Welche Renditen erzielt die Aktienanlage

Die Fragen, die sich aufdrängen, sind: Sind Aktien wirklich so lukrativ, wie immer wieder behauptet wird? Kann man mit Aktien reich oder zumindest wohlhabend werden? Natürlich lassen sich diese Fragen nicht einfach beantworten, aber man kann dennoch einige wichtige Aussagen machen. Die empirische Finanzmarktforschung hat eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien angefertigt, um die langfristigen Renditen der Aktienanlage zu ermitteln. Teilweise wurden Dat(in für einen Zeitraum erhoben, die sich auf ein ganzes Jahrhundert erstrecken. Glücklicherweise sind Börsendaten leicht verfügbar, da die Kurse in Zeitungen veröffentlicht wurden, so dass man sogar die Börsenentwicklung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen kann. Beispielhaft sind dafür die USA, in denen es eine kontinuierliche Börsengeschichte gibt, die weder durch Kriege noch durch andere historische Ereignisse unterbrochen wurde.

In der Geschichte gab es Perioden, in denen die Aktienanlage sehr schlecht abschnitt; in anderen Jahrzehnten hingegen boomten die Aktienmärkte und bescherten den Anlegern traumhafte Gewinne. Eine besonders ungünstige Phase waren die Jahre nach 1929; in diesem Jahr begann die Weltwirtschaftskrise, die an dem so genannten „schwarzen Freitag“ im Oktober in New York begann. Die Aktienkurse rutschten an einem einzigen Tag um fast 20 Prozent ab und fielen danach kontinuierlich. Manche Aktien verloren innerhalb von Monaten oder Jahren über 90 Prozent ihres Wertes. Die Szenen, die sich damals an der Wall Street abspielten, waren unbeschreiblich. Verzweifelte Anleger, die vollkommen ruiniert waren, sprangen aus dem Fenster. Banken brachen reihenweise zusammen, und die Arbeitslosigkeit stieg auf Rekordwerte. Vorausgegangen waren die 1920er Jahre, die als „Roaring Twenties“ in die Geschichtsbücher eingingen. Lebensfreude und Erfolgsstreben prägten die Dekade; die Aktienkurse kannten nur noch eine Richtung – nämlich die nach oben, und immer mehr Anleger kauften Aktien auch auf Kredit. Die Börsenaufsicht ließ die Zügel locker, und die Banken spekulierten immer mehr ohne Sicherheiten an der Börse.

Als der Zusammenbruch kam, war niemand darauf vorbereitet. Die 1930er und 1940er Jahre waren magere Börsenjahre; denn die meisten Aktienkurse waren um mehr als die Hälfte gefallen. Selbst Standardaktien erreichten Tiefstwerte, und niemand war bereit, an der Börse zu kaufen. Erst Ende der fünfziger Jahre setzte eine leichte Erholung ein, die jedoch nicht lange währte. Bereits Ende der 1960er Jahre zeichnete sich wieder ein Rückgang ab. Die siebziger Jahre waren geprägt von den Ölkrisen und den Konflikten im Nahen Osten. Während der Goldpreis zum Höhenflug ansetzte, stagnierten die meisten Aktienmärkte.
Angesichts dieser Rückschau werden Sie nun denken, dass Aktien nicht wirklich lukrativ sind. Tatsächlich hätten Anleger, die 1929 Aktien gekauft hätten, fast 30 Jahre warten müssen, um ihre Einstandskurse wieder zu erreichen. Dennoch hätte man auch damals einen Reibach machen können, wenn man bei Tiefstkursen etwa im Jahre 1932 wieder eingestiegen wäre. Darüber hinaus verloren nicht alle Aktien. Anleger konnten auch in den dreißiger und vierziger Jahren reich werden, wenn sie auf die richtigen Unternehmen setzten.
Der eigentliche Aufschwung der Börsen setzte 1983 ein, als niemand mehr wirklich Vertrauen zu den Aktien hatte. Unmerklich begannen die Kurse zu steigen. Was dann geschah, war ein wahres Kursfeuerwerk, das bis zum Jahr 2000 mit kleinen Unterbrechungen anhielt. Wer damals in Aktien eingestiegen wäre, hätte bis zur Jahrtausendwende eine jährliche Rendite von fast 30 Prozent erwirtschaftet. Die 1980er und 1990er Jahre sind in der gesamten Börsengeschichte einzigartig. In diesen zwei Jahrzehnten hätten Sie mit etwas Glück innerhalb weniger Jahre Millionär werden können.

Natürlich gab es auch in dieser Zeit Krisen und Einbrüche; beispielsweise brach die Börse 1987 kurzfristig ein, so dass die wichtigsten Aktienindizes an einem Tag bis zu 15 Prozent einbüßten. Doch schon zwei Jahre später war das Debakel vergessen, und die Aktienkurse erreichten wieder Höchststände. In den neunziger Jahren erschütterte der Irak-Krieg kurzfristig die Märkte, die sich aber schnell wieder erholten. Für kleinere Eintrübungen sorgten eine Krise in Lateinamerika 1995, die Asienkrise 1997 und die Russlandkrise 1998. Trotz dieser Ereignisse stiegen die Aktienkurse danach um so deutlicher, und als der Neue Markt als Börsensegment in Deutschland eröffnet wurde, gab es kein Halten mehr. Einige der Technologie- und Internetaktien waren bereits nach der Erstnotierung an der Börse ein Vielfaches ihres Ausgabepreises wert. Manche Aktien der so genannten New Economy zeigten atemberaubende Wertsteigerungen von mehreren hundert oder gar tausend Prozent. Internetunternehmen, die allenfalls Bücher oder CDs verkauften, hatten eine höhere Marktkapitalisierung als bekannte Unternehmen. Manche Menschen gaben ihren Beruf auf und setzten sich vor den Bildschirm, um täglich die Aktienkurse zu studieren. Daytrader spekulierten mit winzigen Kursschwankungen im Minutentakt. Die staunende Öffentlichkeit sah Zivis, die in Luxuslimousinen durch die Kaiserstraße in Frankfurt fuhren und über Nacht reich geworden waren. Selbst renommierte Unternehmen wie Siemens, die Deutsche Bank und andere hatten das Gefühl, hoffnungslos altmodisch zu sein und suchten händeringend nach Jungunternehmern mit innovativen Ideen für eine hippe Dot*com, wie man damals die aufstrebenden Internetunternehmen nannte. Die verrücktesten Ideen fanden ungeteilten Applaus. Beispielsweise hatte ein Student in den USA die simple, aber bestechende Idee, Pannenvideos auf eine Webseite zu stellen.

Sie kennen sicherlich diese Slapsticks, bei denen die Braut bei der Hochzeit auf einer Bananenschale ausrutscht oder der Hund die Geburtstagstorte vernascht. Die Videos wurden kostenlos im Internet publiziert; die Seite selbst finanziert sich über Werbeeinnahmen. Inzwischen residiert dieses Unternehmen in Manhattan und der Student ist Multimillionär geworden. Doch solche Erfolgsgeschichten bleiben die Ausnahmen; viele andere Internetunternehmen scheiterten.

Als der Siemens- Ableger Infineon an die Börse ging, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Tausende von Rentnern, Hausfrauen und Studenten strömten in die Banken, um noch rechtzeitig ein Wertpapierdepot zu eröffnen und um Infineon-Aktien vor der ersten Börsennotiz zu zeichnen. Taxifahrer sprachen mit ihren Fahrgästen nicht mehr über Fußball oder das Wetter, sondern über die Börse. Selbst die Boulevard-Zeitungen berichteten nun ausführlich über Wertpapiere. Früher hätte man dieses Phänomen als Milchmädchen-Hausse bezeichnet.

Es kam, wie es kommen musste. Die Kurse fielen drastisch in die Tiefe. Die Kursverluste bei Technologieaktien waren so dramatisch, dass sie seihst die Weltwirtschaftskrise von 1929 in den Schatten stellten. Der Index des Neuen Marktes, der NEMAX, der nach diesem Prestigeverlust schlicht abgeschafft wurde, büßte mehr als 90 Prozent seines Wertes bis 2003 ein. Anleger, die auf Technologiewerte gesetzt hatten, verloren nahezu alles. Anders als 1929 hatte diesmal die Krise glücklicherweise keine größere Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft; das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich, aber die Arbeitslosigkeit stieg nicht rasant an. Der DAX, der Aktienindex der wichtigsten 30 deutschen Standardwerte, fiel von über 8000 Punkten auf magere 2500 Punkte im Frühjahr 2003. Erst als der Irak-Krieg einsetzte, stiegen die Kurse wieder, so dass der DAX im Jahre 2007 wieder die Marke von immerhin 7000 Punkten zurückgewinnen konnte.

Angesichts dieser turbulenten und spannenden Börsengeschichte werden Sie Aktien eher mit gemischten Gefühlen betrachten. Sie sollten aber bei der Beurteilung Folgendes berücksichtigen: Wenn Sie in den 1980er Jahren Aktien gekauft hätten, hätten Sie trotz aller Turbulenzen, Krisen, Unwägbarkeiten und trotz des Zusammenbruchs des Neuen Marktes im Schnitt bis heute fast 20 Prozent Rendite pro Jahr erzielt. Das ist mehr, als Sie je mit den meisten Anleihen, einer Lebensversicherung oder einer Immobilie hätten verdienen können.

Sie werden nun einwenden, dass die guten Jahrzehnte nach so einer langen Erfolgsperiode vermutlich vorbei sind. Das kann niemand wirklich sicher prognostizieren, aber ein anderer Gesichtspunkt spielt eine Rolle. Die oben genannte Rendite hätten Sie mit dem Durchschnitt der wichtigsten Aktien erreicht, d.h. beispielsweise mit den Standardwerten, die im DAX enthalten sind. Wenn Sie einseitig auf Technologiewerte gesetzt hätten, hätten Sie drastische Verluste erlitten. Das Ergebnis wäre anders ausgefallen, wenn Sie beispielsweise auf osteuropäische, brasilianische, indische und chinesische Aktien gesetzt hätten. Diese Märkte boomen seit der Jahrtausendwende.

Es gibt verschiedene Anlagestrategien, die Ihnen helfen können, die Durchschnittswerte noch zu übertreffen. Diese Phänomene, die man als Überrendite-Effekte bezeichnet, sind bereits wissenschaftlich untersucht worden und können Ihnen helfen, eine noch höhere Wertsteigerung zu erreichen. Was Sie jedoch nicht tun sollten, ist nur auf eine Aktie oder wenige Werte zu setzen; denn Unternehmen können insolvent werden oder sich schlecht den Marktbedingungen anpassen, was unweigerlich zu Verlusten führt.

Sie haben die Wahl zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Methoden: Sie Irinnen den Durchschnitt einer Aktienauswahl kaufen; dann erhalten Sie in der Regel auch eine Durchschnittsrendite. Man bezeichnet dieses Vorgehen als Index- oder passive Investmentstrategie, denn Sie kaufen gleichsam mit dem Index einen ganz Korb voller Aktien. Wenn Sie nun denken, diese Strategie sei langweilig, mittelmäßig und eben nur „durchschnittlich“, kann ich Sie beruhigen: Ein Großteil der angeblich so professionell gemanagten Investmentfonds erreicht noch nicht einmal diese Durchschnittswerte. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Investmentfonds schneidet wesentlich schlechter ab. Wenn Sie also beispielsweise einen Aktienfonds mit deutschen Standardwerten in Ihrem Wertpapierdepot haben, der um 12 Prozent gestiegen ist, während der DAX im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zulegte, dann sollten Sie diesen Investmentfonds verkaufen und gleich in ein DAX- Zertifikat investieren. Machen Sie sich einmal den Spaß und vergleichen Sie die Wertentwicklung von ein paar Fonds mit dem jeweiligen Index, der als Vergleichsmaßstab oder Benchmark dient. In fast allen Fällen werden Sie bestürzt feststellen, dass der Aktienfonds hinter dem Index zurückfällt. Nur wenige Spitzenfonds schaffen es, den Vergleichsindex um wenige Prozentpunkte zu übertreffen, Dabei ist häufig umstritten, ob diese Spitzenfonds „zufällig“ besser sind als der Markt oder ob dies auf besserem Wissen , Management und Können beruht.

Sie werden einwenden, wenn ein Fonds schon seit fünf oder zehn Jahren den Vergleichsindex geschlagen hat, dann kann dies kein Zufall sein. So leicht ist die Beweisführung nicht. Stellen Sie sich vor, Sie würden 500 Affen nehmen, und jeder Affe könnte den Anstieg des DAX durch ein Armheben signalisieren. Irgendwann wäre ein Großteil der Affen ausgeschieden, der die Entwicklung des DAX nicht richtig vorausgesagt hat. Aber ein oder zwei Affen hätten jedes Mal den Arm gehoben, wenn der DAX tatsächlich gestiegen ist. Würden Sie nun behaupten wollen, dass diese Affen herausragende Börsenexperten sind?

Sicherlich nicht. Ein ähnliches Problem entsteht beim so genannten Data Mining. Dabei werden riesige Datenmengen vom Computer durchwühlt und nach Gesetzmäßigkeiten durchsucht. Irgendwann führt diese akribische Suche dazu, dass man scheinbare Zusammenhänge herausfindet. So konnte man beispielsweise ermitteln, dass die Wertentwicklung des amerikanischen Aktienindex Dow Jones an der New Yorker Börse mit der Butterproduktion in Bangla Desh zusammenhängt. Natürlich ist das reiner Zufall. Oder glauben Sie, dass General Electric bei den vielen Tagungen die Sandwichs mit Butter aus Bangla Desh bestreicht und in schlechten Zeiten weniger Butter aus dem asiatischen Land bezieht? Verschwörungstheoretiker mögen bei solchen Szenarien vielleicht erst richtig in Fahrt kommen, aber wenn man es genau betrachtet, fördert das Durchforsten großer Datenmengen skurrile Zusammenhänge an den Tag. In der Mathematik nennt man solche scheinbaren Beziehungen Scheinkorrelationen. Was bei der Butter offensichtlich sein mag, ist es bei anderen gefundenen Zusammenhängen möglicherweise nicht. Es kann auch Vorkommen, dass zwei Variablen zwar einen Zusammenhang aufweisen, dass er aber über eine andere (intervenierende) Variable vermittelt wird. Beispielsweise besteht ein Zusammenhang zwischen den Sprachfertigkeiten und der Schuhgröße. Was anfangs grotesk anmutet, hat einen plausiblen Hintergrund: Die Schuhgröße hängt vom Alter ab. Kinder haben einen geringeren Wortschatz und eine geringere Sprachfertigkeit als Erwachsene.

Beim Data Mining ergeben sich also gleich mehrere Probleme: Zum einen muss man die Scheinkorrelationen Herausfiltern, die sich durch Zufall ergeben. Das ist jedoch in der Praxis fast unmöglich, da es kein Ausgrenzungskriterium gibt. Zum anderen muss man bei möglicherweise wahren Zusammenhängen erst prüfen, ob es nicht eine dritte Variable gibt, die die eigentliche Ursache ist. Auch dies ist bei den vielen Faktoren, die das Börsengeschehen beeinflussen, nur schwer möglich.

Trotz all dieser Probleme haben Wissenschaftler bestimmte Einflussgrößen herausfiltern können, die zu einer Überrendite führen, d.h. Anleger, die bestimmte Strategien verfolgen, können eine höhere Wertentwicklung als der Durchschnitt des Marktes erreichen. Als Anleger haben Sie die Wahl: Sie können auf die Indexstrategie setzen und sich gleichsam an den Markt ankoppeln und erzielen damit die marktübliche Rendite. Diese Strategie ist zumindest weitaus sicherer, als auf Investmentfonds zu setzen. Die andere Herangehensweise besteht darin, gezielt eine Strategie zu verfolgen, die wissenschaftlich überprüft wurde und eine Überrendite sichert. Ich werde Ihnen die einzelnen Strategien ausführlich in einem eigenen Artikel vorstellen.

Doch eine andere Frage, die Sie interessieren wird: Kann man mit Aktien wohlhabend oder reich werden? In vielen Börsenratgeber wird eine Strategie empfohlen, die wie von selbst dazu führt, dass Sie am Ende Millionär werden, und dazu müssen Sie Ihr Geld noch nicht einmal in Aktien anlegen. Allerdings muss ich Ihre Euphorie an dieser Stelle etwas bremsen: Die Strategie funktioniert zwar im Prinzip hundertprozentig, hat aber einige Voraussetzungen, die nicht jeder erfüllen kann.

Die einfachste Möglichkeit, sich als Millionär zur Ruhe zu setzen, beruht auf dem Zinseszinseffekt. Stellen Sie sich vor, dass Sie im Alter von 2C Jahren eine Summe von 10.000 Euro mit einem Zinssatz von 5 Prozent anlegen. Viele Leser werden entgegnen, dass Sie nicht mehr 20 Jahre alt sind oder dass Sie in diesem Alter keine 10.000 Euro zur Verfügung hatten. Sie haben natürlich Recht; aber die Zinseszinsstrategie beruht auf solchen Voraussetzungen. Ich werde später erläutern, ob es noch andere Möglichkeiten gibt. Wenn Sie nun das Geld zu diesen Konditionen anlegen, haben Sie im Alter von 60 Jahren 70.400 Euro. Sie sind damit noch nicht Millionär; aber wenn Sie jeden Monat zusätzlich 50 oder 100 Euro ansparen und entsprechend verzinsen, kommen Sie dem Ziel relativ nahe. Noch besser ist es, wenn Sie einen höheren Zinssatz wählen. Mit geschickt ausgewählten Anleihen war es in der Vergangenheit möglich, zwischen 6 und 7 Prozent Rendite zu erzielen. Mit einer Aktienanlage, die langfristig mit 10 bis 14 Prozent rentiert, werden bei einem durchschnittlichen Satz von 12 Prozent aus 10.000 Euro in 40 Jahren 930.510 Euro.
Sie sehen, es ist viel einfacher. Millionär zu werden, als manche Menschen glauben. Allerdings ist diese Rechnung in der Realität nicht so einfach, da es einige Hürden und Problempunkte gibt, die aber durch einiges Geschick ausgeräumt werden können.

