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Unternehmerentscheidung – Ursachen der Kündigung

Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine unternehmerische Entscheidung zu Grunde, mit der sich der Arbeitgeber an die Veränderungen der Marktgegebenheiten und der sozialen Wirklichkeit anpasst. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Unternehmerentscheidung die Bestimmung der Unternehmenspolitik. Die

Kündigung selbst ist nicht die freie unternehmerische Entscheidung. Wäre es anders, gäbe es keinen Schutz des Arbeitnehmers gegen betriebsbedingte Kündigungen. Denn der Arbeitgeber könnte sich stets mit dem Hinweis verteidigen, die Kündigung stelle eine von den Gerichten nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung dar.

Aus der Fülle der Entscheidungen hat das BAG in den letzten Jahren folgende Grundsätze zur Unternehmerentscheidung herausgearbeitet:

a)Es muss zunächst – wie schon ausgeführt – zwischen der Kündigung als solcher und der ihr zu Grunde liegenden Ursachen unterschieden werden; zu den Ursachen gehören auch organisatorische Maßnahmen.

b)Die Kündigung selbst ist keine betriebsorganisatorische Maßnahme; sie organisiert nichts, sondern ist im Allgemeinen Vollzug von Organisation.

c)Die eigentliche Organisation des Betriebs ist Sache des Arbeitgebers, ihre Zweckmäßigkeit und wirtschaftliche Vernunft kann richterlich nicht voll überprüft werden, weil der Richter sich nicht an die Stelle des Unternehmers setzen kann und darf. Hier ist die grundgesetzlich abgesicherte unternehmerische Freiheit berührt. Die kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung ist vom Gericht ihrem Inhalt nach als vorgegeben zu Grunde zu legen und nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheint (Willkürkontrolle)51.

d)Es wird zwischen außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Ursachen unterschieden:

Außerbetriebliche Ursachen sind vor allem
-Auftragsmangel
-Umsatzrückgang
-Veränderung der Marktstruktur
-Gewinnverfall.

Innerbetriebliche Ursachen können z. B. sein
-Rationalisierungsmaßnahmen
-Umstellung, Einschränkung oder Einstellung der Produktion
-Einführung neuer Fertigungsmethoden
-Organisatorische Veränderungen, die zu Betriebseinschränkungen, Schließung von Betriebsabteilungen oder zur Betriebsstilllegung führen.

Die Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblichen Ursachen gibt für die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung wenig her. Mit ihr wird aber der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bestimmt. Beruft sich der Arbeitgeber auf „außerbetriebliche Gründe“, z.B. Auftragsmangel, so stellt er mit dieser Begründung der Kündigung einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Auftragsmangel und Beschäftigung her (selbstbindende Unternehmerentscheidung). Der Arbeitgeber hat vorzutragen und zu beweisen, dass die außerbetrieblichen Ursachen unmittelbar zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen. Das Gericht überprüft, ob die angegebenen außerbetrieblichen Ursachen vorliegen und ob durch sie das Beschäftigungsbedürfnis für den/bzw. die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist53. Zudem unterliegt es in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle, ob die unternehmerische Zielsetzung, die der Arbeitgeber mit der Kündigung verfolgt, nicht auch durch gleich geeignete Alternativmaßnahmen verwirklicht werden kann.

Beruft sich der Arbeitgeber dagegen auf „innerbetriebliche Gründe“, z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, verbleibt ihm bei der Umsetzung ein Freiraum (gestaltende Unternehmerentscheidung). Häufig werden freilich auch in diesem Fall außerbetriebliche Umstände zum Anlass genommen, um innerbetriebliche Umstrukturierungen durchzuführen. Der Wegfall von Arbeitsplätzen ist dann die unmittelbare Folge dieser gestaltenden Unternehmerentscheidung und ist nur mittelbar auf die jeweiligen außerbetrieblichen Ursachen zurückzuführen54. Der Arbeitgeber hat auch hier vorzutragen und zu beweisen, wie sich die gestaltende Unternehmerentscheidung auf die Beschäftigung auswirkt. Die Unternehmerentscheidung ist vom Arbeitsgericht nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung hin kontrollierbar. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheint55. Sie unterliegt jedoch insofern einer Rechtskontrolle, als sie weder gegen Gesetz, Kollektivverträge noch gegen einzelvertragliche Bindung verstoßen darf.

Vom Gericht in vollem Umfange dagegen nachzuprüfen ist, ob die Konzeption des Arbeitgebers die Kündigung notwendig macht, oder ob der Zweck von Rationalisierungsmaßnahmen auch ohne Kündigung durch andere betriebsorganisatorische Maßnahmen erreicht werden kann. Zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers.

