder unter seiner Leitung der konventionelle Eagle Fund aufgelegt wurde. 1969 folgte dann außerhalb der USA der Hedge-Fonds Double Eagle. Mit seinem Partner Jim Rogers, einem brillanten Analysten, machte sich Soros 1973 mit dem Soros Fund Management selbstständig. Er übernahm im Team die Rolle des Traders.

Mit seinen hoch riskanten Hedge-Funds spekulierte er auf kurzfristige Entwicklungen. Die Kernstrategie ist das Shortselling: Er verkauft Aktien, die er nicht besitzt, auf Termin, in der Hoffnung, sie am Stichtag billiger als zu seinem Verkaufskurs erwerben zu können. Heute verwaltet die Soros Fund Management sechs zusammen 70 Milliarden schwere Off-shore-Hedge-Funds. Das Fachmagazin Institutional Investor feierte Soros 1981 als besten Anleger der Welt.

Anfang der achtziger Jahre hatte er 25 Millionen Dollar. Das reichte ihm eigentlich. Und als sein Quantum-Fonds 100 Millionen Dollar schwer war, beschloss er, dass er genug Geld habe. Kurz vor der Jahrtausendwende soll Soros 5 Milliarden US-Dollar besessen haben. George Soros ist Argentiniens größter Grundbesitzer (etwa 400 000 Hektar) und Viehzüchter (160 000 Stück), er besitzt die größten Einkaufszentren in Buenos Aires, Hotels und Firmenbeteiligungen. In Mexiko investierte er 1,3 Milliarden US-Dollar in den Bau eines Büro-, Hotel- und Apartmentkomplexes.

Soros ist aber nicht Großinvestor und Fondsmanager, er ist auch Philanthrop und Philosoph. Er unterbreitete Margaret Thatcher und George Bush Vorschläge zur Gestaltung der weltwirtschaftlichen Finanzbeziehungen und sprach vor dem US-amerikanischen Kongress. Das kapitalistische Weltsystem ist von Finanzkrisen erschüttert und buchstäblich am auseinanderbrechen … ich bin fest überzeugt, dass wir grundlegende Veränderungen brauchen.

Bei dem Hearing über die internationale Wirtschaftskrise vor dem Ausschuss für Banken des amerikanischen Kongresses forderte der gefürchtete Investor und Spekulant Eingriffe in den Kapitalmarkt, warnte vor einem Zusammenbruch des globalen Finanzsystems und – als dessen Folge – vor dem des internationalen freien Handels, wenn man weiterhin der kapitalistischen Ideologie des freien Marktes folgt. Soros verdiente durch die Abwertung des britischen Pfunds im Europäischen Währungssystem 1992 eine Milliarde Dollar. Soros warnte: Wenn Leute wie ich ein Währungsregime stürzen können, stimmt etwas mit dem System nicht. Da ich mit Derivaten und anderen künstlichen Produkten eine erhebliche Hebelwirkung entfalten kann, könnte es passieren, dass ganz automatisch eine Kettenreaktion in Gang kommt und der Markt zusammenbricht.

Über verschiedene Stiftungsnetzwerke und -Organisationen versucht er, fast die halbe Erdkugel zu einer neuen Marktwirtschaft zu reformieren. Es scheint, als wolle der mächtige Soros mit seinem pragmatisch-philan- trophischen Engagement seine eigene Gesellschaftsordnung gründen. Im ukrainischen Czernowitz lehren englische, deutsche und österreichische Professoren die Mechanismen der offenen Gesellschaft. Der Börsenmanager stellte 1992 dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen 50 Millionen Dollar für die Einwohner von Sarajewo zur Verfügung. 1996 war er der großzügigste amerikanische Spender, als er 360 Millionen US-Dollar für legale Einwanderer spendete.

Während Greenspan sich von Zahlen verzaubern lässt und ihnen immer neue Informationen abgewinnt, die anderen Menschen offensichtlich verborgen bleiben, Buffett der typische Vertreter des amerikanischen Mittelstands ist, der mit einfachen Rezepten, Durchhaltevermögen und Vertrauen in die soliden amerikanischen Grundwerte den Traum vom Reichtum verwirklicht hat, ist Soros der kühle Stratege, der einerseits gnadenlos die Schwächen des kapitalistischen Systems bis an die Grenzen des Möglichen zu seinem Vorteil ausbeutet und andererseits mit seinem Vermögen und seinem Einfluss für die Begrenzung dieser Möglichkeiten kämpft. Auf dem berühmten Weltwirtschaftsforum in Davos saß er zwar auf der Seite der Mächtigen dieser Welt, engagierte sich aber für die Ziele der Demonstranten gegen eine Globalisierung, in der das reiche Zentrum das gesamte System kontrolliert.

Es gibt wohl kaum drei Persönlichkeiten, die so unterschiedlich sind wie Greenspan, Buffett und Soros, und doch sind sie es, die das Universum der Finanzen entscheidend mitbestimmen und nach deren Denken und Handeln sich Hunderttausende anderer Menschen richten. Für die ist die Börsenweisheit the trend is your friend sicher richtig. Es bedarf schon ganz außergewöhnlicher Informationen, um die amerikanische Wirtschaffsentwicklung begründet anders einzuschätzen als Greenspan, es bedarf guter Gründe, gegen die soliden Unternehmen Buffetts zu spekulieren, und es ist sicher nicht falsch, über die Auswüchse eines Systems nachzudenken, das man bis in die Details so gut kennt wie Soros.