Der erste Kritikpunkt an dieser Argumentation lautet in der Regel, dass 40 Jahre ein sehr langer und unüberschaubarer Zeitraum sind, in dem sich vieles ereignen kann. Dieser Ein wand ist teilweise richtig. Wenn Sie im Jahre 1915 Geld auf diese Weise angelegt hätten, dann hätten Sie den Ersten Weltkrieg, die katastrophale Hyperinflation von 1923, die Weltwirtschaftskrise von 1929, das Dritte Reich, den Zweiten Weltkrieg und die Währungsreform überstehen müssen. Unter diesen historischen Bedingungen wäre von Ihrer Anlage leider nichts übrig geblieben. Denn schon die galoppierende Inflation im Jahr 1923 hätte Ihr Geld komplett vernichtet. Bedenken Sie bitte, dass damals bereits ein Laib Brot mehrere Millionen Reichsmark kostete. Um diesen Zeitraum unbeschadet zu überstehen, hätten Sie Ihr Vermögen in neutralen Ländern wie der Schweiz oder in Schweden in Aktien oder Anleihen anlegen müssen. Aber wer wusste das schon im Jahr 1915?

Ein Anleger, der diese Strategie im Jahre 1965 begonnen hätte, könnte sich heute eines beträchtlichen Vermögens erfreuen und wäre sicher mehrfacher Millionär, da die Aktienmärkte in den achtziger und neunziger Jahren besonders stark boomten.
Ein anderer Kritikpunkt an der Zinseszinsstrategie lautet, dass man die Inflation mit einbeziehen müsse. Tatsächlich wird eine Million im Jahre 2020 oder 2040 wesentlich weniger wert sein als heute, so dass selbst Millionäre in der Zukunft wahrscheinlich nur noch als relativ wohlhabend eingestuft werden. Aber wenn Sie Ihr Geld mit 7 oder gar 12 Prozent angelegt haben, haben Sie schon alles unternommen, um die Inflation erheblich auszugleichen. Dieses Argument spricht nicht wirklich gegen die Zinseszinsstrategie. In der Vergangenheit lag die Inflationsrate in Deutschland im Durchschnitt bei zirka zwei Prozent, wenngleich es auch Phasen wie in den siebziger Jahren gab, als die Geldentwertung Rekordwerte von über 7 Prozent erreichte.

Ein dritter Kritikpunkt gegen diese Strategie bezieht sich auf die Realisierbarkeit. Bei Anleihen ist es relativ einfach, eine solche Anlagestrategie umzusetzen, da es Langläufer mit über zehn Jahren gibt. Ein Problem ergibt sich meist aus der Wiederanlage. Nehmen wir an, Sie legen Geld in einer Anleihe an, die Ihnen 6 Prozent Rendite einbringt. Nach zehn Jahren müssen Sie Geld erneut anlegen, doch diesmal rentieren sich Anleihen vielleicht nur mit vier Prozent. In dieser Situation können Sie nur Fremdwährungsanleihen nehmen, die höhere Zinssätze aufweisen; aber hier ergibt sich ein gewaltiges Währungsrisiko. Beispielsweise ist der Dollar gegenüber der D-Mark kontinuierlich gesunken. Ein Anleger, der in den sechziger Jahren Dollar-Anleihen für 30 Jahre gekauft hätte, hätte enorme Verluste verbucht. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Anleihen mit geringerer Bonität zu kaufen. Doch in diesem Fall riskieren Sie, wenn der Schuldner nicht mehr zahlen kann, den totalen Verlust. Bei Staatsanleihen war dies erfreulicherweise relativ selten der Fall; in den letzten Jahren sorgte nur Argentinien mit einem Staatsbankrott für Aufsehen. Doch bei Unternehmensanleihen häuften sich auch in der Vergangenheit die Insolvenzen.

Solche Schwierigkeiten sind nicht nur bei Anleihen anzutreffen, sondern auch bei Aktien. Sie haben zuerst das Problem, dass Sie ein Aktienportfolio zusammenstellen müssen. Eine Auswahl von Aktien bedeutet immer ein Risiko, das Sie aber minimieren können, wenn Sie sich an bestimmte Strategien halten. Für Anleger, die eine Indes Strategie bevorzugen, wäre diese in den sechziger Jahren nicht realisierbar gewesen, denn es gab damals keine Anlageinstrumente, mit denen man den gesamten Index hätte erwerben können. Erst seit den 1990er Jahren gibt es nämlich in Deutschland Indexzertifikate, die einen Index abbilden. Doch auch solche In des Zertifikate bergen über lange Zeiträume Risiken in sich, denn es handelt sich um Inhaberschuldverschreibungen von Banken. Wenn nun im Jahre 2030 eine schwere Wirtschaftskrise ausbricht und die Bank, die das Zertifikat herausgegeben hat, Insolvenz anmelden muss, haben Sie einen Totalverlust erlitten.
Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass ein Zeitraum von 30 oder 40 Jahren voller Überraschungen sein kann. Es hilft nichts darüber zu spekulieren, wie riskant es sein könnte. Vielmehr können Sie durch geschickte Maßnahmen sich vor solchen Gefahren schützen,. Wenn Sie die Wahl haben, Ihr Geld für 40 Jahre in Aktien anzulegen oder in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen, werden Sie sehr schnell erkennen, welche Entscheidung wirklich riskanter ist.

Bei Aktien besteht ein weiteres Problem: Wenn Sie sich einmal eine alte Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen aus dem Jahre 1970 ansehen, werden Sie die meisten Aktien, die auf dem Kurszettel verzeichnet sind, gar nicht kennen oder nur noch aus der Erinnerung. In einem Zeitraum von 30 oder 40 Jahren verschwinden viele Unternehmen von der Bildfläche; das liegt nicht nur an Insolvenzen, sondern viel häufiger an Fusionen oder Unternehmensübernahmen. Die Aktien aus dem Jahre 1970 gibt es heute größtenteils nicht mehr. Natürlich finden sich dort auch Werte wie Siemens, BASF oder Bayer Aber die meisten Aktien werden vom Kurszettel verschwunden sein. Denken Sie nur an Unternehmen wie Hoechst oder AEG. Branchen, die heute als wichtig und bedeutsam angesehen werden, gab es damals noch gar nicht – wie die Internetbranche, die Telekommunikation oder die Biotechnologie. Dies alles spricht aber nicht wirklich gegen die Zinseszinsstrategie, denn Sie müssen nur Ihr Depot in sinnvollen Abständen überprüfen.

Insgesamt betrachtet ist es möglich, mit Hilfe von Aktien Millionär zu werden. Sie sollten sich aber auf einen sehr langen Zeitraum von 20 oder 30 Jahren gefasst machen. Natürlich kann man auch durch gewagte Spekulationen reich werden, aber die meisten dieser Hasardeure enden verarmt und im Elend. Je größer nämlich der Hebel einer Spekulation ist, desto beträchtlicher ist auch das Verlustrisiko. Soziologische Untersuchungen aus den USA zeigen ohnehin, dass die meisten Millionäre nicht durch Wertpapierspekulation reich geworden sind, sondern durch eine selbstständige Tätigkeit. Als Angestellter oder Beamter können Sie nie ein so hohes Einkommen erzielen, dass Sie in wenigen Jahren reich werden. Jedoch ist auch die Selbstständigkeit keine Garantie für Wohlstand und Reichtum, denn in Deutschland scheitert jedes vierte Unternehmen innerhalb von fünf Jahren. Es zeigt sich auch, dass es bestimmte Branchen gibt, in denen die Chance, sehr reich zu werden, größer ist als in anderen. Die meisten großen Privatvermögen in den USA wurden durch Immobiliengeschäfte geschaffen. In vielen Fällen wurden Häuser und Grundstücke zu Spottpreisen in einer wirtschaftlichen Flaute aufgekauft, die Gebäude grundlegend renoviert und später zu hohen Preisen wieder abgestoßen. Ein anderer lukrativer Wirtschaftszweig sind die Finanzdienstleistungen. Wenn Sie in Harvard oder Yale Wirtschaftswissenschaften oder – speziell – Finance studiert haben, könnte ein renommierter Wallstreet- Broker Ihre Fahrkarte zum Glück sein; denn allein die Provisionen, die dort ausgeschüttet werden, erreichen mehrere hunderttausend Dollar. Viele Broker können sich bereits Mitte 30 zur Ruhe setzen.

Finanzplanung und Money Management beim Aktienhandel

Ein wichtiger Aspekt bei der Aktienanlage ist eine durchdachte und eine systematische Finanzplanung, die Ihren persönlichen Lebensumständen gerecht wird. Einige wichtige Erfolgsfaktoren legen fest, inwieweit Sie mit Ihrer Finanzplanung Erfolg haben werden oder nicht.
Als Erstes sollten Sie Ihre finanziellen Ziele konkretisieren. Was möchten Sie wirklich erreichen? Die meisten Menschen stellen sich diese bisweilen beklemmende Frage am Silvesterabend und
fassen dann ein paar vage definierte Beschlüsse, die schon am Neu Jahrestag vergessen sind oder im Alltagstrott verdrängt werden. Langfristigen Erfolg haben Sie aber nur, wenn Sie bereit sind, sich klare Ziele zu setzen, in einer Untersuchung in den USA wurden die Absolventen e:ner Eliteuniversität befragt, welche Ziele sie hätten. Die Mehrheit konnte nichts dazu sagen oder gab nur ein paar verschwommene Ziele an. Nur eine kleine Minderheit, die bereits klar umrissene Ziele formuliert hatte, verdiente einige Jahre später ein Vielfaches von dem, was die anderen an Einkommen erzielten. Diese Minorität mit klaren Zielen stieg bereits nach kurzer Zeit an die Spitze auf.

Ohne klares Ziel gehören Sie zu den Millionen Menschen, die nicht wissen, was Sie in fünf, zehn oder zwanzig Jahren erreichen werden. Sie lassen sich von der Brandung des Lebens treiben und kommen irgendwo an, wo Sie vielleicht gar nicht hin wollten. Aus diesem Grund sollten Sie darüber nachdenken, was Sie wirklich finanziell anstreben. Nehmen Sie ein Papier und schreiben Sie spontan auf, welches Ihre finanziellen Wünsche sind. Möchten Sie ein neues Auto, ein großes Haus oder ein Segelboot? Wollen Sie lieber eine Weltreise machen, Ihren Lebensabend absichern oder finanziell unabhängig sein? Auch wenn Ihnen Ihre Wünsche Unbehagen bereiten oder Ihnen merkwürdig Vorkommen, schreiben Sie sie auf.
Dann sollten Sie die einzelnen Ziele noch einmal überprüfen. Bei jedem Ziel sollten Sie überprüfen, ob Sie eine innere Zufriedenheit oder ein Gefühl des Glücks und der Freude verspüren. Wenn Sie beispielsweise nur deshalb eine Segelyacht haben wollen, um Ihrem Nachbarn zu imponieren, sollten Sie sich fragen, ob dieser Wunsch wirklich erstrebenswert ist. Denken Sie daran, dass es Ihr Leben ist und dass die meisten Menschen, die auf dem Sterbebett liegen, sich nicht wünschen, mehr Zeit im Büro oder bei Tagungen verbracht zu haben, sondern sie wünschen sich, mehr gelebt zu haben. Das Kostbarste überhaupt ist nicht das Geld, denn auch ein verlorenes Vermögen können Sie mit einiger Anstrengung wieder zurückgewinnen; das Kostbarste ist Ihre Lebenszeit. Die Zeit, die vergangen ist, können Sie nie mehr zurückholen; sie ist unwiderruflich verloren.

Geld ist nur ein Mittel, das Ihnen hilft, Ihr Leben besser zu nutzen. Was Sie letztlich durch die Börse anstreben, ist Ihre finanzielle Unabhängigkeit. Wer nicht finanziell unabhängig ist, muss Monat für Monat arbeiten, um seinen Lebensunterhalt abzusichern. Sie können es sich dann nicht leisten zu kündigen, wann Sie wollen, da Sie von den regelmäßigen Gehaltszahlungen abhängig sind. Sie müssen im Büro jeden Ärger und jeden Stress hinnehmen und verdienen nur so viel, dass Sie damit gerade mehr oder weniger über die Runden kommen. Unter solchen Umständen ist der einzige Traum, den Sie sich leisten können, eine dreiwöchige Urlaubsreise. Im Alter sind Sie auf die gesetzliche Rentenversicherung angewiesen, und wenn Sie Pech haben, bekommen Sie am Ende im Pflegeheim, nachdem das Sozialamt Ihre Unterbringungskosten bezahlt hat, ein Taschengeld von 80 Euro.
Deshalb sollte die Finanzplanung für Sie von größter Bedeutung sein und an erster Stelle stehen. Nachdem Sie Ihre Wünsche auf einem Zettel notiert haben, sollten Sie abschätzen, wie hoch Ihr Kapitalbedarf ist, um finanziell unabhängig zu werden. Das können eine Million oder mehrere Millionen sein. Setzen Sie sich aber nicht in den Kopf, das Vermögen von Michael Schumacher oder Boris Becker zu übertrumpfen. Wenn Sie Ihr Ziel hoch ansetzen, ist die Gefahr groß, dass Sie frühzeitig entmutigt werden. Wählen Sie eine realistische Summe, die Ihnen ausreicht, um finanziell unabhängig zu werden.

Nun sollten Sie Folgendes machen: Vergleichen Sie bitte, was Sie für den Konsum ausgeben und was Sie für Investitionen in Ihre Zukunft aufwenden. Investitionen in Ihre Zukunft sind solche Ausgaben, die Sie Ihrem Ziel, die finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen, näher bringen. Geld, mit dem Sie Aktien, Anleihen, Zertifikate, Investmentfonds oder Immobilien kaufen, bringt Ihnen wiederum Geld ein. Jeder Euro, den Sie gewinnbringend an- legen, ist ein Schritt hin zu Ihrer finanziellen Unabhängigkeit. Dasselbe gilt für Investitionen in Bildung, die Ihr Einkommen steigern. Wenn Sie beispielsweise ein Maschinenbaustudium mit einem technologisch gefragten Spezialgebiet absolvieren, können Sie als Ingenieur Ihr Gehalt beträchtlich steigern.

Ganz anders verhält es sich mit Ausgaben, die vorwiegend dem Konsum dienen. Wenn Sie einen Porsche nur deshalb kaufen, um Ihre Nachbarn zu beeindrucken, haben Sie ein schlechtes Geschäft gemacht. Ihr Auto wird schon nach wenigen Jahren einen Wertverlust erleiden; nur PCs verlieren noch schneller an Wert als ein Auto. Jemand, der wirklich reich werden möchte, würde lieber Porsche-Aktien oder andere Wertpapiere und einen billigen Gebrauchtwagen kaufen.

Finanzielle Unabhängigkeit ist nämlich kostbarer als teure Sportautos, luxuriöse Ferienhäuser, eine neue Küchenausstattung oder eine Mitgliedschaft im Golfclub. Wenn Sie finanziell nicht unabhängig sind, bedeutet das, dass Sie die Querelen im Büro Tag für Tag ertragen müssen. Sie müssen sich mit cholerischen Vorgesetzten, intriganten Kollegen und missgünstigen Nachbarn herumärgern. Ihnen bleibt, nachdem Sie die Raten für das Auto, das Haus und die Möbel abgestottert haben, vielleicht nur noch genügend Geld für ein paar Wochen Urlaub auf einer griechischen Insel oder im besten Fall auf den Malediven. Dafür müssen Sie einen Beruf in Kauf nehmen, der Sie nicht mehr befriedigt, und ein Familienleben, das nur noch – wenn überhaupt – am Wochenende stattfindet.

Wenn Sie hingegen finanziell unabhängig sind, können Sie Ihren Traumberuf frei wählen. Sie arbeiten nicht mehr für das Gehalt, sondern weil Ihnen die Tätigkeit große Freude bereitet. Sie können leben und arbeiten, wo immer Sie möchten. Sie müssen nicht mehr in einer trostlosen Vorstadtsiedlung ausharren. Sie leben so, wie Sie es selbst wollen und es sich erträumen.

Sie sollten deshalb folgende Grundsätze beachten, wenn Sie finanziell unabhängig werden wollen:
• Setzen Sie sich ein klares und anschauliches Ziel, das Sie schriftlich festlegen. Schreiben Sie nicht: „Ich möchte Multimillionär werden“, sondern formulieren Sie konkret und detailliert: „Ich möchte bis zu meinem 40. Lebensjahr eine Million Euro haben.“ Listen Sie auch auf, wie sich Ihr Vermögen zusammensetzen soll.
• Formulieren Sie bitte Zwischenetappen und Zwischenziele, die Sie für die einzelnen Jahre und eventuell für einzelne Monate
herunterbrechen. Wenn Sie das jeweilige Ziel nicht erreicht haben, fragen Sie sich, was die Hindernisse waren, und versuchen Sie, diese Probleme schrittweise zu bewältigen.
• Die größte Hürde, die die Menschen davon abhält, ihre finanziellen Ziele zu erreichen, ist leider mangelnde Disziplin. Wenn Sie Ihren Finanzplan in die Schublade legen und vergessen, wird es Ihnen so ergehen wie mit den guten Vorsätzen, die Sie in der Silvesternacht gefasst haben. Sie sind ein paar Tage später vergessen. Ein solches Problem können Sie einigermaßen umgehen, wenn Sie in Ihren Finanzplan einen Automatismus einbauen. Sie können beispielsweise monatlich von der Bank eine gleich bleibende Summe in einen Fonds- oder Zertifikatesparplan überweisen lassen. Je höher Ihre Sparquote ist, desto früher werden Sie Ihr Ziel erreichen. Wenn Sie nur 10 Prozent Ihres Gehalts in Kapitalanlagen investieren, wird es sehr viel länger dauern, als wenn Sie 30 Prozent sparen können. Auf jeden Fall sollten Ihre Ausgaben für gewinnbringende Investitionen (Wertpapiere, Immobilien, Weiterbildung) immer deutlich über Ihren Konsumausgaben (Reisen, Autos etc.) liegen.
• Legen Sie Ihr Geld mit einer relativ hohen Rendite an; gehen Sie aber keine übermäßigen Risiken ein. In Deutschland ist die Furcht vor Aktien relativ groß, da viele Anleger befürchten nach einem Crash könnte ihr gesamtes Vermögen vernichtet sein. Langfristig betrachtet ist es aber wesentlich riskanter, sein Geld auf einem vermeintlich sicheren Sparbuch zu parken, da die Inflation die Summe ständig schmälert. Sie sollten bei Ihren Kapitalanlagen eine mittlere Rendite zwischen 6 bis 12 Prozent erreichen. Noch höhere Renditen sind nur dann möglich, wenn man ein übergroßes Risiko in Kauf nimmt. Je größer das Risiko ist, desto größer ist auch die Gefahr, dass Sie alles verlieren. Deshalb sollten Sie niemals alles auf eine Karte setzen! Streuen Sie Ihre Anlagen.
• Um sich zu motivieren, sollten Sie sich täglich Ihre Lebensziele vergegenwärtigen. Ihre Träume und Wünsche sind letztlich der Ansporn für diese Anstrengungen. Gehen Sie aber nicht so weit, übermäßig zu knausern. In den Niederlanden sorgte ein Ehepaar für Furore, das sich dem Geiz verschrieben hatte. Teebeutel
wurden getrocknet und mehrmals verwendet, die Heizung wurde auch im Winter abgestellt – dafür hüllte sich das Ehepaar auch tagsüber in eine Wolldecke, und selbst das Duschwasser wurde wieder verwendet. Wer so spart, lebt eigentlich nicht mehr glücklich. Ihre Finanzplanung hat aber nur ein einziges Ziel: Aus Ihrem einzigartigen Leben das Beste zu machen.
• Finanzplanung hat eigentlich nur vordergründig mit Finanzen zu tun; letztlich geht darum, dass Sie sich Ihre Träume und Wünsche im Leben erfüllen.
Auch wenn Sie jetzt erst 20 Jahre alt und gerade mal über 100 Euro verfügen, können Sie das Ziel, reich oder wohlhabend zu werden, erreichen. Da Ihnen viel Lebenszeit zur Verfügung steht, können Sie mit kleinen Sparbeträgen und einer guten Rendite Ihr Ziel relativ schnell und zügig erreichen.