Rechtsprechungsbeispiele:
(1)Ein Bauunternehmen kündigte drei Maurern mit der Begründung, die Kündigungen seien aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt, weil sich nach einem bestimmten Auftragsrückgang mit dem Auslaufen einer gewissen Zahl von Baustellen ergeben habe, dass für drei von zehn Maurern kein Beschäftigungsbedürfnis bestehe. Das BAG hat diese Begründung anerkannt. Unerheblich für die Betriebsbedingtheit der Kündigung sei, ob gerade auf der Baustelle, auf der die gekündigten Maurer zuletzt beschäftigt wurden, noch Arbeit vorhanden sei. Welchen drei von den 10 Maurern gekündigt werden konnte, sei vielmehr eine Frage der sozialen Auswahl gern. § 1 Abs. 3 KSchG.

(2)Die der Kündigung zu Grunde liegende unternehmenspolitische Maßnahme ist von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, vielmehr als bindend hinzunehmen. Das gilt sowohl für die Entscheidung, die der Unternehmer im Hinblick auf den Markt trifft, also etwa über die Hereinnahme oder Nichthereinnahme eines Auftrags, die Planung der Absatzgebiete und die Werbung sowie seine Einkaufspolitik und die Finanzierungsmethoden. Es gilt aber auch für die Entscheidungen, welche er unternehmensintern trifft, also etwa über die Fortführung oder Stilllegung des Betriebes, seine Verlagerung, eine Betriebseinschränkung, die Änderung des Betriebszweckes, des Produktions- und Investitionsprogramms, die Fabrikations- und Arbeitsmethoden, Rationalisierungsvorhaben und Organisationsänderungen.

(3)Die Einführung von zwei Arbeitsschichten und die Bildung von zwei Arbeitnehmergruppen, die immer gleichbleibend unter denselben Vorgesetzten abwechselnd Früh- bzw. Spätschicht leisten, sind unternehmerische Entscheidungen, die die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die die Leistung im Schichtdienst nicht akzeptiert, rechtfertigen kann. Das BAG hat festgestellt, es handle sich bei den gleichbleibenden Arbeitsgruppen um ein Führungskonzept, das die Produktivität und Effizienz der Gruppe erhöhen könne, d. h. keineswegs sachwidrig oder willkürlich sei.

(4)Der Aufsichtsrat eines Unternehmens hatte einen Restrukturierungsplan beschlossen, der einen Personalabbau von 28 % vorsah. Zur Umsetzung dieses Plans wurden die einzelnen Abteilungen umorganisiert und auch die „Stelle“ des Klägers wegrationalisiert. Die Arbeitsabläufe waren neu strukturiert, die Arbeit nach dem neuen Konzept anders verteilt. Das BAG legte diesen Plan seiner Entscheidung zu Grunde, ohne die Arbeitsmenge mit dem neuen Personalbestand in Beziehung zu bringen.

(5)Ein Unternehmen hatte auf Grund einer Rationalisierung im Dienstleistungsbereich zwei Änderungskündigungen mit dem Ziel Halbtagsbeschäftigung und eine Beendigungskündigung ausgesprochen. Es hatte dargelegt, dass durch anderweitige Verteilung der Arbeit, Einbeziehung von elektronischen Hilfsmitteln und Wegfall bzw. Einschränkung von Aufgaben eine Reduzierung der Dienstleistungen von täglich 7,5 Stunden erreicht worden sei. Es hatte außerdem begründet, dass in einer Abteilung mit sechs Servicemitarbeitern bei einem hauptsächlichen Einsatz in den Morgenstunden eine wesentlich flexiblere Arbeitszeitgestaltung möglich sei, als mit fünf Mitarbeitern. Das BAG hat festgestellt, dass es nach einer unternehmerischen Entscheidung über eine organisatorische Änderung im Betrieb im Ermessen des Arbeitgebers liegt, zu entscheiden, mit welcher Anzahl von Arbeitskräften sich die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lässt. Das BAG hat also die noch vorhandene Arbeitsmenge nicht mit der Zahl der Arbeitnehmer in Beziehung gesetzt. Der Arbeitgeber könne bestimmen, ob die Beschäftigung mit Volltags- oder teilweise auch mit Halbtagsbeschäftigungen abgedeckt werden soll. Das gehöre zur „Unternehmenspolitik“.

Mit den drei nachfolgend dargestellten Entscheidungen hat das BAG die freie Unternehmerentscheidung zwar nicht insgesamt und grundsätzlich in Frage gestellt, aber doch den Eindruck erweckt, als unterliege sie nicht mehr nur der Missbrauchskontrolle. Alle drei Urteile des BAG, je vom 17.6.1999, haben im Schrifttum ein ungewöhnlich starkes Echo hervorgerufen, was deutlich macht, dass die Durchsetzbarkeit betriebsbedingter Kündigungen gegenüber früherer Rechtsprechung des BAG offenbar schwieriger geworden ist.

(6)In einem Berliner Baubetrieb (80 Arbeitnehmer) hatte sich die Geschäftsleitung auf Grund sinkender Nachfrage nach Bauleistungen im öffentlichen Bereich entschlossen, den Personalbestand um drei Stellen zu reduzieren, und zwar für einen Werkpolier, einen Vorarbeiter und einen Baufacharbeiter. Letzterer wehrte sich gegen die Kündigung und machte geltend, die Reduzierungsentscheidung als solche reiche zur Rechtfertigung der Kündigung nicht aus. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass er eine dauerhafte Stellenplatzreduzierung vorgenommen habe, die als Unternehmerentscheidung nur auf Willkür überprüft werden könne.