Falls Sie bereits 50 Jahre alt sind und nun befürchten, dass Ihnen Altersarmut droht, so kann ich Sie beruhigen. Es ist zwar schwerer, in kürzerer Zeit zu einem Vermögen zu gelangen, aber es ist nicht unmöglich. Denken Sie daran, dass der Deutsche Aktien index sich in dem Zeitraum von 1990 bis 1999 verachtfacht hat! Zwar mag sich eine solche Entwicklung in der Zukunft nicht unbedingt wiederholen, aber machen Sie sich bewusst, dass die Welt groß ist und stets neue Chancen und Perspektiven eröffnet. Länder wie China, Indien, Vietnam, Kroatien und viele andere stehen erst am Anfang ihres wirtschaftlichen Potenzials. Auch in Deutschland gibt es viele Unternehmen, die hervorragende Produkte produzieren und einen ausgezeichneten Ruf genießen. Wenn Sie sich die Aktien solcher Spitzenunternehmen ins Depot legen, werden Sie langfristig zu den Gewinnern zählen.

Was ist eine Aktie und was bedeutet

Eine Aktie ist ein Wertpapier, das für einen Anteil an einem Unternehmen steht. Aktien werden in der Regel an der Börse gehandelt. Das ist für Sie ein großer Vorteil, denn dadurch können Sie jederzeit Ihr Wertpapier veräußern. Es dauert nur ein paar Tage, bis die Bank den Gegenwert auf Ihrem Konto gutschreibt. Es gibt noch andere Möglichkeiten, sich an Unternehmen zu beteiligen – beispielsweise durch einen GmbH-Anteil. Gut verdienende und lukrative mittelständische Unternehmen haben in Deutschland häufig die Rechtsform einer GmbH; einen solchen Anteil können Sie nur erwerben, wenn das Unternehmen einverstanden ist und die einzelnen vertraglichen Rahmenbedingungen geklärt sind. Jedoch ist die Übertragung eines solchen Anteils mit vielen formaljuristischen Finessen verbunden, und es nimmt einige Zeit in Anspruch. Auch der Wiederverkauf ist sehr problematisch, da es für GmbH-Anteile keinen offenen und transparenten Markt gibt.
Der Kauf einer Aktie hingegen ist in ein paar Sekunden zu bewerkstelligen. Bei einem Online-Broker können Sie mit ein paar Mausklicks die gewünschte Aktie ordern. Heutzutage werden Aktien nicht mehr in Form einer Urkunde ausgehändigt; vielmehr werden die Papiere elektronisch verwaltet. Vor einigen Jahrzehnten wurden Aktien noch als richtige Wertpapiere den Kunden ausgehändigt und zu Hause oder im Schließfach der Bank verwahrt. Die meisten Unternehmen gestalteten ihre Aktien aufwändig im Druck und versahen sie mit kostbaren Vignetten und einem ansprechenden Design. Solche alten Aktien bezeichnet man als Nonvaleurs, und sie werden heute wie Briefmarken oder Münzen gesammelt und auf Auktionen versteigert. Man hat lange Zeit nach einem Namen für dieses Sammelgebiet gesucht und schließlich das Kunstwort „Scripophilie“ geprägt, das aber weniger gebräuchlich ist. Inzwischen gibt es kunstvoll aufgemachte Kalender, die aus solchen Aktien bestehen. Ähnlich wie bei seltenen Briefmarken lassen sich auch mit historischen Wertpapieren gelegentlich beträchtliche Gewinne erzielen. Obwohl das Gros der alten Aktien nur geringe Wertsteigerungen vorweisen kann, gibt es
einzelne Ausnahmen. Was kaum bekannt sein dürfte: Goethe war nicht nur einer der bedeutendsten Dichter der Literaturgeschichte, sondern verdiente seinen Lebensunterhalt in Weimar als – wie wir es heute nennen würden – Bergbauminister. Anteile an solchen Unternehmen, die heute keine Rolle mehr spielen, nennt man Kuxe. Es sind Originalkuxe aus jener Zeit erhalten, die persönlich von dem Dichter signiert wurden. Mit solchen historischen Wertpapieren werden auf Auktionen Rekordsummen erreicht. Dasselbe gilt für historische Aktien, die von berühmten Industriemagnaten wie Werner von Siemens oder den Tycoons amerikanischer Industriedynastien wie Carnegie oder Ford unterzeichnet wurden. Heutzutage werden Aktien jedoch ausschließlich elektronisch verwaltet und erscheinen dem Anleger nur als Zahlen auf einem Depotauszug oder auf dem Bildschirm.
Aufgrund der intensiven Berichterstattung in den Medien glauben viele, dass es in Deutschland unzählige Aktiengesellschaften gibt. Tatsache ist aber, dass nur schätzungsweise ein Prozent aller deutschen Unternehmen die Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat. Die überwältigende Mehrheit besteht – so erstaunlich das klingen mag – aus Einzelunternehmen. Seihst GmbHs sind relativ selten. In Deutschland gibt es rund 1000 Aktiengesellschaften, die an den Wertpapierbörsen notiert sind. Nicht jede Aktiengesellschaft hat auch eine Börsenzulassung, denn es ist durchaus möglich, eine Aktiengesellschaft zu gründen, ohne an die Börse zu gehen. Mit solchen Wertpapieren sollten Sie als Anleger aber äußerst vorsichtig sein; da diese Aktien nicht an der Börse notiert sind, kann ihr Preis auch nicht objektiv bestimmt werden. Wenn Ihnen Prospekte oder Broschüren ins Haus flattern, die für solche Aktien werben, sollten Sie das Angebot anlehnen; denn solche nicht börsennotierten Aktien sind äußerst riskant, da es für sie keinen transparenten Markt gibt.

Neben den deutschen Aktien sind viele ausländische Aktien erhältlich, die in Frankfurt am Main oder anderen deutschen Börsenplätzen notieren. Ihre Zahl liegt bei mehreren Tausend. Am häufigsten vertreten sind Aktien aus anderen EU-Ländern und Nordamerika. Nahezu jede wichtige Aktiengesellschaft aus den USA kann an einer deutschen Börse erworben werden. Aber auch
Papiere aus weniger gängigen Ländern wie China, Russland, Indien, Kroatien, Polen und Rumänien sind in Deutschland notiert.
Sie sollten beim Kauf ausländischer Aktien Folgendes beachten: Schauen Sie sich im Internet auf den entsprechenden Plattformen Ihrer Hausbank oder einer Direktbank die Börsenumsätze an, wenn Sie das Wertpapier aufrufen. Sind die Umsätze in Deutschland sehr niedrig, empfiehlt es sich, das Papier im Ausland zu ordern. Denn niedrige Börsenumsätze führen schon bei geringen Kaufaufträgen zu enormen Ausschlägen. An der ausländischen Börse hingegen ist genügend Liquidität vorhanden, so dass Sie dort auch größere Aufträge platzieren können. Viele Direktbanken bieten beispielsweise den Börsenhandel in den USA zu fast denselben Konditionen wie in Deutschland an. Problematischer wird es, wenn Sie eine Aktie direkt in Hongkong oder beispielsweise in Shanghai oder an einem anderen exotischen Börsenplatz kaufen wollen. Während es in der Finanzmetropole Hongkong noch relativ billig sein mag, ist es in Shanghai bereits teurer.
Ein Kauf im Ausland ist stets mit höheren Gebühren verbunden.

Für wen sind die Aktien geeignet

In Deutschland stoßen Aktienanlagen häufig auf Vorbehalte, denn viele Anleger wollen ihr Geld sicher anlegen. Sie sollten dabei bedenken, dass jede Geldanlage von vier Faktoren bestimmt wird, die man auch als das magische Viereck der Geldanlage bezeichnet:
• Rendite
• Liquidität
• Risiko
• Steueroptimierung

Manchmal spricht man auch vom magischen Dreieck, wenn die steuerlichen Aspekte ausgeblendet werden. Diese vier Gesichtspunkte können niemals gleichermaßen optimiert werden, daher wird dieser Zusammenhang als „magisch“ bezeichnet. Wenn Sie eine hohe Rendite anstreben, können Sie Ihr Risiko nicht völlig reduzieren. Je höher die Gewinnchancen eines Investments sein sollen, desto größer ist das Risiko, das Sie eingehen müssen. Mit einer Anleihe erzielen Sie aktuell in Deutschland eine Verzinsung von 4 Prozent. Wenn Sie eine Aktie nehmen, kommen Sie vielleicht auf eine Rendite von 10 Prozent; und wenn Sie Glück haben, erreichen Sie mit einem Optionsschein oder einem Hebelzertifikat innerhalb weniger Monate eine Wertsteigerung von über ICO Prozent. Doch das Risiko ist unterschiedlich: Eine Anleihe der Bundesregierung ist relativ sicher. Eine Aktie kann bei einem Börsencrash beträchtlich sinken. Manche Technologieaktien verloren mit dem Niedergang des Neuen Marktes und der New Economy innerhalb weniger Monate mehr als 90 Prozent ihres Wertes. Wenn das Unternehmen insolvent wird, können Sie mit einer Aktie alles verlieren. Noch drastischer ist es, wenn Sie auf Derivate wie Optionsscheine oder Hebelzertifikate setzen. Bei diesen Anlageinstrumenten kann innerhalb von wenigen Minuten oder Stunden ein Totalverlust entstehen, wenn Sie die Marktlage und die Börsentendenz nicht richtig einschätzen.

Eine Geldanlage mit hoher Rendite und niedrigem Risiko gibt es nicht. Beide Ziele schließen sich aus. Dasselbe gilt für den Zusammenhang von Rendite und Liquidität. Wenn Sie Ihr Geld kurzfristig anlegen, es also jederzeit flüssig machen können, dann bekommen Sie eine niedrigere Verzinsung als bei einer langfristigen Anlage. Besonders bei Termingeldern wird dieser Zusammenhang anschaulich: Ein Termingeld mit einer Kündigungsfrist von einem Monat hat eine niedrigere Verzinsung als eines, das auf drei Monate festgelegt wurde. Analog verhält es sich mit der Steueroptimierung: Wird Geld langfristig angelegt, müssen zumindest, solange es noch nicht die geplante Abgeltungssteuer gibt, Kursgewinne nach einem Jahr nicht versteuert werden. Bei Geschäften mit Optionsscheinen, die häufig nur wenige Monate oder Wochen gehalten werden, entstehen steuerpflichtige Spekulationsgewinne.
Das magische Viereck beschreibt zwar die idealen Ziele einer Geldanlage; diese können aber niemals gleichzeitig erreicht werden, da sie sich ausschließen.
Für wen eignen sich nun Aktien? Aktien eignen sich vor allem für Anleger, die eine hohe Rendite erreichen wollen, aber auch bereit sind, ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen.

Sie sollten Aktien nur kaufen, wenn Sie einen Verlust von 40 bis 50 Prozent verkraften können. In der Realität ist das Risiko natürlich geringer, da es Strategien gibt, mit deren Hilfe man sich gegen einen solchen Verlust wappnen kann. Da es aber auch Börsencrashs, politische Turbulenzen und andere Unwägbarkeiten gibt, sollten Sie vorsorglich mit einem Verlustrisiko von 50 Prozent rechnen. Bei Technologieaktien oder Werten aus Schwellenländern wie China, Indien, Lateinamerika und anderen Regionen, die als Emerging Markets bezeichnet werden, ist das Verlustrisiko noch deutlich größer.

Aktien sind daher nichts für ängstliche Naturen, die ihre Verzinsung bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma berechnen möchten. Falls Sie vor einem solchen beträchtlichen Verlustrisiko zurückscheuen, sollten Sie Ihr Geld lieber in Qualitätsanleihen, Bausparverträgen oder gut bewerteten Immobilien anlegen. Nichts ist ärgerlicher, als wenn Sie schlaflose Nächte mit Ihren Aktien verbringen und bereits beim Frühstückstisch aufgeregt die Aktienkurse im Fernsehen verfolgen und bei jedem Euro und bei jedem Cent Verlust um Ihr Geld zittern.
Andererseits sollten Sie berücksichtigen, dass das Risiko bei allen Geldanlagen durch geschickte Strategien gesenkt werden kann. Zwar ist es nicht möglich, das Risiko völlig zu beseitigen, denn auch das Leben selbst ist mit vielen Risiken behaftet, aber Sie können zumindest einige der Gefahren reduzieren oder ganz ausräumen.

Einer der wichtigsten Grundsätze, der für alle Investments gilt, ist das Prinzip der Streuung oder Diversifikation. Die Alltagsweisheit, man solle nie alle Eier in einen Korb legen, gilt auch hier. Wenn Ihr Depot nur eine Aktiengesellschaft enthält, sind Sie auf Gedeih und Verderb diesem Unternehmen ausgeliefert. Wenn das Unternehmen Insolvenz anmeldet, haben Sie alles verloren. Wenn Sie hingegen 100 verschiedene Aktien besitzen, ist die Streuung so groß, dass ein Totalverlust auf jeden Fall ausgeschlossen ist. Das Prinzip der Streuung oder Diversifikation lässt sich noch perfektionieren. Durch Untersuchungen weiß man beispielsweise, dass manche Aktien sich stets in die gleiche Richtung bewegen, während andere gegenläufig sind. Wenn beispielsweise Ölaktien steigen, sinken die Aktien der Airlines. Der Grund, dafür ist, dass steigende Erdölpreise die Gewinne von Airlines schmälern. Ein solcher Zusammenhang wird in der Mathematik als Korrelation bezeichnet. Wenn zwei Aktien sehr stark korrelieren, d.h. sich immer in die gleiche Richtung entwickeln, tragen sie nicht zur Streuung des Depots bei. Sie sollten bei der Zusammensetzung Ihrer Aktienauswahl vor allem darauf achten, dass die Aktien darin wenig miteinander korrelieren, d.h. sich gegenläufig entwickeln und damit das Depot austarieren. Wenn beispielsweise Ihre Automobilaktien gerade schwächeln, steigen dafür Ihre Chemie- oder Pharmawerte. Das Verlustrisiko von Aktien lässt sich dadurch deutlich senken. Nun werden Sie sich tragen, wie viele Aktien sollte man in einem Depot haben. Ein Börsenexperte gab darauf die vollmundige Antwort: So viele, wie Sie sich Kinder zu erziehen Zutrauen. Bevor Sie nun ernsthaft Ihre pädagogischen Fähigkeiten überprüfen, sollten Sie Folgendes beachten: Zu wenige Aktien in einem Depot bedeuten ein zu großes Risiko. Ein gut gestreutes Depot umfasst daher zirka 4 bis 7 verschiedene Aktien. Wenn Sie mehr Aktien in Ihrem Depot haben, laufen Sie Gefahr, dass Sie den Überblick verlieren. Wer 20 Aktien in seinem Portefeuille hat, besitzt im Grunde nur ein Sammelsurium unterschiedlicher Werte, die nicht sinnvoll betreut, analysiert und beobachtet werden können.

Aber selbst 4 oder 7 Werte stellen noch ein relativ großes Risiko dar, denn die Streuung ist auch hierbei relativ gering. Daher ist es für alle Anleger empfehlenswert, unter Aktienanlage nicht nur den Kauf einzelner Aktien zu verstehen, sondern auch andere indirekte Aktienanlagen mit einzubeziehen. Hierzu gehören vor allem Zertifikate und Aktienfonds. Nur durch solche Instrumente ist eine große Streuung gewährleistet. Darüber hinaus sollten Sie bei der Aktienauswahl (dem Stockpicking) einer wissenschaftlich fundierten Strategie folgen.
Das Prinzip der Streuung beschränkt sich nicht nur auf Aktien oder aktienähnliche Investments, sondern bezieht sich auf alle Geldanlagen. Die Diversifikation beginnt bereits bei der Auswahl und Zusammenstellung der Vermögens- oder Assetklassen. Darunter versteht man eine grundsätzliche Einteilung aller Anlageformen in Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Immobilien. Ihr Geld ist nur dann sicher angelegt, wenn Sie neben Aktien auch diese anderen Assetklassen besitzen. Der Grund dafür ist, dass sich Rohstoffe, Anleihen und Immobilien anders verhalten und andere Zyklen haben als die Aktienmärkte. Als beispielsweise im Jahr 2001 die Börsen wegen der Krise der Technologie- und Internetwerte auf Talfahrt gingen, begann ein weltweiter Boom der Immobilien und der Rohstoffe. Gold, Platin und viele Industriemetalle erreichten rekordverdächtige Wertsteigerungen. Der Immobilienmarkt in Großbritannien und in den USA verbuchte enorme Zuwächse, während die Technologieaktien ins Bodenlose fielen und den Anlegern Verluste von über 90 Prozent bescherten.
Darüber hinaus sollten Sie beachten, dass auch Währungen ein Risiko darstellen. Wenn Sie eine ausländische Aktie oder eine Fremdwährungsanleihe kaufen, gehen Sie immer ein Währungsrisiko ein, auch wenn die Aktie an der deutschen Börse in Euro notiert. Lassen Sie sich davon nicht blenden: Ein ausländisches Unternehmen notiert stets in der Heimatwährung – es erfolgt nur eine Umrechnung in Euro. Dasselbe gilt übrigens auch für Indizes, die nicht durch ein so genanntes Quanto-Zertifikat speziell währungsgesichert sind. Der Dow Jones bezieht sich immer auf den US-Dollar, der Nikkei-Index auf den japanischen Yen.

Ein solches Währungsrisiko erkennen Sie auch bei Fremdwährungsanleihen: Während Sie beispielsweise für eine Bundesanleihe, die in Euro notiert, nur 4 Prozent erhalten, bekommen Sie für eine Anleihe in türkischen Lira fast 18 Prozent Zinsen pro Jahr. Das Risiko ist aber beträchtlich, denn wenn die türkische Volkswirtschaft eine Wachstumspause einlegt oder die Inflation zu sehr zunimmt, droht der Wechselkurs der Lira gegenüber dem Euro nachzugeben. Im schlimmsten Fall büßt die Lira 30 oder 40 Prozent ein, und dann ist ein Zinssatz von 20 Prozent zu niedrig, da Sie unweigerlich Verluste machen. Währungsprognosen sind selbst für Experten äußerst schwierig, und viele Vorhersagen erweisen sich im Nachhinein als falsch. Bei Ihrer Geldanlage sollten Sie daher stets das Währungsrisiko beachten. Natürlich sollten auch Ihre Investments über eine Vielzahl von Währungen gestreut sein, aber der Euro sollte einen größeren Anteil einnehmen.
Nach diesen Betrachtungen zum Risiko sollten man noch folgendes Argument berücksichtigen. Auch wenn Aktien in einem Jahr im schlimmsten Fall 50 Prozent verlieren können (oder bei Technologikaktien sogar 90 Prozent oder alles), lässt sich das Risiko erheblich verringern, wenn Sie Ihr Geld auf verschiedene Vermögensklassen verteilen. Wenn Sie neben Aktien auch Anleihen, Rohstoffe und Immobilien haben, sind Sie wesentlich besser geschützt. Darüber hinaus sollten Sie das Risiko auf eine Vielzahl von Aktien oder aktienähnlichen Anlagen verteilen. Wenn Sie beispielsweise ein Indexzertifikat auf den amerikanischen Index S&P500 kaufen, verteilt sich Ihr Risiko auf über 500 nordamerikanische Aktien, die in diesem Index zusammengefasst sind.

Eine andere, aber wesentlich weniger preisgünstige Möglichkeit besteht darin, Aktienfonds zu kaufen. Bei einem Aktienfonds werden im Durchschnitt 50 bis 100 verschiedene Aktien gehalten und aktiv vom Management betreut. Natürlich können Sie Ihr Depot auch um einzelne Aktien ergänzen, aber das Risiko steigt dann natürlich, vor allem wenn Sie nur 4 bis 7 Einzelwerte haben. Im Zweifelsfall ist es besser, auf eine breite Streuung durch Aktienfonds und Zertifikate zu setzen.
Das Risiko einer solch diversifizierten Aktienanlage reduziert sich noch beträchtlich, wenn Sie einen langen Zeitraum festlegen. Wenn Sie Aktien oder aktienähnliche Anlagen nur ein Jahr oder ein paar Monate halten, gehen Sie ein enormes Risiko ein, da niemand die Wertentwicklung einer Aktie für einen solch kurzen Zeitraum sicher und fundiert prognostizieren kann. Lassen Sie sich nicht durch die Zielkurse beirren, die in fast allen Börsenzeitschriften angegeben werden. Diese Zielkurse beruhen zwar meist auf der Auswertung von Bilanzkennzahlen und technischen Analysen, sind aber in der Realität nur Anhaltspunkte. Ein Zeitraum von einem Jahr ist zu kurz, um die Entwicklung einer Aktie sinnvoll Vorhersagen zu können. Manche Aktien verlieren in einem Jahr 40 Prozent, andere steigen um 70 Prozent. Wie die Finanzmarktforschung zeigt, kann es sich hierbei um statistische Ausreißer handeln, die viel größer ausfallen können, als man bislang vermutete, wie die so genannte fraktale Analyse belegt. Je länger Sie aber eine Aktie halten, desto mehr pendelt sich der Wert auf die Durchschnittsrendite von 10 bis 14 Prozent pro Jahr ein.

Nach fünf Jahren ist das Risiko eines Verlustes bereits deutlich niedriger, und nach zehn Jahren kann man ein Verlustrisiko – zumindest bei einem Index – fast ausschließen. Nehmen wir als Beispiel den DAX. Wenn Sie 1999 in der Boomphase ein DAX- Zertifikat erworben hätten, dann hätten Sie bis zum März 2003 nur Verluste gemacht. Der DAX fiel von über 8000 Punkten auf klägliche 2500 Punkte. Im DAX sind die 30 größten Standardwerte enthalten, diese konnten sich in der Baisse noch einigermaßen behaupten. Technologieaktien stürzten dagegen in einen Abgrund. Der NEMAX, der Aktienindex des Neuen Marktes, der inzwischen abgeschafft wurde, büßte über 90 Prozent seines Wertes ein.

Im Jahre 2007 sieht die Rechnung für den DAX bereits sehr viel besser aus; der Aktienindex ist inzwischen auf 6900 Punkte geklettert. Zwar würde ein Anleger damit immer noch unter dem Einstandskurs von 8000 Punkten liegen, aber in einem Zeitraum von zehn Jahren dürfte dieser Verlust wieder behoben sein.
Sie werden nun argumentieren, dass ein Investment in den DAX seit dem Jahr 1999 wenig eingebracht hätte. Das ist richtig, aber bedenken Sie das Prinzip der Streuung: Wenn Sie Ihr Geld auch in den Aktienmärkten anderer Länder wie China, Russland oder Indien angelegt hätten, hätten Sie eine Rendite von mehreren hundert Prozent erzielt. Das Risiko an den Aktienmärkten ist relativ gering, wenn Sie Ihre Investments über eine Vielzahl von Aktien (über Zertifikate und Aktienfonds) und Aktienmärkten streuen und für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren planen.

Falls Sie nun trotzdem Lebensversicherungen und Immobilien bevorzugen, muss ich Ihnen sagen, dass solche Anlageformen ebenfalls Risiken in sich bergen. Beispielsweise sind Lebensversicherungen intransparent; Sie erfahren bislang nicht, wie hoch die Verwaltungsgebühren und Vertriebskosten sind. Die Durchschnittsrendite von Lebensversicherungen liegt zwischen 3 bis 5 Prozent; der gesetzliche Garantiezins wurde im Jahre 2007 sogar auf 2,25 Prozent abgesenkt, d.h. wenn Ihre Lebensversicherung nicht genügend Rendite e wirtschaftet, muss sie gesetzlich nur den Garantiezins bezahlen. Wenn Sie davon eine jährliche Inflationsrate von 2 Prozent abziehen, erreicht Ihre Geldanlage kaum noch eine reale Verzinsung .Viele Menschen sind der Auffassung, Altersvorsorge habe etwas mit Versicherungen zu tun; in Wirklichkeit ist die Altersvorsorge in erster Linie ein Geldanlageproblem. Wie dramatisch der Unterschied ausfallen kann, zeigt Ihnen eine Modellrechnung. Nehmen wir einmal an, Sie legen im Alter von 30 Jahren einen Geldbetrag von 10.000 € mit einer Rendite von 4 Prozent bei einer Lebensversicherung und mit 10 Prozent in einer breit gestreuten Aktienanlage bis zu Ihrem 65. Lebensjahr an. Der Versicherungsnehmer hat dann ein Endkapital von 39.460 €, während der Aktionär auf 281.024 € kommt. Der Aktionär hat aufgrund des langen Zeitraums mehr als das 7-fache erwirtschaftet, Angesichts solcher Zahlen gehen Sie eher ein enormes Risiko ein, wenn Sie Ihre Altersvorsorge auf vermeintlich sichere Anlageformen beschränken und nur eine niedrige Rendite erzielen.
Wie sicher sind denn diese 10 Prozent der Aktienanlage? Wenn Sie Ihr Depot für einen Zeitraum von mindestens 10 oder besser 20 Jahren planen, die Werte über Zertifikate und Aktienfonds breit über viele Regionen der Welt streuen, dann sind 10 Prozent im langfristigen Jahresdurchschnitt realistisch. Mit einzelnen Strategien, die wissenschaftlich untersucht wurden, konnte man sogar in Modellstudien höhere Renditen erzielen als der Durchschnitt des jeweiligen Aktienmarktes.

Für Ihren Aktienanteil am Depot gibt es eine Faustregel, die Sie jedoch flexibel und Ihren Verhältnissen angepasst handhaben sollten: 100 minus Lebensalter = Aktienanteil in Prozent. Wenn Sie jetzt 30 Jahre alt sind, wäre ein Aktienanteil von 70 Prozent nach dieser Regel sinnvoll. In der Realität sollten Sie sich aber an Ihren persönlichen Lebensumständen orientieren. Eine solche schematische Regel eignet sich nicht für jeden Anlegertyp. Eine andere Regel besagt, man solle das gesamte Vermögen zu jeweils einem Drittel in Aktien, Anleihen und Immobilien anlegen. Da Rohstoffe in den letzten Jahren in Mode gekommen sind, müsste man heute auch einen angemessenen Rohstoffanteil berücksichtigen. Bei Immobilien sollten Sie nicht nur an ein Eigenheim oder an fremdvermietete Wohnungen denken, sondern auch an Immobilienaktien, -Zertifikate und so genannte REITs, Real Estate Investment Trusts, die in Deutschland erstmals 2007 eingeführt wurden. Gerade mit solchen Instrumenten können Sie auch mit Immobilien Renditen erzielen, die das Niveau der Aktienanlage erreichen.

Wenn Sie bereits über 60 Jahre alt sind, kommen Aktienanlagen nur noch als Depotbeimischung in Frage; es sei denn, Sie sind sehr spekulativ eingestellt. Dennoch sollten Sie Ihren Aktienanteil drastisch reduzieren und Ihr Vermögen überwiegend in sicheren Qualitätsanleihen und zur Streuung in Immobilien (-Zertifikaten) an- legen. Achten Sie zudem darauf, Ihre Anleihen zu streuen und nur Schuldverschreibungen mit hoher Bonität in Euro auszuwählen.

Börse für Anfänger – Reichsein ist nicht einfach

Reichtum macht ein Herz schneller hart als kochendes Wasser ein Ei, sagt der Volksmund. Mag sein. Aber der Mensch strebt, solange er lebt, gerade nach materiellem Wohlstand. Ist ja nichts Verwerfliches, denn: Der Geist denkt, das Geld lenkt. Und da greifen gerade die am heftigsten in den Lenker, die behaupten, eine besonders feine Nase fürs Reichsein und -werden zu haben, die Vermögensverwalter. In dieser ebenso gediegenen wie manchmal dubiosen Sparte steht das amerikanische Finanzhaus Merrill Lynch fast uneinholbar auf Platz eins.

Die von Merrill Lynch verwalteten Vermögenswerte liegen bei 1,7 Billionen Dollar. Alles, was danach kommt, ist weit abgeschlagen. Der Branchenzweite UBS ist in diesem Bereich fast viermal kleiner, die verwalteten Vermögen betragen insgesamt nur 426 Milliarden Dollar. Da Merrill Lynch weltweit aber immerhin sechs Millionen Kunden betreut, ist das durchschnittliche Vermögen mit etwas über 280 000 Dollar rein statistisch nicht so groß. Da steht UBS schon viel besser da. Hier bringt jeder der 250 000 Kunden im Durchschnitt 1,7 Millionen Dollar mit. Und ganz vornehm ist die Kundschaft bei Goldman Sachs. Dort betreut man in der Vermögensverwaltung zwar nur 15 000 Kunden, die haben es aber ganz dicke. Jeder schob durchschnittlich mehr als 18 Millionen Dollar über den Tresen und erwartet nun, dass sie sich auch überdurchschnittlich gut vermehren. In dem von Merrill Lynch und der Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young vorgelegten German Wealth Report 2000, einer von mehreren Studien über den Reichtum in Deutschland und damit über die potenzielle Klientel, kommen die Finanzmanager zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland 365 000 Menschen mit einem Geldvermögen von mehr als einer Million Euro gibt. Insgesamt gehören ihnen mehr als zwei Milliarden Euro oder 25,7 Prozent des deutschen Vermögens. Zu den Ultrareichen gehören 3 700 Deutsche mit einem Geldvermögen von mehr als 30 Millionen Euro pro Kopf.

Bezieht man diese Zahlen einmal auf die Gesamtbevölkerung, dann muss man feststellen, dass 0,5 Prozent der deutschen Bevölkerung immerhin 25,7 Prozent des Vermögens gehören, und schaut man noch genauer hin, so zeigt sich, dass 5 Prozent der Bevölkerung insgesamt sogar über 46 Prozent des Vermögens verfügen. Das heißt, 95 Prozent der Deutschen, also die überwiegende Mehrheit, müssen sich mit den restlichen 54 Prozent des vorhandenen Vermögens begnügen. Wer das jetzt für ungerecht hält, kann getröstet werden, denn die Situation hat sich schon deutlich gebessert. In der Zeit von 1996 bis 1999 kamen immerhin 52 000 Euro-Millionäre dazu, das entspricht einem Wachstum von 5,3 Prozent pro Jahr. Allerdings ist das Vermögen der Vermögenden im Zeitraum von 1996 bis 1999 mit 10 Prozent pro Jahr erheblich schneller gewachsen als das Einkommen der arbeitenden Klasse. Wenn man böswillig ist, könnte man es auf den Nenner bringen: Arbeit lohnt sich nicht mehr, es sei denn, man lässt das Geld arbeiten.

Weltweit ist die Situation natürlich noch viel krasser. Da gibt es 7 Millionen Dollar-Millionäre und über 55 000 Ultrareiche, die mehr als 30 Millionen Dollar Finanzvermögen besitzen. Die 225 reichsten Personen auf der Welt verfügen über ein Gesamtvermögen von über einer Billion Dollar, das entspricht dem jährlichen Einkommen der ärmsten 47 Prozent der Weltbevölkerung, also immerhin 2,5 Milliarden Menschen. Von diesen 225 Ultrareichen leben 60 in den Vereinigten Staaten, 14 in Japan und 21 in Deutschland. Wer das in Deutschland alles ist, hat freundlicherweise das Manager Magazin im Januar 2001 aufgelistet. Auf Platz 1 stehen die Gebrüder Karl und Theo Albrecht, die es mit ihren Aldi-Märkten geschafft haben, seit den sechziger Jahren immerhin 20 Milliarden Euro zusammenzutragen. Weitaus weniger bekannt sind die Familien von Baumbach/Boehringer und Engelhorn. Alle drei haben mit Pharmaprodukten ihr Vermögen gemacht. Die Familien von Baumbach und Boehringer (Boehringer Ingelheim) verfügen über 16 Milliarden Euro und die Familie Engelhorn (Boehringer Mannheim) über 10 Milliarden.

Die weiteren Plätze der deutschen Top-Ten-Liste werden von Reinhard Mohn (Bertelsmann), der Familie Herz (Tchibo, Reemtsma), der Familie Otto (Otto Versand), der Familie von Siemens (Siemens), Susanne Klatten, geborene Quandt (BMW und Altana), Erivan Haub (Tengelmann) und Otto Beisheim (Metro) besetzt.

Wenn Sie einen dieser Superreichen auf der Straße träfen, Sie würden ihn nicht erkennen, denn die wirklich Reichen sind alles andere als mediengeil. Man könnte sogar sagen, sie scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Einerseits, weil sie Kidnapping oder Erpressung fürchten, andererseits, weil sie offensichtlich ein ziemlich normales Leben führen wollen, ohne Glamour und ohne Homestorys. Das ist ja bei einigen Newcomern, die ihr Geld am Neuen Markt gemacht haben, ganz anders. Die tun für Publicity (fast) alles.

Insgesamt konzentrieren sich in Deutschland knapp 30 Prozent des europäischen Vermögens der High Net Worth Individuals (HNWI). Als Ursache sieht Merrill Lynch dafür den seit den fünfziger Jahren anhaltenden Wirtschaftsaufschwung. Auch wenn sich die Verteilung zwischen den oberen 5 Prozent und den übrigen 95 Prozent etwas unproportional ausnimmt, ist es in Deutschland – anders als in Großbritannien – trotzdem zu einer immer breiteren Verteilung des Geldvermögens in der Bevölkerung gekommen. Dass die Reichen in Deutschland aber dennoch immer überproportional reicher wurden als die anderen, liegt an der allgemeinen Börsenentwicklung, den Veränderungen in der deutschen Investmentkultur, aber auch daran, dass viele Familienunternehmen verkauft, also zu Bargeld gemacht worden sind. Zwar ist in Deutschland das Verhältnis von Börsenkapitalisierung zu Bruttoinlandsprodukt in den Jahren von 1996 bis 1999 von 28,4 Prozent auf 67,8 Prozent gestiegen, dennoch liegt Deutschland in diesem Bereich weit abgeschlagen hinter der Schweiz, Großbritannien und den USA. Hier ist also noch Potenzial zum Reichwerden vorhanden.