Das BAG sah diese Begründung als nicht ausreichend an. Der Arbeitgeber habe sich hier nicht auf außerbetriebliche Gründe berufen. Er habe lediglich auf seine Unternehmerentscheidung einer Senkung des Personalbestands um drei Planstellen verwiesen. Es fehle damit an nachprüfbaren Darlegungen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen im Einzelnen getroffen wurden, die den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als dringend erforderlich i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG einsichtig mache. Die Entscheidung zur Kündigung müsse sich an den gesetzlichen Vorschriften messen lassen und sei deshalb keine „freie Unternehmerentscheidung“. Auch die Reduzierungentscheidung selbst sei in diesem Fall, wo Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich seien, nicht nur auf Unsachlichkeit oder Willkür zu überprüfen. Vielmehr hätte der Arbeitgeber darlegen müssen, in welchem Umfang die fraglichen Baufacharbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. So wie es hier der Arbeitgeber begründet habe, könnte ebenso die Notwendigkeit der Entlassung von 2, 3 oder x-beliebig vielen Bauarbeitern gerechtfertigt werden. Das sei mit dem Kündigungsschutzgesetz nicht zu vereinbaren.

(7)Ebenfalls in einem Berliner Baubetrieb hatte die Geschäftsleitung wegen Rückgang des Auftragsbestandes beschlossen, alle Mitarbeiter ohne abgeschlossene Berufsausbildung zu entlassen und ihre bisherigen Aufgaben teilweise den im Betrieb beschäftigten Facharbeitern, teilweise an Subunternehmen zu übertragen. Einer der entlassenen Hilfskräfte machte vor dem Arbeitsgericht geltend, es habe an einem „dringenden betrieblichen Grund“ für diese Entlassungsaktion gefehlt. Der Arbeitgeber verwies auf seine durch Gesellschafterbeschluss beschlossene Konzeption, künftig aus Kostengründen Beschäftigungsmöglichkeiten für Bauwerker (Hilfskräfte) durch Übernahme dieser Tätigkeiten seitens der Baufacharbeiter entfallen zu lassen. Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht. Im Gegensatz zur Unternehmerentscheidung im Parallelfall sei hier eine schon nach außen sichtbare Organisationsentscheidung auch mit einer Vollzugsregelung getroffen worden. Die Auferlegung von Bauhilfstätigkeiten sei gegenüber den Baufacharbeitern weder art- noch berufsfremd und deshalb nicht unzumutbar. Die Übertragung von Abbruch- und Stemmarbeiten an Subunternehmen sei ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn dies kostengünstiger ist. Es sei nicht Sache des Arbeitsgerichts, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in die Kostenkalkulation des Arbeitgebers einzugreifen.

In einem Druckereibetrieb hatte der Unternehmer nach Anschaffung einer „Heidelberg-Speedmaster-Druckmaschine“ beschlossen, einen von zwei Hilfsarbeitern zu entlassen. Dessen bisherige Tätigkeiten könnten die jeweilige Fachkraft (Drucker) oder andere verbliebene Hilfsarbeiter bzw. andere Mitarbeiter mit übernehmen. Das BAG hat die soziale Rechtfertigung der Kündigung mit der bisherigen Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber nicht bejaht und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das BAG hat aber auch hier ganz ähnlich wie im Falle bemängelt, dass die Unternehmerentscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ nicht ausreichend deutlich begründet worden sei. Der Tatsachenvortrag sei nicht überprüfbar, müsse aber geprüft werden, weil – hier wiederum – beide Unternehmerentscheidungen, Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss, ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden waren.

Damit dürfte für die Zukunft ein gewisser Stand der Klärung in der Rechtsprechung des BAG erreicht sein, denn in den nachfolgenden Jahren bis heute sind keine Entscheidungen bekannt geworden, die von diesen Voraussetzungen für eine soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung, was die zu Grunde liegende Unternehmerentscheidung zur Outplacement anbelangt, abgerückt sind. Diese Voraussetzungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

-Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können.

-Eine solche Unternehmerentscheidung ist aber hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen, damit das Gericht u. a. prüfen kann, ob sie – i. S. der Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG – nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

-Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag darlegen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.

-Hieraus folgt: Die Entscheidung des Arbeitgebers, Personal zu reduzieren, kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Es reicht jedoch keinesfalls aus, wenn sich der Arbeitgeber allein auf diese Entscheidung beruft. Er muss die Auswirkungen dieser Entscheidung auf den Betrieb und das Beschäftigungsbedürfnis des zu entlassenden Arbeitnehmers im Einzelnen darlegen, sodass der Arbeitnehmer hierzu vortragen und das Gericht eine Überprüfung vornehmen kann.