Merrill Lynch erwartet, dass sich das überdurchschnittliche Wachstum in den Geldvermögenswerten der Reichen und Ultrareichen weiter fortsetzen wird. Wofür auch die ab 2001 geltende Steuerreform sorgt. Die meisten Ultrareichen Deutschlands leben in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. In genau diesen Ländern wird auch erwartet, dass bis zum Jahr 2004 fast 50 000 Familienunternehmen unter den Hammer kommen und damit noch einmal ein ordentlicher Vermögensschub entsteht. In der gesamten Bundesrepublik sollen bis 2004 schätzungsweise 84 000 Familienunternehmen verkauft werden, weil kein Nachfolger in der Familie zu finden ist. Merrill Lynch unterscheidet so schön zwischen neuem und alten Reichtum. Leute, die erst in den letzten paar Jahren richtig reich geworden sind, sind bei der Auswahl ihrer Anlagen sehr leistungsorientiert und auch bereit, risikoreichere Anlageformen zu wählen, die sich schnell realisieren lassen. Meist sind sie besonders der Branche zugewandt, in der sie ihr Geld gemacht haben, und eigentlich haben sie nur eines im Kopf: dass ihr Vermögen noch weiter wachsen soll. Wenn die Bank nicht so funktioniert, wie sie möchten, gehen sie auch schnell zur nächsten. Das ist beim alten Reichtum anders. Hier legt man mehr Wert darauf, das Vermögen zu erhalten, und richtet sein Augenmerk besonders auf Renditen, die im Schnitt 15 Prozent für das Gesamtportfolio ausmachen sollten. Verschwiegenheit, Exklusivität und Erfahrung aufseiten der Finanzberater sind besonders gefragte Eigenschaften. Man wechselt nicht die Bank, sondern allenfalls den dortigen Ansprechpartner. Alter Reichtum besitzt circa 70 Prozent Geldvermögen und 30 Prozent Sachvermögen. 40 bis 50 Prozent des liquiden Vermögens sind global angelegt. Wieder ein Beweis für die Mobilität des Geldes.

Börse für Anfänger – TÜV für Börsentauglichkeit

Zur Börse drängt es noch immer viele Unternehmen. Trotz Ernüchterung im Schockjahr 2000 und massivem Liebensentzug der Anleger. Aber der Zug der Lemminge ist nicht mehr so groß. Und schon wieder droht neue Unbill. Denn zwei Drittel der Aspiranten, so eine Untersuchung der Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen bei 430 Unternehmen, seien nicht börsentauglich. Nur ein Drittel dürfte dabei sein. Nicht zu glauben!

Defizite finden sich ausgerechnet bei der Unternehmensplanung und im Rechnungswesen. Rund ein Viertel der Firmen hat noch keine vollständigen Planabschlüsse, obwohl die Zulassung am Neuen Markt verlangt, dass die Emissionsbanken, die Wirtschaftsprüfer oder die Betreuer (designated Sponsors) den Businessplan auf Plausibilität überprüfen (due diligence). Und ein Fünftel sagt: Nein, ein börsenfähiges Rechnungswesen gibt’s bei uns (noch) nicht. Na fein. Wehret diesen Anfängern!! Wehe, wenn sie zugelassen …

Aber ist es denn bei den schon Notierten ganz anders? Bei manchen nicht Unbekannten am Neuen Markt hört man derzeit fast schamhaft was von schlampiger Buchführung – jetzt, da das Zahlenwerk für 2000 auf den Tisch kommen soll. Arme Aktionäre. Da kommen wohl noch einige Überraschungen. Wenn schon der Finanzchef von Ex-Superstar EM.TV seinen Hut nehmen musste … Aber wie soll schon Max Planck gesagt haben: Die Wissenschaft entwickelt sich von Begräbnis zu Begräbnis weiter.

Aber gibt es nicht nach dem Going-public-Run nun auch den Gegentrend Going private? Immer mehr Unternehmen werden auf eigenen Wunsch de-listed. Bekannte Marken wie Aino (Küchen), Benz (Möbel) oder Grohe (Armaturen) reprivatisierten schon, Mitglieder aus dem M- und S-DAX. Ja, da kommt Stress auf, wenn man als gemütliches Familienunternehmen als AG an die Börse geht. Da weht der Wind schon heftiger.

Ein auf lange Sicht unbefriedigender Kursverlauf, unterschiedliche Auffassungen zwischen Anlegern und Management über langfristige Marktstrategien, stetige Veränderungen der Börsenströmungen oder geringe Erfolgschancen für eine weitere Kapitalerhöhung führen zu einem Umdenken bei der Kosten-Nutzen-Betrachtung, so die Unternehmensberatung Droege & Comp, in Düsseldorf.

Und dann ständig nörgelnde Anleger am Telefon, im Internet oder auf den Hauptversammlungen. Vermögensberater geben sich die Tür in die Hand: Darf ich den Finanzvorstand mal um folgende Auskünfte bitten? Und die ständigen Berichte fürs Quartal, den Monat, das Jahr – natürlich nach IAS und US-GAAP. Muss nicht sein, sagen sich viele. Mach ich nicht mehr. Obwohl die Umwandlung einer börsennotierten Gesellschaft in eine andere Rechtsform hübsch komplex ist, stehen noch mehr auf der Liste des Abflugs von der Börse. 20 bis 25 Prozent aller am Neuen Markt gehandelten Unternehmen kommen angeblich für ein Delisting infrage. Es ist schon paradox: bei der Auswahl will man strenger sein, und die, die notiert werden könnten, haben wegen dieser Strenge keinen Bock mehr.

Der Emissions-Knigge
Beim Börsengang von mittelständischen Unternehmen tragen die emissionsbegleitenden Banken eine besonders große Verantwortung. Diese erstreckt sich nicht nur auf eine erfolgreiche Platzierung, sondern geht weit darüber hinaus. Eine der dringlichsten Aufgaben ist die Vorbereitung und auch die Betreuung des Managements auf eine völlig neue Lebenssituation.

Die Gontard & Metall Bank hat einen Maßnahmenkatalog entwickelt, der in diesem Zusammenhang schon oft als vorbildliche Guideline zitiert und scherzhaft als Folterkammer tituliert wurde.

  1. Charaktercheck des Managements:

Schon im Vorfeld müssen die Emissionsbanken überprüfen, ob Charakter und Moralvorstellungen der Vorstände und Altaktionäre der emittierenden Gesellschaft den Ansprüchen und Wertmaßstäben der Investoren gerecht werden. Dies beinhaltet unter anderem die Einschätzung, ob die verantwortlichen Personen die Kraft haben, den mit dem Börsengang verbundenen Anforderungen gerecht zu werden. Die Akteure müssen vor allem der Versuchung des schnellen Geldes widerstehen

können! Es ist wichtig, bereits in der Emissionsberatung die Altaktionäre darauf hinzuweisen, dass sich das Leben nach dem Börsengang spürbar ändert. Vorstände und Altaktionäre müssen wissen, dass sie vom Kapitalmarkt abgestraft werden, wenn sie glauben, nun würde das süße Leben beginnen. Das Gegenteil ist der Fall: Investoren wie Analysten haben ein langes Gedächtnis für Versäumnisse. Spätestens bei einer Kapitalerhöhung wird man für die Sünden der Vergangenheit bestraft. Deshalb gehört zu einem disziplinierten Arbeiten ab dem Tag danach ein Sanktionskatalog.

  1. Altaktionäre verzichten auf Bonus/Dividende bei Nichterreichen der Ziele:

Allzu oft werden die Anleger beim IPO-Kandidaten mit der Botschaft konfrontiert, dass nach jahrelanger Durststrecke ausgerechnet in den nächsten zwei Jahren der Gewinn kräftig steigen soll. Dieser Hockeystick-Effekt führt mit einem entsprechenden KGV-Multiplikator schnell zu einer erstaunlich hohen Bewertung der Gesellschaft. Bei den Gontard- &-Metall-Bank-Emissionen wird in diesem Zusammenhang darauf geachtet, dass die Altaktionäre bei einer Dividendenausschüttung auf ihre Zahlung verzichten müssen, wenn sie die ambitionierten Ziele nicht erreichen. Sind Altaktionäre zugleich Vorstandsmitglieder der Gesellschaft, werden sie durch einen Bonusverzicht daran erinnert, dass sie beim Börsengang höhere Ziele avisiert hatten. Dieser Vorgang ist dem Ereignis vergleichbar, wenn an Weihnachten nur Knecht Ruprecht kommt.

  1. Das Management und die Mitarbeiter werden beteiligt:

Um die Ergebnisziele zu erreichen, wirkt es häufig wie Doping, wenn die Mitarbeiter bereits im Vorfeld zusammen mit dem Management an der Gesellschaft beteiligt werden. Diese Maßnahme stärkt die Gesamtverantwortung der Belegschaft und schärft den unternehmerischen Geist. Hierbei fällt dem Chronisten das Beispiel des hungrigen Hundes ein, der gern und begeistert nach der Wurst springt.

    1. Der IPO-Erlös fließt zu mehr als 75 Prozent dem Unternehmen zu:

Wenn man die Liste der misslungenen Börsengänge analysiert, ist festzustellen, dass sich in diesen Fällen häufig die Altaktionäre schon zum Börsengarig in großem Stil von ihren Papieren getrennt haben. Der neue Aktionär finanziert somit das Abkassieren der Alteigner. Kein Wunder, wenn in der Folge die realen Ergebnisse nicht den Planzahlen entsprechen. Deshalb ist streng darauf zu achten, dass der IPO- Erlös zum überwiegenden Teil dem Unternehmen zufließt. Damit wird gewährleistet, dass die Altaktionäre hungrig bleiben.

  1. Eheverträge sind ein Muss:

Wie eine Seifenblase platzt mancher Traum vom glücklichen Leben zu zweit, wenn nach erfolgtem Börsengang der Depotauszug schwarz auf weiß belegt, wie groß das gemeinsame Vermögen nun ist. Begehrlichkeiten werden geweckt, außerdem ist es häufig leider so, dass mit dem Kontostand der Verstand nicht mitwächst. Der Glaube an die Geldillusion kann Ehen zerbrechen. Um zu vermeiden, dass es durch gescheiterte Ehen zu einem kräftigen Leistungsabfall im Unternehmen kommt, sollten Eheverträge zwingend vorgeschrieben werden. Damit sind die Besitzverhältnisse innerhalb der Familie vertraglich klargestellt, bevor die Gier den Verstand frisst.

  1. Die Lock-up-Frist wird verlängert:

Zur Verstärkung der oben genannten Gebote dient die Erweiterung der Marktschutzklausel. Damit signalisieren die Altaktionäre dem Anleger, dass sie sich langfristig mit ihrem Unternehmen identifizieren. Zugleich wird den Emittenten der Wind aus den Segeln genommen, die behaupten, der Emissionspreis sei zu niedrig. Wo sonst als im eigenen Unternehmen kann Geld mehr verdienen? Die von der Gontard & Metall Bank konzipierte Management- beziehungsweise Mitarbeiterbeteiligung sieht beispielsweise Sperren bis zu drei Jahren vor. Herausragend ist die Heyde AG, bei der sich die Altaktionäre bis zu 10 Jahre an das Unternehmen gebunden haben. Ein echter Lockruf des Geldes!

  1. Der Aufsichtsrat wird durch erfahrene Manager der Wirtschaft besetzt: Häufig neigen mittelständische Unternehmer dazu, die Aufsichtsratspositionen mit ihren Freunden aus dem Tennisclub zu besetzen. Irritierend ist auch die Feststellung, dass der Wirtschaftsprüfer aus Vereinfachungsgründen gleich mit in den Aufsichtsrat einzieht. Dies hat natürlich zur Folge, dass er letztlich sich selbst prüft. Die Selbstkontrahierung wird dadurch unterbunden, dass dem Vorstand erfahrene Haudegen als Aufsicht, aber auch mit Rat und Tat zur Seite gestellt werden.
  2. Der Emittent wird zur Durchführung einer Post-Due-Diligence in den Folgejahren verpflichtet:

Der bisher beschriebene Maßnahmenkatalog wird gekrönt durch die Verpflichtung, auch zwölf beziehungsweise 24 Monate nach dem Börsengang den Due-Diligence-Prüfer zu bestellen. Damit wird unter anderem erreicht, dass der Vorstand im Falle einer Zielverfehlung diese offiziell auch bestätigt bekommt. Damit schließt sich der Kreis und die zuvor genannten Sanktionen dürften zu wirken beginnen.

  1. Corporate Governance Commitment:

Es wird künftig zur Pflichtübung der Emissionshäuser werden, ihre Börsenneulinge behutsam an die Inhalte und die Bedeutung von Corporate Governance heranzuführen, damit diese im harten Wettbewerb um Eigenkapital langfristig bestehen können. Corporate Governance ist die langfristig ausgerichtete erfolgsorientierte Unternehmensleitung und verantwortliche Unternehmensüberwachung. Es betrachtet demnach Kompetenzen, Kommunikation und Kontrolle von Entscheidungsgremien börsennotierter Unternehmen. Zielsetzung ist ein Transparenz- und Vertrauensgewinn bei Mitarbeitern, der interessierten Öffentlichkeit und natürlich Investoren, die eine Wertsteigerung ihres Vermögens erwarten.

  1. Börsengang nicht verschieben:

Schwarzer Oktober: Ein Drittel aller Neuemissionen abgesagt – Ausgelassene Stimmung weicht Katerstimmung. So zog Die Welt am 2. November 2000 eine Monatsbilanz. Anstatt der geplanten zwölf wagten nur acht Gesellschaften ihr Börsendebüt. Die Verschiebung eines IPOs entspricht nicht der Philosophie der Gontard & Metall Bank, denn diese Verzögerung verursacht nicht nur zusätzliche Kosten, sondern auch einen erheblichen Imageschaden – bei Investoren, Kunden und Mitarbeitern des Emittenten. Der Dampf ist raus und nur schwer wieder in die Gesellschaft hineinzubringen. Da ist es besser, in trüber Stimmung durchzumarschieren und Preisabschläge hinzunehmen. Dies lässt Chancen für eine überzeugende und stetige Kursentwicklung.

  1. Langfristiges Commitment der Betreuer:

Das Commitment der Konsortialbank endet nicht mit der Erstnotierung der Aktie. Die Gontard & Metall Bank verpflichtet sich dazu, die Funktion des Designated Sponsor für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren zu übernehmen. Diese Funktion beinhaltet darüber hinaus zwingend die Erstellung von Researchstudien. Es darf nicht passieren, dass die Bank als Erste durch den Notausgang verschwindet, wenn sie merkt, dass die Luft dünn wird.

  1. Krisenmanagement:

Die Verantwortung der Emissionsbank kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die Gesellschaft in eine Schieflage gerät. Sollte sich die Gontard & Metall Bank AG tatsächlich in einem Unternehmen oder einem Unternehmer getäuscht haben, muss sie rasch handeln. So hat die Bank die Ablösung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von DataDesign herbeigeführt, nachdem erkennbar war, dass Prognosen nicht erreicht würden. Auch bei Prodacta hat die Bank ein neues Ma

nagement installiert. Inzwischen sind beide Gesellschaften Musterbeispiele eines Turnaround-Unternehmens.

Entgegen der verbreiteten Meinung, dass dieser -Knigge- Geschäfte verhindere, wird der Leitfaden in der Zwischenzeit vielmehr als Qualitätssiegel von Anlegern und Emittenten sehr geschätzt und hat eine Vorbildfunktion erlangt.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat als erste Institution ihrer Art die Verlängerung der Lock-up-Fristen in den eigenen Forderungskatalog übernommen. Auch die Zulassungsstelle der Deutsche Börse AG dreht berechtigterweise inzwischen an verschiedenen Stellschrauben, um dem Missbrauch des Marktes vorzubeugen. Viele Emissionsdienstleister nehmen mittlerweile dem Emissions-Knigge ähnliche – über die Anforderungen des Neuen Marktes hinausgehende – Regeln in ihre Bedingungen für Emittenten auf, um dem potenziellen Investor die Anlageentscheidung zu erleichtern.

Jobmaschine Neuer Markt
Obwohl der Neue Markt durch Pleiten stark in Verruf geraten ist, auch Vertrauen durch Machenschaften verspielt wurde, sollte eines nicht unterschätzt werden: Die Börse der jungen, wilden, innovativen Unternehmen ist eine richtige Jobmaschine. Seit ihrem Start (10. März 1997) ist eine Reihe von Arbeitsplätzen generiert worden. Börsenboss Seifert ging gern mit der Zahl 50 000 hausieren.

Eine zum Jahresende 2000 veröffentlichte Umfrage unter den im Nemax 50 enthaltenen Unternehmen hat ergeben, dass die große Mehrheit der Firmen, knapp 84 Prozent, im vergangenen Jahr neue Mitarbeiter eingestellt hat. Mehr als 30 Prozent verdoppelten sogar ihre Beschäftigtenzahl. Darunter sind allerdings nicht nur Neueinstellungen, sondern auch Mitarbeiter aus Unternehmen, die zugekauft wurden.

Auch im Jahr 2001 suchen die Neuer-Markt-Firmen noch weiter Mitarbeiter, vor allem Softwareentwickler und technische Berater. Branchenkenner sehen in erster Linie bei den Biotech- und Logistikfirmen weiteres Beschäftigungswachstum.

Neben den direkt von den Unternehmen im Neuen Markt geschaffenen Arbeitsplätzen darf man die indirekten Effekte auf das Umfeld nicht vergessen, das heißt die Ankurbelung der Beschäftigung bei den Banken, Börsen, Wirtschaftsprüfern, Medien und vor allem im Internet. Ein regelrechter

Boom ist bei Public-Relations- und Investor-Relations-Agenturen ausgebrochen.

Klar ist: Hätte es den Neuen Markt nicht gegeben, wären viele gute, zukunftsträchtige Ideen weiter in den Schubladen geblieben, und der Anschluss an das Weltniveau, gerade bei den neuen Technologien, von Biotech bis Gentech und Telekommunikation, wäre verpasst worden … Wer als Bittsteller bei Bank oder Sparkasse um einen Kredit für seine Geschäftsidee nachsuchte, der musste doch gleich das berühmte Häuschen von der Oma als Sicherheit mitbringen. Mit dem Neuen Markt ist eine neue und unabhängige Geldquelle erschlossen worden.

Auch für bisher unbekannte Größen in der Medien- und weiten Filmlandschaft. Wer gab diesen Künstlern“ schon Kredit … Und die gerieten durch diese Kapitalnot in völlige Abhängigkeit von den Amerikanern. Beispiele wie Constantin, Senator, Das Werk, aber auch die viel kritisierte EM.TV zeigen, dass deutsche Unternehmen mit den Großen dieser schillernden Welt nicht nur mithalten können, sondern auch Trends setzen.

Auch der Wissenstransfer von den Universitäten, der immer so heftig eingeklagt wurde, ist durch Ausgründungen und den Gang an die Börse gottlob breiter geworden. Vor der Ära des Neuen Marktes undenkbar!

Das Erwachen der deutschen Börsen AG

Moderne Effektenbörsen, wie wir sie heute kennen, entstanden in den deutschsprachigen Teilen Europas erst verhältnismäßig spät. Die Londoner Börse verfügte 1697 bereits über einen Kurszettel, der an den Marktplätzen ausgehängt wurde, damit sich jeder über die Kurse informieren konnte. Amsterdam folgte mit dieser Errungenschaft erst 1714, allerdings gab es dort schon eine Börsenordnung. Damals waren in Amsterdam 34 Aktiengesellschaften notiert.

Und noch etwas hatten die Holländer den Deutschen und Österreichern voraus: Sie kannten auch schon alle Tricks und Schwindel des Börsengeschäfts. Der Börsenmakler Joseph De La Vega schrieb bereits 1688 das erste Buch über die Börse, also knapp 300 Jahre vor Kostolany, in dem er Strategien, aber auch Manipulationsmethoden detailliert darstellte. Einer der Lieblingstricks jener Zeit war das Erfinden von kursbeeinflussenden Nachrichten. Kommt einem doch irgendwie bekannt vor, oder?

London, Antwerpen und Amsterdam waren also die ersten echten Effektenbörsen. Das bedeutet, dass dort Wertpapiere gehandelt werden, die lediglich nach ihrer Gattung, Stückzahl und ihrem Betrag definiert sind, ohne dass sie tatsächlich körperlich an der Börse vorhanden sein müssen, um gehandelt werden zu können.

Die Wiener Börse wurde erst im September 1771 gegründet, doch blieb es an dieser Börse einige Jahrzehnte recht still. Die Frankfurter Börse begann erst 1816 mit dem regelmäßigen Effektenhandel und war bis zur Reichsgründung 1871 die bedeutendste Börse in Deutschland, bis sie von Berlin abgelöst wurde. Die ersten Aktien wurden in Frankfurt 1820 gehandelt. In Hamburg begann der Effektenhandel 1815. In dieser Zeit dominierten aber immer noch die festverzinslichen Wertpapiere gegenüber den Anteilspapieren.

In den Jahren 1825 und 1826 kam es in England zu einer schweren wirtschaftlichen Krise, der schlimmsten seit dem Südseeschwindel von 1720. Ausgelöst wurde diese Krise durch den restriktiven Eingriff der Bank of England in den überhitzten Finanzmarkt Londons, der zu der Zeit der weltweit größte war. Als Folge brachen 1825 in England über 70 Banken sowie 3 600 andere Unternehmen zusammen. Diese Krise breitete sich dann über Holland und Frankreich auch bis nach Deutschland und Österreich aus.

Die Hauptkrisenursache sah man in Deutschland in den seit 1816 gebräuchlichen Zeitgeschäften. Gemeint war damit der Terminhandel, der sehr schnell mit Scheingeschäften und Schwindel gleichgesetzt wurde, während das normale Kassageschäft als reelles kaufmännisches Handeln galt. 1836 wurden in Preußen alle Zeitgeschäfte verboten. Seit 1840 wurden immer mehr Aktien in Deutschland gehandelt. Dabei konzentrierte man sich auf die neuen Technologien, nämlich auf die Eisenbahn. Industrie- und Bankaktien kamen erst etwas später hinzu. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bedurfte jede einzelne Gründung einer Kapitalgesellschaft einer besonderen Genehmigung durch den preußischen König. Auch in den anderen deutschen Ländern gab es keine allgemeine gesetzliche Regelung der Gründung von Aktiengesellschaften. Erst im November 1843 wurden in Preußen das Börsenwesen und das Aktienrecht festgeschrieben. Aktiengesellschaften konnten nun unabhängig von der Branche, in der sie tätig waren, gegründet werden – mit Ausnahme des Bankensektors.

Die bemerkenswertesten Börsengeschäfte und größten Spekulationskrisen stehen in der Mitte des 19. Jahrhunderts ganz eindeutig im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau. Bereits die erste deutsche Eisenbahh zwischen Nürnberg und Fürth wurde 1835 mit einem Aktienkapital von 177 000 Gulden gebaut. Die 207 Aktionäre gehörten überwiegend dem bürgerlichen Stand an. Sie waren Kaufleute, Ärzte, Verleger, aber es waren auch Beamte und Offiziere dabei. Die Kurse der ausgegebenen Aktien lagen Ende 1835 20 unter pari, stiegen dann sogar auf 500 Gulden im Jahre 1837 und bewegten sich auch 1847 noch deutlich über 300. Man kann in dieser Zeit von einem wahren Eisenbahnfieber sprechen.

Ab 1840 wurden dann die großen Linien gebaut, so zum Beispiel 1843 die Köln-Mindener Eisenbahn, deren Gesellschaft immerhin mit einem Kapital von 13 Millionen Talern gegründet wurde. Die Rheinische Bahn von Köln nach Antwerpen kam 1837 noch mit 2 Millionen Talern aus. In erster Linie war das breite Publikum noch an der Dividende interessiert, die bei der von Nürnberg nach Fürth fahrenden Ludwigs-Eisenbahngesellschaft schon kurz nach Inbetriebnahme der Bahn bei 17,25 Prozent lag. Überall in Deutschland entstanden neue Eisenbahnlinien. Von Berlin nach Potsdam, von Braunschweig nach Wolfenbüttel, von Düsseldorf nach

Erkrath und von Leipzig nach Dresden. Insgesamt wurden zwischen 1838 und 1846 über 100 Millionen Taler in den Eisenbahnbau gesteckt. Und weil die Renditeerwartung so hoch war, kam es schon damals zu einer Überzeichnung der Aktien, wie wir es auch bei Technologiewerten am Neuen Markt kennen.

Die Eisenbahnaktie als Kapitalanlage war so beliebt, dass der preußische Staat befürchtete, anderen Wirtschaftszweigen würde das Kapital entzogen. Man liebäugelte mit dem Verbot des Baues weiterer Eisenbahnlinien. Das drückte natürlich die Kurse. Aber auch andere Ereignisse konnten sich kursbeeinflussend auswirken. So zum Beispiel die schlimmen Missernten in den Jahren 1846 und 1847, die in den Folgejahren die Eisenbahnaktien in England auf 28 Prozent des vorherigen Kurswerts drückten, während sich die Werte in Deutschland nur halbierten.

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen dann neben den Eisenbahn- auch Bankaktien an die Börse, die jedoch anfangs noch misstrauisch beäugt wurden. Es folgten dann die Industrieaktien, auf die man in Frankfurt eher zurückhaltend reagierte, während die Berliner sie durchaus positiv aufnahmen. Zu diesen Industrieaktien gehörten auch etliche Bergwerks- und Hüttenunternehmen, unter anderem die Harpener Bergbau-Actien-Gesellschaft, die 1856 gegründet wurde und die es heute immer noch gibt, obgleich der schweizerische Finanzjongleur Werner K. Rey in den neunziger Jahren versucht hat, das Unternehmen auszuschlachten, während die deutschschweizerische PR-Agentur Trimedia dafür zu sorgen hatte, dass er nach außen hin sein Mäntelchen der Seriosität bewahren konnte, bis er dann für Jahre untertauchte.

Seit den fünfziger Jahren des 19- Jahrhunderts gab es in Deutschland eine rege Investitionstätigkeit, die durch den Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 eine leichte Delle bekam, während der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 durch die steigende Nachfrage an Kriegsmaterialien einen zusätzlichen Investitionsschub auslöste.

Die Historiker sind sich darüber einig, dass der Aufschwung der Wertpapierbörsen nach 1850 ohne die Innovationen im Bereich der Informationsvermittlung nicht möglich gewesen wäre. 1848 wurde die erste elektromagnetische Telegrafenverbindung zwischen Frankfurt und Berlin installiert, und schon ein Jahr später gründete B. Wolff in Berlin das Wölfische thelegraphische Bureau-. Wenige Jahre später entstanden mehrere verschiedene Börsenzeitungen, und auch die allgemeinen Tageszeitungen enthielten Börsenberichte und aktuelle Meldungen, die sie von den telegrafischen Büros bezogen.

1862 wurde durch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch das Aktienrecht in Deutschland und Österreich einheitlich gefasst, allerdings nur für Aktiengesellschaften, die gewerbsmäßig Handel betrieben. Die einzelnen Staaten konnten nun auf die Genehmigungspflicht für die Neugründung von Aktiengesellschaften verzichten, doch machten keineswegs alle davon Gebrauch.

Das neue Aktiengesetz des Norddeutschen Bundes von 1870, das 1971 auch von den süddeutschen Ländern und 1874 von Elsass-Lothringen eingeführt wurde, brachte eine weitgehende Liberalisierung. Während die Gesellschaften bisher eine staatliche Konzession brauchten, fiel diese für die Zukunft weg. Nun wurde auch in Preußen die Gründung von Aktienbanken ermöglicht. Übrigens wurden damals auch die Aktiengesellschaften verbindlich verpflichtet, einen Aufsichtsrat als Kontrollorgan des Vorstands einzusetzen.

Zu der Zeit wurden in Berlin 325 Wertpapiere notiert, davon waren knapp ein Drittel in- und ausländische Staatspapiere, die überwiegende Zahl (über 180) unterschiedliche Eisenbahnaktien, und es gab 55 Bank- und Industrieaktien. Frankfurt war hingegen immer noch hauptsächlich auf Staatspapiere konzentriert.

In den Jahren 1871 bis 1873 folgte die so genannte Gründerzeit. Es wurden in Deutschland 928 Aktiengesellschaften mit einem Gesamtkapital von 2,78 Milliarden Euro gegründet. Dabei lag das Schwergewicht in der Montan-, Eisenbahnbaubedarfs- und Maschinenbauindustrie. Jedoch wurden auch in den Jahren 1870 bis 1872 in Deutschland 107 Aktienbanken mit einem Kapital von insgesamt 740 Millionen Euro gegründet, von denen die Deutsche Bank, die Commerzbank und die Dresdner Bank heute noch existieren.

Der Konjunkturaufschwung und das Interesse an Aktien lässt sich ab 1868 als ein internationales Phänomen nach weisen, wobei sich die Österreicher besonders hervortaten. Dort hatte sich zwischen 1866 und 1873 die Zahl der Eisenbahngesellschaften um 185 Prozent vermehrt, die der Industrie- und Baugesellschaften um über 970 Prozent, was die Grundstückspreise enorm in die Höhe trieb, und die der Aktienbanken um 305 Prozent.

An der Börse zockten die Österreicher wie die Wilden. Aber auch die Deutschen machten in Wien mit. Das durch die Reparationszahlungen von Frankreich in Deutschland freigegebene Kapital, rund 2,5 Milliarden Euro bei einem Nettosozialprodukt in Höhe von 16 Milliarden Euro, wurde auch flugs nach Wien transferiert. Ungefähr eine Milliarde wanderte dahin, da der Aufschwung an der Wiener Börse exorbitante Gewinne versprach.

Als es dort im Frühjahr 1873 zu Problemen kam, woran unter anderem ungünstige politische Meldungen Schuld hatten, weitete sich diese Krise innerhalb von wenigen Monaten auch auf die deutschen Börsenplätze aus. Am 9- Mai 1873 war der erste so genannte Schwarze Freitag an deutschen Börsen. Insgesamt sank in Deutschland der Kurswert von 444 deutschen Aktiengesellschaften von 4,5 Billionen auf 2,4 Billionen Euro, also um durchschnittlich 46 Prozent. Das Ausmaß der Gründerkrise war erheblich. Von den zwischen 1870 und 1872 gegründeten 107 Aktienbanken waren am Ende des Jahres 1873 nur noch 34 im Geschäft. Der Rest war pleite. Von den zwischen Sommer 1870 und Ende 1874 allein in Preußen gegründeten 857 Aktiengesellschaften befanden sich Ende 1874 bereits 123 Gesellschaften in Liquidation, 37 waren schon in Konkurs gegangen.

Diese Krise von 1873 hatte viele Parallelen zum heutigen Neuen Markt. Auf die Welle von Neugründungen von Aktiengesellschaften und Börsengängen folgte der tiefe Absturz und eine Auslese zwischen den Unternehmen, bei der es auf ihre Überlebensfähigkeit ankam. Nur die besten Unternehmen blieben übrig. Keine der weiteren Krisen in der Börsengeschichte wies solche Ähnlichkeiten mit der heutigen Situation auf.

Als Konsequenz des Crashs beschloss man 1884 zunächst eine Überarbeitung des Aktiengesetzes, um den Kleinsparer vom gefährlichen Bör- senspiel fern zu halten. Man erhöhte zu diesem Zweck den Mindestnennwert der Aktien auf 1 000 Euro. Damit legte man den Grundstein für eine fast 100 Jahre andauernde Aktienabstinenz bei den Normalverdienern. Man wollte den einfachen Bürger und den unteren Mittelstand schützen, gleichzeitig schnitt man sie aber auch vom Wohlstand durch Vermögenswachstum ab. Arbeiten und Sparen hieß jetzt die Devise. Das freute die Banken. Im Herbst 1881 führten Missstände und Unregelmäßigkeiten bei Termingeschäften zur Entwicklung eines allgemein verbindlichen Gesetzeswerks, das die Tätigkeit der Börse regeln sollte. 1896 wurde das erste deutsche Börsengesetz verabschiedet. Was aus heutiger Sicht bemerkenswert erscheint, sind die umfangreichen Anlegerschutzvorschriften.

Auszug aus dem Börsengesetz vom 22. Juni 1896

  • 7

Vom Börsenbesuche sind ausgeschlossen:
Personen weiblichen Geschlechts;
Personen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden;
Personen, welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind;
Personen, welche wegen betrüglichen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt sind;
Personen, welche wegen einfachen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt sind;
Personen, welche sich im Zustande der Zahlungsunfähigkeit befinden;
Personen, gegen welche durch rechtskräftige oder für sofort wirksam erklärte ehrengerichtliche Entscheidung auf Ausschließung von dem Besuche einer Börse erkannt ist.

  • 38

Vor der Zulassung ist, sofern es sich nicht um deutsche Reichsoder Staatsanleihen handelt, ein Prospekt zu veröffentlichen, welcher die für die Beurtheilung des Werthes der einzuführenden Papiere wesentlichen Angaben enthält. Das Gleiche gilt für die Konvertirungen und Kapitalserhöhungen. Der Prospekt muss den Betrag, welcher in den Verkehr gebracht, sowie den Betrag, welcher vorläufig vom Verkehr ausgeschlossen werden soll, und die Zeit, für welche dieser Ausschluß erfolgen soll, ersichtlich machen.

  • 39

Die Zulassung von Antheilsscheinen oder staatlich nicht garantifer- ten Obligationen ausländischer Erwerbsgesellschaften ist davon abhängig, dass die Emittenten sich auf die Dauer von fünf Jahren verpflichten, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung jährlich nach Feststellung derselben in einer oder mehreren von der Zulassungsstelle zu bestimmenden deutschen Zeitungen zu veröffentlichen.

  • 43

Sind in einem Prospekt, auf Grund dessen Werthpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche für die Beurteilung des Werthes erheblich sind, unrichtig, so haften diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden hätten kennen müssen, als Gesammtschuldner jedem Besitzer eines solche Werthpapieres für den Schaden, welcher demselben aus der von den gemachten

Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Das Gleiche gilt, wenn der Prospekt in Folge der Fortlassung wesentlicher Thatsachen unvollständig ist und diese Unvollständigkeit auf bösliche Verschweigen oder auf der böslichen Unterlassung einer ausreichenden Prüfung seitens derjenigen, welche den Prospekt erlassen haben, oder derjenigen, von denen der Erlaß des Prospektes ausgeht, beruht. Die Ersatzpflicht wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet.

  • 75

Wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Börsen- oder Marktpreis von Waaren oder Wertpapieren einzuwirken, wird mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Euro bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden …

Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher in betrügerischer Absicht wissentlich unrichtige Angaben in Prospekten (§ 38) oder in öffentlichen Kundgebungen macht, durch welche die Zeichnung oder der Ankauf von Werthpapieren herbeigeführt werden soll.

  • 76

Wer für Mittheilungen in der Presse, durch welche auf den Börsenpreis eingewirkt werden soll, Vortheile gewährt verspricht oder sich gewähren oder versprechen lässt, welche in auffälligem Mißverhältniß zu der Leistung stehen, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu fünftausend Euro bestraft.

Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der sich für die Unterlassung von Mittheilungen der bezeichneten Art Vortheile gewähren oder versprechen lässt.

  • 78

Wer gewohnheitsmäßig in gewinnsüchtiger Absicht Andere unter Ausbeutung ihrer Unerfahrenheit oder ihres Leichtsinns zu Börsenspekulationsgeschäften verleitet, welche nicht zu ihrem Gewerbebetriebe gehören, wird mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Euro bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs erlebte das Aktienwesen in Deutschland eine neue Blütezeit. Adelige Großgrundbesitzer, aus dem Handwerk erwachsene Industrielle, aber auch das gehobene Bürgertum, Ärzte, Anwälte, Kaufleute und Beamte wussten nicht wohin mit ihrem Geld. Im Jahr 1900 gab es bereits 4500 Aktiengesellschaften und 1909 5222. Ende Juli 1914 wurden die deutschen Börsen geschlossen, aber der Handel mit Wertpapieren an anderen Orten fortgesetzt, bis im Dezember 1917 die Börsen wieder öffnen konnten. In der Nachkriegszeit erfreute sich die Börse auch in breiten Bevölkerungskreisen wieder wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, denn die Inflation wurde immer schneller, und mit Aktien konnte zumindest ein Teil des Vermögens vor der Entwertung gerettet werden. Seit einer Änderung im Börsengesetz vom 28. Dezember 1921 durften nun übrigens auch Frauen die Börse besuchen.

Aktienbesitzer haben auch die Inflation 1923 relativ gut überstanden. Sie hatten während der Inflationszeit zwar ein Fünftel ihres Vermögens verloren, aber diejenigen, die ihr Geld in vermeintlich sicheren Staatsanleihen angelegt hatten, verloren praktisch alles. 1924, nach der Einführung der Reichsmark, stabilisierten sich die Aktienkurse wieder und erreichten 1927 während der Zeit der Weimarer Republik ihren Höchststand. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 folgte ein kräftiger Absturz, 1931 und 1932 wurden die Notierungen wegen der Bankenkrise zeitweilig ausgesetzt.

Durch den Zweiten Weltkrieg haben natürlich auch die Aktienbesitzer hohe Verluste erlitten, der Grund waren Enteignungen, Demontage oder Zerstörung vieler Betriebe. 1945 hatte sich das Vermögen eines Aktionärs gegenüber 1933 ungefähr halbiert, während diejenigen, die ihr Geld in Anleihen angelegt hatten, 86 Prozent verloren hatten. Der Aktionär stand also wieder relativ gut dar.

Und mit der Währungsreform 1948 wurden alle Schuldverschreibungen des Staates wertlos, ebenso das Bargeld; andere Anleihen wurden auf ein Zehntel ihres Wertes gekürzt. Trotzdem hat es sehr lange gedauert, bis das breite Publikum in Deutschland wieder für Aktien zu begeistern war.

Warum die Deutschen der Börse so lange misstrauten
Schlechte Erfahrungen während der Kaiserzeit, Weltwirtschaftskrise und Angst vor Kriegen waren einige der Gründe, weshalb die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg so lange aktienabstinent waren, obwohl die Fakten eigentlich für Aktien sprachen. Weil im Zweiten Weltkrieg das verloren ging, was bis dahin den Wert eines Unternehmens ausgemacht hatte – Fabriken, Anlagen, Menschen und Märkte — waren in der Nachkriegszeit Aktien in der öffentlichen Meinung risikobeladene Besitzanteile, deren Dividende von anderen Geldanlagemöglichkeiten zum Teil erheblich übertroffen wurden. Die Kursbewegungen waren verhältnismäßig gering und Spekulationen erforderten besondere Kenntnisse und einen hohen finanziellen Einsatz. Außerdem bestand auch bei den Banken und Sparkassen ein elementares Interesse daran, andere Geldanlagen zu fördern, allen voran das Sparbuch. Deshalb legten sie die Hürden für den Aktienkauf und Aktenbesitz auch besonders hoch. Mit den Spareinlagen ließen sich wunderbar die Kredite für die Unternehmen finanzieren. Ein risikoarmes und lukratives Geschäft. Auch die Regierung sah im Sparen das Glück des kleinen Mannes und hatte kaum ein Interesse daran, etwas zu verändern.

Erst als der Bundesbürger (besonders die junge Erbengeneration) das bisher so ungewohnte Risiko einer Geldanlage entdeckte und mehr an Verzinsung als von Sparbüchern und Anleihen wollte, als auch die Wirtschaft die Börse zunehmend als leichte Geldquelle entdeckte, erst da begann in Deutschland so etwas wie Aktienkultur. Nicht die Volksaktie von VW im Jahre 1961 löste den Aktienboom in Deutschland aus, sondern erst die groß angelegte Werbekampagne für die Deutsche Telekom im November 1996, also 35 Jahre später.

Privatkunde als Anleger werden

Was interessiert uns der kleine Mann, war lange die Devise. Das große Geld sollten Fusionen, das so genannte Investmentbanking bringen. Alle Banken der Welt, ob groß, ob klein, waren auf Globalisierungskurs und damit auf den Spuren der Wirtschaft. Die große Welt, das war ihr Feld. Der Kleine hatte (fast) keinen Platz mehr im Kerngeschäft.

Doch jetzt reißen sich wieder alle um den Privatkunden. Die ganz Großen der Finanzbranche stellen sich (zum wiederholten Male) ganz neu auf, von Deutscher bis Commerzbank. Es gibt nur noch zwei Säulen: Firmen und – man wird’s nicht glauben – Privatkunden. Die sind keine Peanuts mehr, die sollen’s jetzt bringen, wenn den bisherigen Paradepferden (Investmentbank, Merger & Acquisitions) die Puste ausgeht.

Die Deutsche Bank will den Bereich Retailbanking, auf Deutsch Mengenkundengeschäft, ausbauen. Die Zahl der Privatkunden soll bei der Tochter Deutsche Bank 24 von heute 10,5 Millionen bis 2004 auf mindestens 13,5 Millionen steigen. Finanzdienstleistungen sind das große Geschäft. Die verschiedenen Dienstleistungen und Produkte geschickt miteinander zu vernetzen, aus einer Hand dem Kunden zu präsentieren (und zu verkaufen) – das ist die neue Masche.

Von der Lebensversicherung über die Altersvorsorge bis zur Planung der Erbschaft: Connectivity, sagt der Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer dazu, also die Produktbereiche einer Bank oder eines Finanzdienstleisters mit dem Vertrieb so zu verkuppeln, dass alles eins ist. Das soll dem Kunden jetzt als großartiger Fortschritt verkauft werden.

Früher haben die Kunden klaglos und stets respektvoll alles hingenommen, was ihnen von der Geldwirtschaft so zugemutet wurde. Ein Prozent vom Kurswert mussten sie zahlen, wenn sie Aktien kaufen oder verkaufen wollten. Beratung? Bewahre, eher noch kleine Zusatzabzockereien. Wer sagte denn, dass die Bank innerhalb ihrer Organisation die Geschäfte sofort und zu einem für den Kunden günstigen Kurs ausführen sollte? Limits setzen bei Aktiengeschäften – unbekannt!

Man staunt, was alles möglich wird, wenn Bankbeamte“ endlich auf- wachen. So schaffte die Dresdner Bank 1999 im Privatkundengeschäft eine Vor-Steuer-Rendite von 10 Prozent. Das war schon was. Im Jahr 2000 lag sie bereits bei fast 20 Prozent. Und im Jahr 2003 wird sie 30 Prozent verdienen. Dafür soll die Zahl der Geschäftsstellen um 300 auf 850 reduziert werden, wobei 10 Prozent der bestehenden 50 000 Arbeitsplätze wegfallen. Bei der Dresdner darf sich der Kunde dann selbst aussuchen, welche Dienstleistung er wünscht, ob er sich mit den billigeren Leistungen für die weniger vermögenden Kunden zufrieden gibt oder ob er mehr Service will – der dann auch mehr kostet. Bei den Blauen (Deutsche Bank) läuft es ähnlich.

Die Analysten der Investmentbank Morgan Stanley Dean Witter (MSDW) haben den Markt der Privatkunden detailliert analysiert. Fazit: Das Geschäft mit den vermögenden Privatkunden wird durch die Aktienmärkte und die wachsende Zahl der Erben immer mehr an Bedeutung gewinnen. Und es ist lukrativ.

An der Spitze die Schweizer Bank Crédit Suisse. Sie erwirtschaftet einen Gewinn vor Steuern von 0,75 Prozent des verwalteten Vermögens. Das heißt, von jeder Million, die man in die Hände der Bank gibt, damit sie daraus ein bisschen mehr macht, bleiben 7500 Euro bei ihr als Gewinn hängen. Entweder sind die Schweizer besonders tüchtig oder sie haben sich besonders gut und wirtschaftlich organisiert. Wahrscheinlich beides. Die Deutsche Bank bringt es nur auf 0,36 Prozent. Aber sie will bis 2004 weltweit unter die Top 3 gelangen, ein begehrter Platz, um den sich auch J. P. Morgan Chase, Merrill Lynch und die City Group bemühen.

Die großen Gewinne machen alle, ob Sparkasse, Volksbanken oder Privatbanken, nicht bei Giro- oder Sparkonten, obwohl diese die eigentliche Masse des Geschäfts darstellen. Interessant wird es erst bei den Wohlhabenden. Wer bei der Deutschen Bank nur 50 000 Euro mitbringt, muss jährlich 1 Prozent vom Vermögen als Basispreis zahlen, wenn er eine Beratung haben will, und er zahlt auch für so genannte Strategiegespräche, Finanzanalysen und Depotverwaltung. Billiger wird der Service für den, der schon mehr hat, bevor er sich mit der Bank einlässt. Ab

100 000 Euro liegen die Gebühren nur noch bei 0,2 Prozent, die Provisionen für Wertpapiergeschäfte fallen zusätzlich an – zwischen 0,1 und 0,3 Prozent, je nach Auftragshöhe. Obwohl es in der Bankenbranche keine allgemein gültigen Abgrenzungen gibt, sieht es so aus, dass man Anlagebeträge zwischen 25 000 und 250 000 Euro dem so genannten Massengeschäft mit Wohlhabenden zuschlägt. Die eigentlich Reichen beginnen für viele Banken erst bei einer Mindestanlage von 250 000 Euro.

Wer mindestens 750 000 Euro zur Bank trägt, gehört zu den vermögenden Privatkunden (High Net Worth Individuals HNWI). Sehr vermögend (Ultra High Net Worth Individuals UHNWI) sind Private mit einem Geldvermögen von mindestens 30 Millionen Euro, so eine Studie von Merrill Lynch und der Beratungsgesellschaft Cap Gemini Ernst & Young. Diesen Gruppen lässt man dann nicht nur eine Beratung angedeihen, sondern stellt ihnen auch ein spezielles Wealth Management (so was gibt’s!) zur Seite. Umfang und Beratung sind nach oben offen, die zu kassierenden Honorare ebenfalls, aber bei einigen Banken gelten rund 18 000 Euro für Gebühren als unterer Richtwert. Das wissen besonders die Privatbanken zu schätzen, die sich zum Teil schon seit ein paar hundert Jahren um die wirklich Reichen kümmern.

Besonders gern gesehen sind Unternehmerfamilien, die nicht nur das Unternehmens-, sondern auch das private Vermögen verwalten lassen und die sich mit Nachfolgeregelungen und Erbschaftsfragen hemmzuschlagen haben, an denen ganze Scharen von Beratern verdienen. Aber durch die lange Phase der wirtschaftlichen Stabilität sind die Privatvermögen auch in Deutschland stark gewachsen. Nicht mitgewachsen ist die Dienstleistungsbereitschaft der Banken. Deshalb ist das Geschäft mit den Privatkunden zurzeit noch unterentwickelt.

Um diesen Mangel zu beheben, hat die Deutsche Bank schon 1999 den Studiengang zum Financial Consultant in Zusammenarbeit mit der Ruhruniversität Bochum eingerichtet. Normale Bankangestellte, die zwar befähigt sind, aber nicht immer über viel Wissen und Fingerspitzengefühl verfügen, werden zu hoch qualifizierten Generalisten trainiert. Nicht nur durch Fachwissen, sondern auch durch eine ordentliche Portion Psychologie. Die wird gebraucht, um den Privatkunden über die Hürden der Gebühren zu helfen und ihnen die Produkte des Hauses schmackhaft zu machen. Egal, zu welchem Geldtyp Sie zählen: Sie sollten immer selbst nachrechnen, was versprochen wird, nachfragen, bis Sie verstehen, worum es geht, und nicht nur aufs Ergebnis starren. Ganz wichtig auch: das Klein gedruckte lesen. Wer sich dann die Zeit nimmt, um auch noch bei der Konkurrenz der Bank seines Vertrauens vorbeizuschauen, wird manche Entscheidung vielleicht doch noch einmal überdenken.

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser
Wer sich nicht selbst um die Anlage seines Vermögens kümmern kann oder will, musste in der Vergangenheit viel Vertrauen mitbringen und war vor bösen Überraschungen nie ganz gefeit. Jede Aktion der Banken kostet Geld, und je schneller und heftiger die Vermögensverwalter die Anlagen umschichteten, desto größer wurden die Gebühreneinnahmen, bis von manchen Vermögen überhaupt nichts mehr übrig blieb. Ein Finanzdienstleister (Firstfive Deutschland AG) hat die Marktlücke entdeckt, indem er vermögenden Privatkunden und professionellen Vermögensverwaltern einen Portfoliovergleich anbietet. Damit kann ein Anleger die Leistungen seiner Bank mit denen der Konkurrenz vergleichen. Kein Herrschaftswissen mehr, Einblicke in die Strategien der ganz Großen nehmen – prima. Bislang streng gehütete Geschäftsgeheimnisse werden nachvollziehbar: wann und zu welchem Preis wie viele Aktien eines Unternehmens für das jeweilige Kundenportfolio gekauft worden sind – oder auch nicht. Um die Dienste in Anspruch nehmen zu können, muss man ein Mindestdepotvolumen von einer Million Euro verwalten lassen und Firstfive für die < Informationen 2300 Euro pro Jahr zahlen.

Ein halbes Jahr nach dem Start im Jahre 2000 konnten die Hessen bereits die Bewegung von 120 Depots verfolgen, die immerhin ein Vermögensvolumen von min. 500 Millionen Euro repräsentierten. Natürlich nur ein winziger Ausschnitt der gesamten Anlagesumme der Deutschen. Aber als Firstfive im Dezember 2000 zum ersten Mal die Ergebnisse der Untersuchungen präsentierte, zeigte sich überraschenderweise, dass unabhängige Institute besser abschnitten als große, prominente Adressen. Die Vermögensverwaltung Franzen & Gerber schaffte innerhalb von zwölf Monaten eine positive Wertentwicklung von 38,3 Prozent, die Schweizer Rothschild Bank von 32 Prozent und eine kleine Raiffeisen-Volksbank in der Rhön immerhin 24,9 Prozent. Wer sein Geld allerdings an der falschen Stelle deponiert hatte, musste auch mit einem Minus von 20 Prozent leben. Um allerdings zum Beispiel mit der Raiffeisen-Volksbank Rhön-Grabfeld ins Geschält zu kommen und die Rendite von fast 25 Prozent kassieren zu können, muss man mindestens 250 000 Euro mitbringen. Die Rendite in Höhe von fast 62 500 Euro jährlich ist kein Pappenstiel. Ob Privatleute, die nebenher ihr Vermögen selbst verwalten, auch auf solche Zahlen kommen?

Börse für Anfänger – Börsenkontroll, Regeln usw.

Der zahnlose Tiger, genannt Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe), hat schon wieder zugebissen. Um die Transparenz für die Anleger zu verbessern, sollten die Mitglieder von Geschäftsführungs und Aufsichtsorganen börsennotierter Gesellschaften künftig ihre Aktienverkäufe offen legen, so BAWe-Präsident Georg Wittich. Und fast flehend: Dies sollte auf gesetzlicher Grundlage verpflichtend- geschehen. Dem Aufruf mit dem doppelten Konjunktiv fehlt irgendwie der rechte Biss.

Die Börsenkontrollettis
Die Marktaufsicht ist leider völlig zersplittert. Jede der sieben Wertpapierbörsen in Deutschland wird von drei verschiedenen Institutionen überwacht. Das sind das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, das sich um alle kümmert, die Börsenaufsicht auf Landesebene und die Handelsüberwachungsstelle der jeweiligen Börse als Selbstkontrolle.

Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel BAWe mit Sitz in Frankfurt wurde 1995 gegründet. Heute hat es 140 Mitarbeiter (die entsprechende Börsenaufsicht in den USA beschäftigt 3 000 Personen), die sich im Schwerpunkt um den Schutz des Anlegers vor Insiderhandel, die Verfolgung von Insiderhandel, die Bekanntgabe von kursrelevanten Meldungen börsennotierter Unternehmen und die Überwachung der internen Organisationspflichten der Wertpapierdienstleister kümmern sollen. Man muss also vielen Tausenden von Beteiligten scharf auf die Finger schauen. Schon rein statistisch kann die Trefferquote unter diesen Bedingungen nur klein ausfallen. Wie soll es da erst in der Praxis sein?

Im Jahr 2000 hat das BAWe 51 Insideruntersuchungen neu aufgenommen, 24 davon wurden eingestellt und 22 an Staatsanwaltschaften abgegeben. Am Jahresende waren inklusive der noch laufenden Untersuchungen aus den Vorjahren insgesamt 50 Untersuchungen offen. Die Staatsanwaltschaften haben in diesem Zeitraum von den gesamten Insiderverfahren 40 abgeschlossen, 37 davon wurden eingestellt, nur in zwei Fällen gab es rechtskräftige Strafbefehle und in einem Fall rechtskräftige Verurteilungen. Weiter gab es zu Beginn des Jahres 2000 beim BAWe insgesamt 218 anhängige Bußgeldverfahren, dann kamen im Laufe des Jahres noch 252 neue hinzu. Innerhalb dieser Zeit wurden 271 Verfahren abgeschlossen. Davon wurden 189 eingestellt und in 81 Fällen Bußgeld verhängt. Ein Fall wurde an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Zum Jahresende 2000 blieben dann noch 199 Bußgeldverfahren offen.

Außerdem musste sich das BAWe im Jahr 2000 mit 5693 Ad-hoc-Meldungen beschäftigen. Der Aufgabenberg wird also immer größer. Die beiden anderen Aufsichtseinrichtungen sind personell natürlich deutlich knapper ausgestattet, da sie ja nur regional begrenzte Aufgaben haben. In Frankfurt sind es jeweils rund 20 Mitarbeiter, die für Transparenz, Sicherstellung eines fairen Handels, ordnungsgemäße Abwicklung abgeschlossener Geschäfte und eine ordnungsgemäße Kursfeststellung und Preisbildung beim Börsenhandel zu sorgen haben.

Das hört sich zwar gut an, aber das, was in den USA und vor allem Großbritannien hart geregelt und streng geahndet wird, ist bei uns ein lasches privatrechtliches Regelwerk der Aktiengesellschaft Deutsche Börse AG. Zwar wurde es zum Jahreswechsel wegen diverser Ereignisse in den drei Jahren Existenz des deutschen Neuen Marktes geändert und zum 1. März 2001 nochmals erweitert, aber absolut halbherzig.

Gut, es gibt anders als bei der Nasdaq in New York die Haltefrist (lock-up) der Altaktionäre: Nach dem Börsengang (Initial Public Offering = IPO) muss sechs Monate gewartet werden, ehe eigene Aktien des Unternehmens verkauft werden dürfen. Die Deutsche Börse richtet für diese Aktien auch eigene Wertpapierkennnummern ein. Jeder vorzeitige Verkauf würde also entdeckt. So weit, so gut. Es gibt auch weiterführende Verpflichtungen (soft lock-up) der Altaktionäre durch die Konsortialbanken: Verkauf nach den sechs Monaten nur mit deren Zustimmung. Aber wie sieht die Realität tatsächlich aus? Wer will, der kann – umgehen und manipulieren. Die dazu passenden Stichworte sind bekannt: Strohmann, Familie, Verpfändung, Leerverkäufe über andere Banken und so weiter. Der Fall EM.TV hat es doch gezeigt: Ohne Zustimmung der WestLB haben die Gebrüder Haffa mal eben 34 Millionen gezogen. Durch Verkäufe eigener Aktien – natürlich vor ihrer (hausgemachten) Krise und dem Verfall der EM.TV-

Papiere. Die WestLB gibt sich beleidigt und der Haffa-Anwalt ganz locker: Man betrete juristisches Neuland. Deshalb rechne er sich für seinen Mandanten gute Karten aus.

Schlechte Karten für Wittichs Behörde! Dass Vorstände und Aufsichtsräte ab 1. März drei Tage nach einem Verkauf eigener Aktien diesen öffentlich machen müssen, reicht nicht. Wie in New York (Nasdaq) muss vorher darüber informiert werden. Damit sich Anleger darauf einstellen und die Lage bewerten können. Alle Personen in führenden Positionen müssen zudem zur Bekanntgabe verpflichtet werden. Zwei Jahre Haltefrist sollten das Minimum sein. Auch gestaffelte Fristen sind denkbar. Bei Unternehmen ohne Gewinn sollten Vorstand und Aufsichtsrat die Papiere so lange im Depot halten, bis ihre Firma in den schwarzen Zahlen ist. Das wäre eine vertrauensbildende Maßnahme den anderen Aktionären gegenüber! Auch sollten den Vorständen Aktiengeschäfte mit eindeutig kurzfristiger Gewinnorientierung untersagt werden. Ein Blick ins britische Unternehmensrecht von 1985 sollte Ihnen die Augen öffnen, Herr Wittich. Auf geht’s: für einen besseren Anlegerschutz und gegen Machenschaften von Haffa und anderen Absahnern! Auf dass der Anwalt bald nicht mehr feixen und frohlocken kann!

Wer unser Geld will, muss uns schützen
In den USA sind Anleger besser geschützt als in Deutschland, sagt auch Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Während in den USA Schadensersatzklagen gegen Aktiengesellschaften fast an der Tagesordnung sind, haben es deutsche Anleger wesentlich schwerer, ihr Recht zu bekommen.

Allein im Jahr 2000 wurden in den USA etwa 200 Unternehmen von Aktionären verklagt. Seit Beginn der neunziger Jahre mussten US-Firmen mehr als 6 Milliarden Dollar an geschädigte Aktionäre zahlen. Dass deutsche Anleger wesentlich weniger Klagen an die Aktiengesellschaften richten, liegt laut Hocker an den unterschiedlichen Rechtssystemen. In den USA sind die Anteilseigner ganz einfach stärker geschützt als bei uns. Zudem gibt es dort Sammelklagen, bei denen sich mehrere Aktionäre zusammenschließen können, um Schadensersatz zu fordern. Das macht das Risiko für den einzelnen Anleger wesentlicher geringer, als wenn er allein die Klage anstrengen würde. Ein weiterer Unterschied ist, dass in den USA der Nachweis der Fahrlässigkeit genügt, um Anleger zu entschädigen. Bei uns muss der Vorsatz bewiesen werden.

Zurzeit ist in Deutschland die direkte Schadensersatzklage durch Aktionäre noch nicht möglich. Hocker hofft, dass dies mit In-Kraft-Treten des vierten Finanzmarktförderungsgesetzes der Fall sein wird, doch das wird frühestens Ende 2002 verabschiedet werden. Heute muss man noch auf das Bürgerliche Gesetzbuch zurückgreifen. Verstöße gegen den § 15 Wertpapierhandelsgesetz bezüglich der Ad- hoc-Mitteilungen sind keine gesetzliche Grundlage für Schadensersatzansprüche der Aktionäre. Es sind lediglich Strafzahlungen für die Unternehmen vorgesehen. Zu den wichtigsten gesetzlichen Grundlagen für Schadensersatzansprüche im deutschen Rechtssystem gehören folgende:

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

  • 15 Veröffentlichung und Mitteilung kursbeeinflussender Tatsachen.

(1) Der Emittent von Wertpapieren, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, muss unverzüglich eine neue Tatsache veröffentlichen, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten und nicht öffentlich bekannt ist, wenn sie wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen kann.

Für Anlagebetrug sieht der § 264a Strafgesetzbuch vor, dass der Vorsatz nachgewiesen werden muss.

Strafgesetzbuch (STGB)

  • 264a Kapitalanlagebetrug (1) Wer im Zusammenhang mit
  1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder
  2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet.

Ebenfalls ist eine Bilanzfälschung als Verstoß gegen den § 400 Aktiengesetz und § 331 Handelsgesetzbuch nur unter Nachweis des Vorsatzes strafbar.

Aktiengesetz

  • 400 Unrichtige Darstellung

(1)     Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler

  1. die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist, oder
  2. in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes einem Prüfer der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens zu geben sind, falsche Angaben macht oder die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist.

(2)     Ebenso wird bestraft, wer als Gründer oder Aktionär in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes einem Gründungsprüfer oder sonstigen Prüfer zu geben sind, falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt.

Handelsgesetzbuch

  • 331 Unrichtige Darstellung

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichts

rats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluss, im Lagebericht oder im Zwischenabschluss nach § 340a Abs. 3 unrichtig wiedergibt oder verschleiert,

  1. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse des Konzerns im Konzernabschluss, im Konzernlagebericht oder im Konzernzwischenabschluss nach § 340i Abs. 4 unrichtig wiedergibt oder verschleiert,
  2. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft zum Zwecke der Befreiung nach § 291 oder einer nach § 292 erlassenen Rechtsverordnung einen Konzernabschluss oder Konzernlagebericht, in dem die Verhältnisse des Konzerns unrichtig wiedergegeben oder verschleiert worden sind, vorsätzlich oder leichtfertig offen legt oder
  3. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder als vertretungsberechtigter Gesellschafter eines ihrer Tochtemnternehmen (§ 290 Abs. 1 und 2) in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach § 320 einem Abschlussprüfer der Kapitalgesellschaft, eines verbundenen Unternehmens oder des Konzerns zu geben sind, unrichtige Angaben macht oder die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft, eines Tochterunternehmens oder des Konzerns unrichtig wiedergibt oder verschleiert.

Ob bei Kursmanipulationen aufgrund von Verletzungen des § 88 Börsengesetz eine Haftung möglich ist, ist unklar.

Börsengesetz (1)

  • 88 Strafvorschrift

Wer zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, Bezugsrechten, ausländischen Zahlungsmitteln, Waren, Anteilen, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder von Derivaten im Sinne des § 2 Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes

  1. unrichtige Angaben über Umstände macht, die für die Bewertung der Wertpapiere, Bezugsrechte, ausländischen Zahlungsmittel, Waren, Anteile oder Derivate erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften verschweigt oder
  2. sonstige auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wenn die Altaktionäre die Lock-up-Periode nicht einhalten, könnte die Emissionsbank zu Schadenersatzansprüchen berechtigt sein, aber nicht der Anleger.

Bei der Prospekthaftung gemäß § 45 Börsengesetz und dem Verkaufsprospektgesetz ist der Schadensersatzanspruch begrenzt. Außerdem sind die Verjährungsfristen von sechs Monaten sehr kurz. Erforderlich ist der Nachweis unrichtiger oder fehlender wesentlicher Angaben.

Börsengesetz (2)

  • 45 Unrichtiger Börsenprospekt

(1) Der Erwerber von Wertpapieren, die aufgrund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, kann

  1. von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und
  2. von denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, als Gesamtschuldnern die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde. Ist ein Ausgabepreis nicht festgelegt, gilt als Ausgabepreis der erste nach Einführung der Wertpapiere festgestellte oder gebildete Börsenpreis, im Falle gleichzeitiger Feststellung oder Bildung an mehreren inländischen Börsen der höchste erste Börsenpreis.

Vor einer Schadensersatzklage eines Aktionärs als Ausgleich für finanzielle Verluste, die durch unwahre Angaben zur Unternehmensentwicklung entstanden sind, muss zunächst die Sache strafrechtlich untersucht werden, erst dann ist ein zivilrechtlicher Prozess möglich. Bei strafrechtlichen Auseinandersetzungen sind die Erfolgschancen relativ höher als bei zivilrechtlichen.

Paragraph 400 des Aktiengesetzes sieht für die unrichtige Darstellung eines Geschäftsverlaufs eine Strafe von bis zu drei Jahren Gefängnis oder eine Geldbuße vor. Aber nur, wenn der Vorsatz nachgewiesen wurde. Bisher sitzen nur die beiden Vorstände der am Neuen Markt notierten Infomatec AG in Untersuchungshaft. Ihnen wird Anlagebetrug und Kursmanipulation vorgeworfen, weil sie in Ad-hoc-Mitteilungen Großaufträge gemeldet haben, die es aber noch gar nicht gab.

Fahrlässiges Verhalten des Vorstands genügt nicht für eine Verurteilung. Ein zivilrechtliches Urteil hat man bisher ein einziges Mal erreicht. Eine Klage der Deutschen Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre gegen die Refugium AG hatte dazu geführt, das die Bilanzen des Unternehmens für 1997 und 1998 für nichtig erklärt worden waren. Die neu vorgelegten Bilanzen weisen statt eines Gewinns von 8,5 Millionen Euro im Jahr 1997 nun einen Verlust von 21,4 Millionen Euro aus und für 1998 einen Verlust von 43,3 Millionen statt eines erwarteten Gewinns von 10,5 Millionen Euro.

Wenn Anleger auf Schadensersatz klagen, sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass das Verfahren vor Gericht sich lange hinzieht, über fünf Jahre oder länger. Die Kosten muss der Anleger zunächst selbst übernehmen, wenn er keine Vermögensrechtsschutzversicherung hat. Als Mitglieder der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) erhalten die Kleinaktionäre eine kostenlose Rechtsberatung. Und gegebenenfalls initiieren die Aktionärsschützer einen Musterprozess.

Suche nach den einfachen Regeln an der Börse

Seil in May and go away (Im Mai verkaufen und dann weglaufen). Jeder Aktieninteressierte wird diesen Börsenkalenderspruch kennen. Die Idee, dass es an der Börse so genannte Kalendereffekte gibt, also wiederkehrende Kursentwicklungen, die in Abhängigkeit zum Jahresverlauf, aber auch zu Monats- und Wochenrhythmen stehen, ist einfach nicht totzukriegen.

Es tauchen immer wieder Ereignisse auf – und es gibt auch ganz rationale Überlegungen die diese Kalendereffekte zu bestätigen scheinen. Am bekanntesten sind die so genannte Jahresendralley, der Januareffekt und der Montagseffekt.

So soll besonders der Januareffekt darauf beruhen, dass speziell die institutionellen Investoren sich aufgrund der an das Kalenderjahr angepassten Geschäftsjahre in einer bestimmten Art und Weise verhalten. Im Januar, wenn das neue Geschäftsjahr beginnt und das alte abgeschlossen ist, kann man neue Risiken eingehen und kauft deshalb besonders viele Aktien. Also ist der Januar ein Boom-Monat.

Da alle Aktionäre wissen, dass im Januar gut gekauft werden wird, decken sie sich im Rahmen der Jahresendralley im Dezember noch kräftig mit Aktien ein, die sie dann im Januar verkaufen werden, bevor der Kurs Ende Januar wieder fällt. Das hört sich alles zunächst ganz plausibel an, ist es aber nicht, denn wenn alle Kapitalanleger sich in gleicher Weise verhalten, also alle gleichzeitig entweder nur kaufen oder nur verkaufen, lässt das den schönsten Kalendereffekt platzen.

Da aber niemand eine Chance auslassen will, haben die verschiedensten Forschungsinstitute die Kalendereffekte untersucht. Das am besten erforschte Phänomen ist der Januareffekt. Das Ergebnis bestätigt zwar, dass es ihn gibt, aber er ist viel zu klein, um ausgenutzt werden zu können.

Und wie ist es mit der Jahresendralley? 1999 ist sie ganz toll gelaufen. Mitte 2000 bereiteten sich alle drauf vor, und was dann? Sie fiel aus! Und weil das Gedächtnis der Leute so schlecht ist und eher kurzfristig programmiert, darf man damit rechnen, dass niemand eine Jahresendralley für das Jahr 2001 erwartet. Was wird wohl passieren? Sie kommt – oder sie kommt nicht. Je nachdem, wer was prognostiziert: Er wird sich bestätigt fühlen und deshalb auch weiterhin die Botschaft vom Kalendereffekt in die Welt tragen.

Besonders die großen Investoren, bei denen schon im Promillebereich fette Profite eingefahren werden, sind an diesen Effekten interessiert gewesen und haben alles untersuchen lassen. Ihr Ergebnis: Es nützt nichts, diese Überlegungen in die eigene Strategie mit einzubeziehen.

Eine Ausnahme ist eventuell der US-Rentenmarkt, der erstens noch nicht genau erforscht ist, zumindest nicht in Bezug auf den Kalendereffekt, und in dem sich außerdem seit 1994 ein gewisser Rhythmus eingestellt zu haben scheint. Allerdings hat man auch schon eine mögliche Fehlerquote für den Kalendereffekt errechnet. Er liegt beim US-Renten- markt bei 35 Prozent Misserfolg. Ob nun der Erfolg auf anderen Faktoren beruht, ist noch nicht so genau zu sagen.

Jeder Anleger sollte sich vor Augen führen, dass der Kalendereffekt besonders deshalb immer wieder gern als Argument in Empfehlungen einfließt, weil er besonders leicht zu vermitteln und zu planen ist. In einen Kalender gucken kann jeder, und einfache Lösungen sind eben immer noch die beliebtesten, auch wenn sie nicht die effektivsten sind. Der amerikanische Schriftsteller Euro Twain hat das in seinem Ratschlag auf den Punkt gebracht: Für die Börsenspekulation ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Januar, März, April, Mai, Juni und Juli bis Dezember.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Das so genannte Market-Timing kann man in gewisser Weise als eine Variante des Kalendereffekts betrachten. Market-Timing geht davon aus, dass es besonders günstige Kurstage gibt — und natürlich auch besonders ungünstige. Man braucht vorher nur zu wissen, um welche Tage es sich handelt, um dann durch den Kauf und Verkauf seiner Aktien zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften.

Fidelity Investments, das größte unabhängige Fondsmanagementunternehmen der Welt, wollte nun gern wissen, was an diesem Market-Timing dran ist. Dafür startete man eine groß angelegte Studie, die sich die Entwicklung der renommierten Aktienindizes rund um die Welt in den Jahren 1987 bis 2000 vornahm. Die Fragestellung war: Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Anleger die besten Kurstage verpasst hat und stattdessen Aktien kontinuierlich behielt, ohne sie zwischendurch zu verkaufen und dann wieder zurückzukaufen? Die Ergebnisse verblüffen. Bezogen auf den DAX 30 erreichte ein Anleger, wenn er die zehn besten Tage des Jahres verpasst hat, eine jährliche Performance von 10,3 Prozent. Hat er sogar die 40 besten Tage des Jahres verpasst, liegt seine Performance nur noch bei 1,6 Prozent. Der Anleger, der sich gar nicht um diese Tage kümmert und einfach nichts tut, erwirtschaftet allerdings eine Performance von 15,4 Prozent.

Und wie sieht es mit den schlechtesten Kurstagen aus? Wer die 40 schlechtesten Kurstage am DAX 30 umgangen hat, konnte eine jährliche Performance von 33,1 Prozent erzielen. Wer die schlechtesten zehn Tage umging, lag immerhin noch bei 21,5 Prozent. Beide Mal hätte man besser abgeschnitten als bei einer ununterbrochenen Anlage. Aber das sind natürlich alles nur hypothetische Zahlen mit Ausnahme deren, die sich auf eine durchgehende Anlage beziehen. Es käme nämlich darauf an, nicht im Nachhinein festzustellen, welcher Tag gut oder schlecht war, sondern dies bereits vorher zu wissen.

Man müsste also Hellseher sein. Und damit hat es bisher immer noch gehapert, wie sich ebenfalls mit Statistiken beweisen lässt. Es gibt unzählige Experten, die für die Jahre 1994 bis 1998 jeweils das Ende des Booms vorausgesagt haben und jedes Mal falsch lagen. Fidelity Investments untersuchte dann auch noch, wie das jährliche Ergebnis sich darstellen würde, wenn man seine Aktien stets zum höchsten Kurs gekauft hätte, zum günstigsten Kurs oder einfach nur zum 1. Januar.

Für Deutschland mag das Ergebnis für Market-Timing-Spezialisten niederschmetternd sein. Beim Einstieg zum höchsten Kurs betrug die Jahresperformance nur 11,9 Prozent. Wer stets den günstigsten Kurs erwischte, hatte eine Performance von 12,8 Prozent, und wer immer zum 1. Januar kaufte, konnte mit dieser Methode eine Performance von 12,6 Prozent erzielen. Also, was soll’s? Der Unterschied zwischen dem besten und schlechtesten Ergebnis lag gerade mal bei 0,9 Prozent pro Jahr. Es ist zwar klar, dass die besten und schlechtesten Tage sehr eng beieinander liegen und dass die größten Kursschwankungen meist in wenigen aufeinander folgenden Tagen stattfinden. Nur darf man sich eben einfach davon nicht irritieren lassen.

Wenn man seine Aktien nach einer gründlichen Analyse auswählt, also Aktien von gesunden Unternehmen mit realistischen Zukunftsperspektiven kauft, spielt das, was tagtäglich an der Börse geschieht, für den gesamten Jahresverlauf nur noch eine untergeordnete Rolle. Für solide Werte gilt die Kostolany-Regel vom Aktienkaufen und Schlafengehen dann doch noch, nur eben nicht mehr über viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg.